Ach ja, alles könnte so schön romantisch sein: Ein bisschen Italien, ein bisschen Sonne, ein sandfarbener weiter Strand, ein paar Palmen, kurzum: der perfekte Ort zum Entspannen. Die Realität sieht da oftmals ganz anders aus. Von Dolce Vita ist in Italien momentan wenig zu spüren. Auch die Italiener haben mit der Weltwirtschaftskrise zu kämpfen. Und wie immer, wenn ein Land in einer Finanzkrise steckt, werden die radikalen Stimmen plötzlich lauter. Dies weckt jedoch meistens auch die Wut von Musikern, bildenden Künstlern – und Schriftstellern.
Mit „Im Schatten von San Marco" hat Autor Martin Cruz Smith einen mit Ironie gespickten Roman vorgelegt, der sich mit dem letzten Kriegsjahr 1945 auseinandersetzt, kurz bevor Deutschland kapitulierte: Der Krieg neigt sich also dem Ende zu, aber die Lagunenstadt Venedig ist noch immer besetzt. Dass die Handlung gerade in diesem beliebten Touristenziel spielt, hängt damit zusammen, dass Venedig historisch gesehen für viele dekadente Schriftsteller stets ein morbider Ort war, der mit Verfall und Endlichkeit einhergeht.
Auch das Dritte Reich ist dem Tode geweiht. Doch im Januar 1945 fürchten die Italiener noch dessen Macht. Eines Tages entdeckt der Fischer Cenzo in der Lagune eine junge Frau, die scheinbar leblos im Wasser treibt. Er zieht ihren Körper in sein Boot und stellt fest, dass sie noch lebt. Allerdings hat die junge Dame namens Giulia offensichtlich große Probleme: Sie stammt aus einer zwar wohlhabenden, aber jüdischen Familie und versteckt sich auf der Flucht vor der SS. Anstatt sie den Nazis zu übergeben, beschließt Cenzo, sie zu beschützen ...
Martin Cruz Smith, der im Jahr 1942 in Philadelphia geboren wurde, lebt heute mit seiner Frau Emilie in der Bucht von San Francisco. In seinem Roman kritisiert er mit oftmals spitzer Feder die Überbleibsel des italienischen Faschismus unter Mussolini sowie die stets vorhandenen Vorurteile gegenüber allem, was in irgendeiner erdenklichen Weise anders ist, als man selbst. Ein Buch, das nachdenklich macht.