Die ersten Entzugserscheinungen waren schon spürbar. Seit dem Finanzkompromiss zwischen Bund und Ländern keine Länderneugliederungsdebatte oder Vergleichbares mehr. Keiner, der das Saarland abschaffen will. Stattdessen schickten sich Saarländerinnen und Saarländer an, die Spitzenfunktionen der Republik zu übernehmen. Die Ruhe war schon fast gespenstisch. Aber auf die Bayern ist Verlass. Sogar ganz ohne Wahlkampf schlägt das Imperium nun wieder zu. Nicht so grobklötzig wie die Vorgänger, aber doch ganz auf deren Linie liegt Markus Söders Idee vom „Föderalismus der zwei Stufen".
Im Kern geht es darum, sich der leidigen Solidarität zu entledigen. Die Formel dazu: Mehr Freiheit und Eigenständigkeit für die reichen Länder, die ärmeren sollen sehen, wie sie klarkommen. Sie brauchen ja nicht gleich zu fusionieren. Eigene Kompetenzen mit anderen teilen oder, noch besser, gleich an den Bund abgeben – und dafür dann Geld bekommen, tut’s ja auch.
Es gehört schon eine Portion Chuzpe dazu, eine solche Idee zu einer Zeit zu präsentieren, wo eine Kommission für gleichwertige Lebensverhältnisse als zwingend notwendig erachtet wurde. Auch wenn der zuständige Minister bislang ebenso wenig vorgelegt hat wie in seiner Funktion als „Heimatminister". Was sicher nicht daran liegt, dass er zufällig zuvor ähnliche Debatten wie jetzt sein Nachfolger in der Bayerischen Staatskanzlei geführt hat.
Auch der Struktur-Verteilungsstreit der sogenannten Kohlekommission hat die wirklichen Probleme eines zunehmend gespaltenen Landes offengelegt. Söders Vorschlag würde die Kluft vergrößern. Fragt sich nur, ob er genau so forsch wäre, wenn etwa das, nur zufällig CSU-geführte, Bundesverkehrsministerium nicht mehr überproportional viele Mittel nach München anweisen würde. Oder Ungleichgewichte im Steuerrecht so geändert würden, dass sich Steuerkraft und Wirtschaftskraft die Waage hielten. Aber bekanntlich sind solche lästige Themen nicht unbedingt bevorzugtes Diskussionsterrain reicher Länder.