Italiens Populisten machen Front gegen Frankreichs Präsidenten
In Europa ist derzeit eine Verrohung der politischen Kultur zu beobachten. Worte werden zu Schwertern, polemische Beleidigungen zu scharfen Klingen, Ressentiments zu Wurfgeschossen. Ausgerechnet die Regierung des EU-Gründungsmitglieds Italien geht hier mit miserablem Beispiel voran.
Die große Koalition aus Rechts- und Linkspopulisten macht in nie dagewesener Form Front gegen Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron. Die offene Sympathie mit der „Gelbwesten"-Bewegung ist eine stillose Parteinahme und eine unter EU-Partnern unübliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Nachbarlandes. Dass dabei nicht einmal differenziert wird zwischen dem friedlichen Teil der gegen Steuererhöhungen demonstrierenden Protestler und den Randalierern vom rechten und vom linken Rand, zeugt von der Grobschlächtigkeit und Brutalität der Haudrauf-Politiker in Rom.
Vor allem der rechts außen angesiedelte Innenminister Matteo Salvini, der starke Mann im Kabinett, gefällt sich in verbalen Tiefschlägen. Der Chef der Lega-Partei sicherte den „Gelbwesten" seine Unterstützung zu und rief die Franzosen dazu auf, Macron aus dem Amt zu verjagen.
Salvini zelebriert eine Privatfehde mit dem französischen Präsidenten, den er wegen seines Vorstoßes für eine stärkere Integration Europas als Hauptgegner in der EU sieht. Wichtigster Pfeiler seiner Politik: Stopp bei der Aufnahme neuer Flüchtlinge und ein rhetorischer Sturmlauf gegen Brüssel. Im August 2018 hatte er sich in Mailand demonstrativ mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán getroffen. Beide hatten angekündigt, eine Allianz der Migrationsgegner zu gründen. Laut Orbán gibt es heute in Europa zwei Lager. Macron sei der „Anführer dieser Parteien, die die Einwanderung nach Europa unterstützen". Auf der anderen Seite stünden er und Salvini – Politiker, „die die illegale Migration stoppen wollen".
Arbeitsminister Luigi Di Maio von der linkspopulistischen Anti-Establishment-Partei Fünf Sterne beließ es nicht nur bei Worten. Er hatte sich ohne Vorwarnung in einer französischen Kleinstadt mit Vertretern der „Gelbwesten" getroffen. Di Maio wollte prüfen, ob sich die Basisbewegung der französischen Wutbürger für eine mögliche Zusammenarbeit bei der Wahl zum Europaparlament Ende Mai instrumentalisieren ließe. Es war in jedem Fall ein Zeichen offener Gegnerschaft zu Macron.
Der Elysée-Palast war so sauer über den unfreundlichen Akt, dass er den eigenen Botschafter aus Rom zurückrief. Ein absolutes Novum in Westeuropa. Di Maio bügelte jedwede Kritik ab und gab sich uneinsichtig: „Ich bin Europäer. Und sich in einem Europa ohne Grenzen zu befinden, bedeutet auch Freiheit für die politischen Beziehungen, nicht nur für den Waren- und Personenverkehr."
Auch in Frankreich werden Grenzen der politischen Kultur eingerissen. So zeigte sich der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon von der Bewegung „La France insoumise" („Unbeugsames Frankreich") „fasziniert" vom „Gelbwesten"-Wortführer Eric Drouet. Der 33-Jährige hatte zuvor zum Staatsstreich aufgerufen. Noch mehr zündelte Mélenchons Mitstreiter François Ruffin. Der hatte Macron mit einem „Ende wie John F. Kennedy" gedroht. Der charismatische US-Präsident war am 22. November 1963 in der texanischen Stadt Dallas ermordet worden.
Populisten haben ein immergleiches Muster. Sie machen riesige Versprechungen wie die Wünsch-dir-was-Koalition in Italien. Salvini will massive Steuererleichterungen für Bürger und Unternehmen – und wundert sich, dass der bereits hoch verschuldete Staat noch mehr in die roten Zahlen rutscht. Di Maio hat ein soziales Wohlfühlpaket geschnürt, das bedingungsloses Grundeinkommen sowie ein höheres Renteneintrittsalter umfasst. Auch hier ist die Finanzierung Nebensache.
Im Wettlauf um Zustimmung – koste sie, was sie wolle – eint beide ein Kurs der organisierten Verantwortungslosigkeit. Den Wählern wird Honig ums Maul geschmiert, aber nie reiner Wein eingeschenkt. Weil ein derartiger Kurs jedoch ins Desaster führen muss, suchen sie nach Sündenböcken für ihre Misere. Die sitzen wahlweise in Brüssel, Paris oder Berlin. Salvini und Di Maio verteufeln politisch Andersdenkende, säen Hass und benutzen Sprache als Waffe. Im Grunde machen sie keine Politik, sondern betreiben einen permanenten Wahlkampf.