Wandel in der Arbeitswelt und neue Technologien sind derzeit in aller Munde. Seriengründer und Technologieinvestor Frank Thelen erzählt im Interview, warum er mit Mitte 20 eine Million Mark Schulden hatte, wieso er in Flugtaxis investiert und wie er sich die Zukunft der Arbeit vorstellt.
Frank, zu Anfang: Wir kennen uns nicht, aber Du duzt alle, auch Prinzen und Minister. Warum?
Ich versuche dadurch klarzumachen: Es geht um Dich als Person, egal welchen Titel Du hast. Lass uns direkt und offen über die Themen sprechen. Ich bitte auch jeden Schüler, Taxifahrer oder Kellner, mich zu duzen. Es geht mir um die Person und nicht um „das ist der wichtige und berühmte Herr Thelen". Ich bin der Frank, der ich immer war.
Warst Du immer schon jemand, der sich von klassischen Strukturen gerne abheben wollte und sich dort nicht gut aufgehoben fühlt?
Schon während meiner Schulzeit wurde klar, dass ich mit klassischen Strukturen nicht gut zurechtkomme. Ich war immer eher der Außenseiter, bin vom Gymnasium geflogen, hab‘ das Studium abgebrochen. Ich habe das nicht bewusst gemacht, weil ich anders sein wollte als die anderen. Ich konnte mich einfach nicht für den klassischen Weg begeistern. Aber Technologie hat mich schon immer begeistert.
In Deiner Biografie „Startup-DNA" erzählst Du, dass Du schon früh mit deinen ersten Geschäften angefangen hast. Zuerst lief das auch super, dann hast Du mit einem Netzwerkrouter eine Pleite hingelegt. Mitte 20 und eine Million Mark Schulden – das ist ganz schön heftig, oder?
Das war heftig, ja. Du bist Mitte 20, willst dich beweisen, und während deine Freunde die ersten Gehälter ausgezahlt bekommen, ziehst du wieder in dein Kinderzimmer und musst deinen Eltern sagen, dass du einen Schuldenberg nach Hause bringst, bei dem die ganze Familie nicht mal die Zinsen abbezahlen kann. Das war wirklich unschön.
Was hat Dir geholfen, da wieder rauszukommen?
Das muss meine Start-up-DNA gewesen sein. Ich hatte eine neue Idee, die mich nicht mehr losgelassen hat, und habe dann einfach wieder losgelegt. Ich war so begeistert von der Technologie und so überzeugt von meiner Vision, dass ich aus dem Cashflow heraus ein Unternehmen im Nischenmarkt Fotoservice zum Weltmarktführer aufbaute.
Heute hast Du die Situation komplett umgedreht, bist Multimillionär und könntest eigentlich die Füße hochlegen. Warum tust Du’s nicht?
Weil ich das, was ich tue, aus Passion tue. Es stimmt, mein Überleben muss ich nicht mehr finanzieren. Aber ich habe ein neues großes Ziel: Ich möchte einen herausragenden Gründer darin unterstützen, einen Weltmarktführer im Technologie-Bereich aufzubauen. Das ist mein Ziel für die nächsten zehn Jahre. Ich könnte im Übrigen gar nicht für den Rest meines Lebens die Füße hochlegen, das bin einfach nicht ich. Das schaffe ich ja nicht einmal eine Woche.
Du investierst unter anderem in Start-ups und bist mit der TV-Show „Die Höhle der Löwen" einem breiten Publikum bekannt geworden. Was macht einen erfolgreichen Gründer aus?
Ein erfolgreicher Gründer brennt für sein Produkt und ist nicht von Gewinn, sondern von Leidenschaft für sein Unternehmen getrieben. Er ist außerdem fokussiert, reflektiert und in der Lage, ein starkes Team um sich herum aufzubauen, das das gleiche Ziel verfolgt.
Du sagst, Frauen seien die besseren Gründer. Aktuell werden aber nur 15 Prozent der Start-ups von Frauen gegründet. Wie ist das zu ändern?
Wir brauchen in Deutschland noch mehr starke Gründerinnen, die mit gutem Beispiel vorangehen. Eine Lea Cramer, eine Delia Fischer, eine Zoe Adamovicz. Das sind wirklich starke Gründerinnen, die zeigen, wie es geht. Ich bin mir sicher, dass wir in Zukunft noch mehr solch starke Gründerinnen sehen werden.
Ein Start-up, in das Du investiert hast, ist Lilium Aviation, das Elektroflugzeuge herstellt. Erklär uns bitte, wie das funktioniert, ab wann das auf den Markt kommt und für wen es geeignet ist?
Lilium Aviation ist ein elektrisch betriebener Jet, der emissionsfrei mit 300 km/h schnell fliegen kann, eine Reichweite von 300 Kilometer hat und vertikal starten und landen kann, was ihn stadttauglich macht. Es existiert zurzeit noch der Irrglaube, dass sich nur Reiche diesen Service leisten können werden, aber es wird sogar günstiger als eine Taxifahrt sein. Man wird den Lilium Jet nicht kaufen können, sondern ihn ähnlich wie eine Busfahrt buchen. Ab wann das alles geht, darf ich heute leider noch nicht sagen. Aber so viel kann ich verraten: Es kommt sehr viel früher, als die meisten denken.
Für viele Menschen klingt das jetzt wahrscheinlich nach Zukunftsmusik, aber Lilium Aviation hat bereits namhafte Konkurrenten. Wie wollt Ihr es schaffen, die ersten zu sein, die damit an den Start gehen?
Zunächst einmal ist das Gründerteam um Daniel Wiegand wirklich überragend. Die Technologie ist – nach meinem Wissensstand – die am weitesten fortgeschrittene auf diesem Gebiet. Was wir jetzt natürlich brauchen, sind starke Finanzierungsrunden, was uns bei der Series A über 100 Millionen Dollar schon mal geglückt ist. Aber ganz unabhängig davon: Ich würde es auch unseren Konkurrenten Volocopter gönnen. Hauptsache, ein europäisches, am besten deutsches Unternehmen kann sich in diesen neu entstehenden Markt an der Spitze positionieren. Das wäre wirklich wichtig für unsere Wirtschaft.
Du sagst, Deutschland steuere in den nächsten zehn Jahren auf eine Krise zu, weil es uns an neuen Technologien mangelt, die wirklich tiefgreifend Veränderungen bringen. Kannst Du das genauer erklären?
Wir leben zurzeit von den Ressourcen der Vergangenheit. Wir denken, es geht uns gut, dabei haben wir seit SAP kein wirklich großes Unternehmen mehr hervorgebracht. Wenn wir den Anschluss an die USA und China nicht verlieren wollen, dann müssen wir jetzt einen neuen Weltmarktführer aufbauen. Das ist in der heutigen Zeit insbesondere im Bereich der neuen Technologien möglich, da hier zurzeit die tiefgreifendsten Veränderungen entstehen. Die Wellen Search (Google), Social (Facebook) und E-Commerce (Amazon) haben wir verpasst. Aber es kommen neue Technologiewellen wie eben auch E-Mobility und Blockchain und hier haben wir noch eine reelle Chance.
Denkt Dir Deutschland nicht schnell und groß genug?
Wir Deutschen haben viele gute Eigenschaften, aber Risikobereitschaft und Groß-Denken gehören nicht dazu. Das ist in meinen Augen in Hinblick auf die tiefgreifenden und unaufhaltbaren Veränderungen, die uns in den nächsten zehn bis 20 Jahren erwarten, ein Problem, ja.
Was glaubst Du, wie sich die Arbeitswelt in den nächsten Jahren verändern wird?
Viele Jobs werden durch die Technik abgelöst werden. Schon jetzt können Maschinen einiges besser als der Mensch: Autofahren und Krebs erkennen zum Beispiel. Das bedeutet, dass es irgendwann keine Taxifahrer und Radiologen mehr geben darf, weil die Technik den Job einfach besser und sicherer macht. Es wird also nicht mehr Arbeit für alle geben, und das wird eine riesige gesellschaftliche Herausforderung.
Und was brauchen wir Deiner Meinung nach, um uns dafür als Land gut aufzustellen?
Zunächst einmal brauchen wir eine Regierung, die sich traut, diese Themen offen anzusprechen. Früher oder später wird es eine Art Grundeinkommen geben müssen. Hierzu sollten wir schon jetzt breite, gesellschaftliche Debatten führen. Diese Veränderungen werden kommen, und wir haben absolut nichts davon, wenn wir uns davor verschließen. Wir können die technologische Entwicklung nicht aufhalten, aber wir können sie und damit unsere Zukunft aktiv mitgestalten. Deutschland muss aufwachen und sich diesen Herausforderungen stellen.