Bei der Nordischen Ski-WM vom 20. Februar bis 3. März in Seefeld (Österreich) hat Deutschland vor allem im Skispringen und in der Nordischen Kombination gute Medaillenchancen. Den Skispringerinnen kommt dabei eine kurzfristige Erweiterung des Wettkampfprogramms zugute.
Die Nordische Ski-WM in Seefeld hatte noch gar nicht begonnen, da hatten die Deutschen bereits das erste Mal Grund zum Jubeln. Ende Januar nahm der Internationale Skiverband (Fis) nämlich zusätzlich noch den Teamwettbewerb im Skispringen der Frauen in das Meisterschaftsprogramm auf, der damit in diesem Jahr seine WM-Premiere erlebt. Zuvor hatte es vonseiten der Organisatoren noch geheißen, sie sähen sich nicht in der Lage, den Teamwettbewerb durchzuführen. „Inzwischen sind aber an der Seefelder Schanze durch eine neue Infrastruktur die erforderlichen Kapazitäten vorhanden", hieß es in einer entsprechenden Fis-Mitteilung. Der Wettbewerb findet jetzt am 26. Februar statt – die ursprünglich geplante Qualifikation für das Einzelspringen der Frauen wurde um einen Tag auf den 27. Februar verschoben. Somit gibt es für die Skispringerinnen erstmals drei Wettkämpfe im Rahmen einer Nordischen Ski-WM: Einzel-, Team- und Mixed-Teamwettbewerb.
Aus deutscher Sicht bedeutet die Programmänderung eine zusätzliche Medaillenchance. Mehr noch: Nach dem überlegenen Sieg beim Weltcup in Zao (Japan) im bislang einzigen Mannschaftsspringen in dieser Saison gilt das deutsche Team um die Olympiazweite von 2018, Katharina Althaus, und Sotschi-Olympiasiegerin Carina Vogt sogar als heißer Anwärter auf die Goldmedaille. Überhaupt gehören die Skispringerinnen zu den aussichtsreichsten Startern im Aufgebot des Deutschen Ski-Verbands (DSV). Bei den diesjährigen Welttitelkämpfen vom 20. Februar bis 3. März dürfen sich gleich mehrere von ihnen Hoffnungen auf Edelmetall machen.
Ein Blick auf die Gesamtwertung der laufenden Weltcup-Saison macht deutlich: In keiner anderen Disziplin steht der DSV so gut da wie im Skispringen der Frauen. Mit Katharina Althaus (Zweite mit 747 Punkten) und Juliane Seyfarth (Dritte/511) sind zwei Deutsche in den Top Drei platziert; gemessen am Preisgeld ist Althaus noch vor der Weltcup-Führenden Maren Lundby aus Norwegen (788) sogar die erfolgreichste Athletin dieses Winters. In der Nationenwertung liegt Deutschland vor Österreich und Norwegen schon fast uneinholbar in Führung. Seyfarth hatte Ende November gleich zu Saisonauftakt das Springen in Lillehammer (Norwegen) gewonnen, Althaus danach bis Ende des Jahres drei der nächsten vier Weltcups für sich entschieden. Noch bis Ende Januar trug sie das gelbe Trikot der Weltcup-Führenden, ehe sich Olympiasiegerin Lundby an ihr vorbeischob. Mit Ramona Straub und Carina Vogt, die je einmal Zweite und Dritte wurden, schafften es in dieser Saison noch zwei weitere DSV-Springerinnen aufs Treppchen. Gerade Vogt kam zuletzt immer besser in Schwung – sie ist dafür bekannt, dass sie stets erst zum Saisonhöhepunkt zur Höchstform aufläuft.
Domäne Skispringen
Die Hoffnung ist groß, dass Deutschlands Skispringerinnen mit einem erfolgreichen Abschneiden wieder ein wenig mehr aus dem Schatten ihrer männlichen Kollegen heraustreten können. Frauen-Skispringen wird von vielen immer noch belächelt, obwohl das Niveau in den vergangenen Jahren stetig gestiegen ist und die Frauen in dieser Saison gleich zehnmal von der Großschanze antreten statt wie bisher nur zweimal pro Jahr. „Wir haben hart dafür gekämpft", sagt Katharina Althaus. „Denn je weiter die Sprünge, desto mehr Menschen interessieren sich dafür."
Bei der WM dürfen die Frauen allerdings nur von der Normalschanze springen. Für die Männer gibt es dagegen Wettbewerbe von der Normal- und von der Großschanze, dazu noch das Teamspringen sowie den bereits erwähnten Mixed-Teamwettbewerb. Vor zwei Jahren bei der Nordischen Ski-WM in Lahti (Finnland) hatte Andreas Wellinger zweimal Silber geholt, auf der Normalschanze gewann zudem Markus Eisenbichler Bronze. Beide sind auch in Seefeld wieder mit dabei, doch ein erneuter Sprung aufs Treppchen erscheint in der momentanen Verfassung eher fraglich. Wellinger, 2018 noch Olympiasieger in Pyeongchang (Südkorea), hat seine Form während der gesamten Saison noch nicht gefunden, zuletzt belegte er die Plätze 13 und 17. Eisenbichler trumpfte zwar während der Vierschanzentournee groß auf, als er in Garmisch-Partenkirchen und Oberstdorf jeweils Zweiter wurde und auch in der Gesamtwertung als Zweiter beendete. Seitdem läuft bei ihm allerdings nicht mehr viel zusammen. Trauriger Höhepunkt: die Disqualifikation beim Weltcup in Val di Fiemme (Italien) wegen eines unkorrekten Sprunganzuges.
Weil auch der in der vergangenen Saison noch so starke Richard Freitag schwächelt, ist Stephan Leyhe als Dritter bei der diesjährigen Vierschanzentournee momentan der einzige sichere Top-10-Springer im deutschen Team. In den Einzelwettbewerben scheint die internationale Konkurrenz um den Tourneesieger und Weltcup-Führenden Ryoyu Kobayashi (Japan), Großschanzen-Olympiasieger Kamil Stoch (Polen) und den zuletzt dreimal in Folge siegreichen Österreicher Stefan Kraft derzeit außer Reichweite. Im Teamwettbewerb haben die Deutschen aber nach wie vor eine gute Chance.
Seefeld im österreichischen Bundesland Tirol war 1964 und 1976 bereits Austragungsort der nordischen Skidisziplinen im Rahmen der Olympischen Winterspiele in Innsbruck; zudem fanden dort 2012 die Olympischen Jugend-Winterspiele und 1985 schon einmal die Nordische Ski-WM statt. Regelmäßiger Gast im Weltcup sind dort auch die Nordischen Kombinierer – in der jüngeren Vergangenheit die sicherste Medaillenbank für den Deutschen Ski-Verband. Sechs der letzten acht Einzel-Weltmeister seit 2003 kamen aus Deutschland, das 2017 in Lahti zudem beide Staffelwettbewerbe für sich entschied. Auch bei den Olympischen Spielen war zuletzt zweimal in Folge Eric Frenzel erfolgreich, im Sprint siegte 2018 zudem Johannes Rydzek, der gemeinsam mit Frenzel, Fabian Rießle und Vinzenz Geiger außerdem den Teamwettbewerb gewann. Im Weltcup stellte der DSV in den vergangenen sechs Jahren in Person von Eric Frenzel fünfmal den Gesamtsieger und gewann ebenso häufig die Nationenwertung.
Skipspringer hoffen auf Team
In dieser Saison aber schwächeln die Kombinierer ein wenig. Zugegeben: Angesichts des derzeit zweiten Platzes von Johannes Rydzek in der Weltcup-Gesamtwertung und insgesamt fünf Deutschen unter den ersten elf ist es ein Klagen auf hohem Niveau. Doch es dauerte tatsächlich bis zum 11. Januar, ehe Rydzek der erste Einzelsieg eines DSV-Kombinierers in dieser Saison gelang – zwei Tage später ließ Vinzenz Geiger dann gleich den nächsten folgen. Vor allem von der Schanze haben die Deutschen in diesem Jahr einige Schwierigkeiten, was insofern ein Problem ist, weil das Skispringen innerhalb der Nordischen Kombination immer wichtiger wird. Oft lässt sich der Rückstand nach dem Springen in der Langlaufloipe kaum noch aufholen. Die Rolle des Topfavoriten spielt dieses Mal deshalb ein Norweger: der erst 21 Jahre alte Jarl Magnus Riiber, der im laufenden Winter bereits achtmal triumphierte. Auch in der Staffel sind die Norweger ebenso wie Gastgeber Österreich ein ernstzunehmender Konkurrent. Kaum Chancen haben deutsche Teilnehmer in der dritten Sportart, die in Seefeld ausgetragen wird, dem Skilanglauf. Die Disziplin wird traditionell von den Skandinaviern beherrscht, doch zuletzt ist der Rückstand auf die Läufer aus Norwegen und Schweden sogar noch gewachsen. Bei der WM-Generalprobe in Ulricehamn (Schweden) sind die beiden DSV-Staffeln zuletzt weit hinterhergelaufen.
Einen Lichtblick gab es in dieser Saison aber doch: Anfang Dezember sorgte Janosch Brugger in Lillehammer für den ersten Sieg eines deutschen Skilangläufers in einem Weltcuprennen seit fast vier Jahren. Streng genommen war es zwar kein echter Sieg: Der Juniorenweltmeister von 2017 im Sprint lief zum Abschluss der dreitägigen Mini-Tour die mit Abstand schnellste Zeit aller Starter im Verfolgungsrennen über 15 Kilometer, 1:21 Minuten schneller als der norwegische Gesamtsieger Didrik Tönseth, und verbesserte sich damit noch von Rang 45 auf Platz 17. Gemäß des Regelwerks gilt bei Mehrtagesrennen jedoch auch der zeitschnellste Läufer der als Verfolgung ausgetragenen Schlussetappe als offizieller Weltcupsieger.