Eisspeedway ist die einzige Motorsportart, die ohne Bremsen ausgetragen wird. Vollgas lautet die Devise. Am 2. und 3. März machen die weltbesten Fahrer bei der Grand-Prix-Serie im Berliner Horst-Dohm-Eisstadion Station.
Ein Wort bekommt man in Verbindung mit Eisspeedway immer wieder zu hören: verrückt. Anders kann man diese Sportart wohl gar nicht bezeichnen, bei der sich die Fahrer freiwillig aufs Glatteis begeben. Solche Bedingungen, die jeder normale Motorradfahrer unbedingt meiden würde, scheinen sie fast schon magisch anzuziehen. Mit bis zu 140 Stundenkilometern rasen die Fahrer über den spiegelglatten Untergrund. Eine Erleichterung gibt es immerhin: Die Suche nach dem richtigen Timing für das Beschleunigen und Bremsen, in vielen anderen Motorsportdisziplinen zumeist der entscheidende Schlüssel zum Sieg, entfällt beim Eisspeedway – weil Letzteres gar nicht geht. Eisspeedway ist die einzige Motorsportart, die ohne Bremsen ausgetragen wird. Stattdessen besitzen die Motorräder Zündunterbrecher, die mit dünnen Schnüren am Handgelenk des Fahrers befestigt sind. Bei einem Sturz stehen Motoren und Antriebsräder deshalb sofort still. Gefährlich ist die Sportart trotzdem, was vor allem an den Hunderten spitzer Spikes an den Reifen liegt. Einerseits machen die fast drei Zentimeter langen Nägel die extreme Schräglage in den Kurven überhaupt erst möglich, in denen die Fahrer oft nur wenige Zentimeter über dem Eis liegen. „Das muss man erst einmal in den Kopf hineinbekommen: Dass man sein Motorrad quasi mit Absicht hinschmeißt", erklärt der deutsche Fahrer Tobias Busch. Andererseits sorgen die Nägel aber auch für ein erhöhtes Verletzungsrisiko. „Wenn einer mit Spikes auf dich zurast, gehört deshalb viel Schneid dazu, um nicht zurückzustecken", meint Max Niedermaier. Er ist einer von drei Deutschen, die sich in dieser Saison fest für die WM-Serie qualifiziert haben.
„Die Qualifikation ist gut verlaufen, womit ich natürlich sehr zufrieden bin", sagt Niedermaier. „Ich habe die Punkte eingefahren, die ich einfahren musste. Das war das Hauptziel. Für den Grand Prix ist es im Moment noch schwer, ein Ziel zu formulieren, denn ich bin mit meiner Leistung noch nicht ganz dort, wo ich in den letzten Jahren war. Ein bisschen was geht da bestimmt noch. Ich will mich im Grand Prix so gut es geht verkaufen und freue mich schon darauf."
Fahrer liegen nur knapp über dem Eis
Die Saison startete Anfang Februar mit jeweils zwei Rennen in Almaty in Kasachstan und im russischen Schadrinsk. Nun kommt die Serie nach Westeuropa: Am 2. und 3. März macht die Weltmeisterschaft zunächst in Berlin Station, ehe danach noch weitere Läufe in Inzell in Bayern sowie in Heerenveen in den Niederlanden folgen.
Neben dem Gastspiel der Formel E im Mai ist der Grand Prix im Eisspeedway das einzige Motorsport-Event der höchsten Kategorie in der Hauptstadt. Bereits am Donnerstag, 28. Februar, werden zudem die Deutschen Meisterschaften in Berlin ausgetragen. Am Freitag, 1. März, können Interessierte zudem dem öffentlichen Training der WM-Teilnehmer beiwohnen. Zeitweise wird am Wochenende auch das Fahrerlager geöffnet sein, sodass die Fans ihren Idolen ganz nah sein können. Neben Max Niedermaier werden aus deutscher Sicht in jedem Fall auch Johann Weber und Stefan Pletschacher in Berlin dabei sein. Diese konnten sich in diesem Jahr ebenfalls einen permanenten Startplatz sichern. Zudem erhielt Günther Bauer eine Wildcard, der aufgrund einer Lungenentzündung auf die WM-Qualifikation verzichten musste. Tobias Busch und Markus Jell dürfen als Reservefahrer ebenfalls noch auf einen Einsatz hoffen.
Die Unterstützung des Publikums ist den einheimischen Fahrern gewiss. Rund 5.000 Zuschauer werden im Horst-Dohm-Eisstadion in Wilmersdorf erwartet, wenn die 16 besten Eisspeedway-Fahrer der Welt um die WM-Punkte kämpfen. Mit der Entscheidung werden die Deutschen wohl trotzdem nichts zu tun haben. Zuletzt waren sie 1983 Team-Weltmeister – da hatte sogar der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl per Telegramm gratuliert.
Die besten Fahrer stammen jedoch aus Skandinavien und vor allem aus Russland. Dort ist Eisspeedway fast schon ein Massensport, weil durch das kalte Klima beste natürliche Trainingsbedingungen vorhanden sind. Entsprechend bestimmen die Russen seit Jahren die internationale Eisspeedway-Szene: Seit 2003 kam der Weltmeister stets aus Russland; im gleichen Zeitraum gingen zudem 45 der 48 WM-Medaillen auf das Konto der russischen Fahrer. Lediglich Günther Bauer als Zweitplatzierter von 2003 sowie der Österreicher Franz Zorn als Dritter 2008 und 2009 konnten die russische Dominanz durchbrechen.
Russland ist Hochburg des Eisspeedways
Im vergangenen Jahr war der Schwede Martin Haarahiltunen als Vierter der beste Westeuropäer. Den Titel hatte sich 2018 der Russe Dmitrj Koltakov geholt; es war bereits sein dritter nach den Erfolgen 2015 und 2017. In der laufenden Saison ist Koltakov momentan Zweiter hinter seinem Landsmann Daniil Ivanov. Auf den ersten fünf Plätzen stehen auch in diesem Jahr wieder ausschließlich Russen. Rund die Hälfte aller professionellen Fahrer weltweit stammt aus Russland. Dort soll Eisspeedway als eigenständige Sportart in den 1920er-Jahren auch erfunden worden sein – zuvor diente es lediglich als Wintertraining für Sandbahnrennen (Speedway) und Motocross. „In Russland gibt es auch mehr Trainingsmöglichkeiten. Und sie haben dort zwei Ligen mit vielen Fahrern auf hohem Niveau, wo man sich dauernd durchsetzen muss. Das macht sie stark", erklärte Max Niedermaier im vergangenen Jahr gegenüber dem RBB.
Auch viele Fahrer aus anderen Ländern machen sich deshalb auf den weiten Weg in die russische Steppe, um dort zu trainieren und sich mit den Besten zu messen. Oft sind die Fahrer dafür Tausende Kilometer unterwegs. „Körperlich waren das schon extreme Strapazen und es war enorm nervenaufreibend, vor allem wegen den Straßen. Man fährt 300 bis 400 Kilometer, und weit und breit ist nichts", berichtete Hans Weber kürzlich dem Motorsport-Portal „Speedweek.com". Wie gesagt: Ein bisschen verrückt muss man wohl sein, um im Eisspeedway Erfolg zu haben.