Der Olympiasieg 2018 war noch eine Sensation. In dieser Saison reist Bob-Pilotin Mariama Jamanka als Weltcup-Führende zur WM nach Whistler in Kanada und ist dort nun auf einmal die Gejagte. Bei den Wettkämpfen vom 25. Februar bis zum 10. März haben weitere deutsche Fahrer den Titel im Visier.
Es sind die kleinen Dinge, an denen Mariama Jamanka auch ein Jahr nach ihrem größten Triumph immer noch bemerkt, welch grandiose Leistung sie damals vollbracht hat. Wenn die Bob-Pilotin zu Hause in Oberhof in den Kraftraum kommt, dann wird ihr dort jetzt immer die gute Hantelstange überlassen. „Komm, du bist doch Olympiasiegerin", würden die anderen scherzhaft zu ihr sagen, erzählte Jamanka neulich der „Berliner Morgenpost". Im Februar 2018 hatte sie bei den Olympischen Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang zusammen mit Anschieberin Lisa Buckwitz sensationell die Goldmedaille gewonnen. Es war die erste deutsche Olympiaplakette im Bob bei den Frauen seit zwölf Jahren. Als große Außenseiter waren die beiden ins Rennen gegangen, doch am Ende standen sie tatsächlich ganz oben.
Schon oft hat sich Mariama Jamanka das Video ihres Olympiasieges angeschaut, so als wollte sie sich vergewissern, dass es tatsächlich so passiert ist. „Für mich ist das trotz der Zeit, die dazwischen liegt, immer noch unglaublich. Ich weiß immer noch nicht, wie wir das hinbekommen haben", sagt sie. Eigentlich soll man den zweiten Schritt ja nicht vor dem ersten gehen, doch das war Jamanka herzlich egal. Sie machte in Pyeongchang auch gleich noch den dritten, vierten und fünften Schritt dazu, bevor sie den ersten überhaupt gesetzt hatte. Denn bis zu ihrem Olympiasieg hatte die 28-Jährige noch keinen einzigen Weltcup-Sieg gefeiert. „Das war schon krass", sagt sie. „Wie wir gleich mit dem Erfolg angefangen haben, dem die meisten anderen ein Leben lang nachjagen."
Im Weltcup bereits drei Mal ganz oben
Fast scheint es, als sei der unverhoffte Triumph für Mariama Jamanka ein Ansporn gewesen, jetzt erst richtig durchzustarten und all das, was sie bislang versäumt hatte, nachzuholen. In dieser Saison stand die gebürtige Berlinerin im Weltcup bereits drei Mal ganz oben, zwei Mal wurde sie Zweite, einmal Dritte. Das heißt, sie landete bei allen sechs Veranstaltungen auf dem Treppchen und damit häufiger als in den beiden Jahren zuvor zusammengenommen. In der Weltcup-Gesamtwertung führt sie momentan, und auch bei den Europameisterschaften am Königssee gewann sie im Januar bereits die Goldmedaille. „Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich durch den Olympiasieg auf einmal Rückenwind bekommen hätte", sagt sie. „Es liegt vielmehr daran, dass ich einfach ein weiteres Jahr mehr Erfahrung und Fahrpraxis mitbringe. Bereits die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass ich im Laufe der Jahre immer besser geworden bin."
Entsprechend selbstbewusst startet Mariama Jamanka in die Weltmeisterschaften der Bob- und Skeletonfahrer, die vom 25. Februar bis zum 10. März in Whistler in Kanada ausgetragen werden. „Eine Medaille ist das erklärte Ziel", sagt sie. Überhaupt geht der deutsche Bob- und Schlittenverband mit viel Optimismus in die Titelkämpfe auf der Olympiabahn von 2014. Auch in den anderen Disziplinen gelten die Deutschen fast durchweg als Medaillenanwärter oder stellen sogar den absoluten Goldfavoriten. Bereits 17 Weltcupsiege feierten deutsche Piloten in dieser Saison. Im Zweierbob der Männer weist der amtierende Weltmeister und Olympiasieger Francesco Friedrich sogar eine perfekte Bilanz auf: mit sechs Siegen aus ebenso vielen Weltcuprennen. Friedrich führt auch im Vierer die Weltcup-Gesamtwertung an, Landsmann Johannes Lochner ist dort Zweiter, mit Nico Walther folgt ein weiterer Deutscher auf Rang vier. Im Skeleton machen sich derweil vor allem die Frauen Hoffnung auf Edelmetall: WM-Titelverteidigerin Jacqueline Lölling, Tina Hermann und Sophia Griebel belegen im Weltcup derzeit die Plätze zwei bis vier. Bei den Männern liegt Axel Jungk als Vierter in Lauerstellung. Doch nirgendwo stehen die Chancen so gut wie im Zweierbob der Frauen. Hinter Mariama Jamanka sind Stephanie Schneider und Anna Köhler im Gesamtweltcup derzeit Zweite und Dritte – ein rein deutsches Podium erscheint bei der WM also durchaus machbar. Mariama Jamanka warnt jedoch vor allzu hohen Erwartungen. „Das wird trotzdem kein Selbstläufer", sagt sie. „Die Bahn in Whistler ist sehr schwierig und verzeiht keinen Fehler, da muss man erst einmal vier saubere Läufe hinunterbringen." Es sind vor allem die enormen Geschwindigkeiten, welche die Strecke auch für erfahrene Piloten zu einer Herausforderung machen. Eine Herausforderung, die Jamanka jedoch gern annimmt. Zumindest meint sie: „Eigentlich ist das eine Bahn, die mir liegen müsste."
„Wir haben wirklich gute Schlitten"
Dass die deutschen Bobfahrerinnen im Weltcup derzeit den Ton angeben, hat aus ihrer Sicht zum einen mit dem überlegenen Material zu tun. „Wir haben in diesem Jahr wirklich gute Schlitten", so Jamanka. Hinzu käme, dass die nacholympische Saison von vielen anderen Nationen häufig dafür genutzt wird, um einen Umbruch einzuleiten und die Sache ein wenig ruhiger angehen zu lassen. So hat sich etwa die Olympia-Dritte Kaillie Humphries aus Kanada für ein Jahr vom Weltcup-Geschehen verabschiedet. „Im deutschen Fördersystem wäre so etwas gar nicht möglich. Hierzulande wird jedes Jahr Leistung verlangt und am Ende der Saison neu bewertet", sagt Jamanka. Die nationale Konkurrenz ist groß, „wer in Deutschland Spitze ist, mischt auch international ganz vorn mit." Entsprechend groß war ihre Freude, als sich Jamanka im Oktober erstmals den nationalen Meistertitel sicherte, womit sie einen weiteren Punkt auf ihrer Nachholliste abhaken konnte.
Mit Martin Putze hat die Olympiasiegerin seit dieser Saison einen neuen Trainer an ihrer Seite. Mit seiner Hilfe hat Mariama Jamanka in nahezu allen Bereichen noch einmal einen Schritt nach vorn gemacht. Erst seit sechs Jahren sitzt sie überhaupt im Bob, erst vor vier Jahren wechselte sie von der Anschieberin zur Pilotin. Zuvor war Jamanka Leichtathletin, zunächst als Mehrkämpferin, später als Diskus- und Hammerwerferin. Auch ihre etatmäßige Anschieberin Annika Drazek war früher in der Leichtathletik aktiv, jedoch als Sprinterin. Mit ihr hatte Jamanka schon 2017 den Europameistertitel gewonnen – ihr erster großer internationaler Erfolg. Den Olympiasieg hatte sie im vergangenen Jahr jedoch zusammen mit Lisa-Marie Buckwitz geholt. Erst kurz vor den Spielen in Pyeongchang war Drazek von Bundestrainer René Spies der Pilotin Stephanie Schneider zugeteilt worden, die als die aussichtsreichere deutsche Fahrerin galt. Im Gegenzug wurde Schneiders bisherige Anschieberin Buckwitz dem Schlitten von Jamanka zugeordnet. Beide berichteten später, diese Personalentscheidung durchaus als Demütigung empfunden zu haben und als Ansporn, jetzt erst recht allen zu beweisen, wozu sie in der Lage sind − was ihnen mit der Goldmedaille ja auch mehr als gelungen ist.
„Ich bin immer noch dieselbe Person"
In dieser Saison geht Buckwitz allerdings ihre eigenen Wege: Sie versucht sich nun ebenfalls als Pilotin, wie sie es bereits vor Olympia angekündigt hatte. Nur ab und zu schreiben Jamanka und sie sich noch – zuletzt traten sie im Dezember bei der Gala für die Sportler des Jahres gemeinsam auf. Bei der Wahl erreichte das Duo Platz neun und stand damit ein weiteres Mal im Rampenlicht. „Manchmal bin ich selbst überrascht, wie viel Aufmerksamkeit uns der Olympiasieg eingebracht hat", sagt Mariama Jamanka. Dass es der Bobsport selbst in Berlin auf die Titelseiten der Zeitungen schaffte, das ansonsten eher nicht als das Mekka des Wintersports gilt, hat auch sie erstaunt. Es folgten zahlreiche Medienauftritte, zum Teil kam Jamanka kaum noch zum Trainieren. „Es war gar nicht so einfach, das alles unter einen Hut zu bringen", sagt sie. Dennoch: Ein paar neue Sponsoren konnte sie zwar gewinnen, doch reich geworden ist sie durch den Olympiasieg trotz alledem nicht. Nachholbedarf besteht also auch in dieser Hinsicht nach wie vor. „Mein Leben hat sich dadurch nicht groß verändert. Ich bin immer noch dieselbe Person geblieben", sagt sie. Die Olympiasiegerin ist auf dem Boden geblieben. Eine Vorzugsbehandlung genießt Mariama Jamanka nur im Kraftraum.