Annegret Kramp-Karrenbauer war die erste Frau an der Spitze des Saarlandes, Tobias Hans ist der jüngste Ministerpräsident. In seinem ersten Jahr hat die Große Koalition einige Baustellen abgeräumt. Die Herausforderungen sind nicht geringer geworden.
Dass eine Stimme aus Koalitionsreihen bei der Wahl von Tobias Hans zum Ministerpräsidenten fehlte, ist längst vergessen. Wirklich viel Zeit zum Spekulieren blieb auch nicht. Selbst wenn man Tobias Hans als jüngstem Ministerpräsidenten vor einem Jahr nach dem in dieser Form überraschenden Wechsel vorübergehend „Welpenschutz" zugebilligt hätte, was er selbstbewusst zurückgewiesen hatte, es wäre keine Zeit dafür geblieben. War der geplante Antrittsbesuch des Bundespräsidenten im Saarland noch angenehme erste Pflicht, war Hans zugleich auf Bundesebene als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz gefordert.
Bei der Suche nach der fehlenden Stimme wird einer kaum infrage kommen können: Peter Strobel. Er war beim großen Wechsel das einzige neue Gesicht im Ministerkreis. Die Neubesetzung im Haus am Saarbrücker Stadtgraben war dem Doppelwechsel in Regierungs- und Parlamentsspitze geschuldet. Strobel folgte auf Stephan Toscani, der seinerseits in der Nachfolge von Klaus Meiser Landtagspräsident wurde. Der Wechsel stand für Peter Strobel eigentlich nicht auf der Agenda, hatte er doch eher den Chefsessel in der Landeshauptstadt im Blick.
Keine Zeit für „Welpenschutz"
Wenn der neue Regierungschef damals von einem „wohlbestellten Haus" sprach, das er übernommen habe, dann gilt das auf jeden Fall für Strobels Finanzressort. Was sich gegen Ende von dessen erstem Amtsjahr bei Vorlage des Haushaltsabschlusses für das vergangene Jahr zeigte. Das Land kann bereits früher als geplant in einen (bescheidenen) Schuldenabbau einsteigen. Der Konsolidierungskurs des Vorgängers gepaart mit einer Dauer-Niedrigzinsphase und einem anhaltenden Konjunkturboom machen’s ebenso möglich wie auch eine Vorsorge für künftiges Zinsrisiko und Konjunkturschwankungen.
Strobel war aber auch gleich im Mittelpunkt des größten Finanzprojektes der Großen Koalition. Ministerpräsident ans hatte es als „Saarlandkasse" angekündigt, der Koalitionspartner SPD hatte sein Konzept als „Kommunalpakt plus" danebengestellt. Herausgekommen ist der „Saarlandpakt", der sowohl eine Entlastung der Kommunen bei den Kassenkrediten (CDU-Konzept) als auch Investitionen (SPD-Schwerpunkt) vorsieht. Noch vor Kurzem hätte wohl niemand geglaubt, dass das Land „zu solch einem finanziellen Kraftakt der Hilfe für Kommunen fähig ist", betont Strobel.
Dass dieses Projekt zunächst für heftige Verstimmung ob der Vorgehensweisen in der Koalition gesorgt hat, ist wohl auch deshalb schnell in Vergessenheit geraten, weil das Ergebnis, das den Kommunen wieder etwas Luft zum Gestalten gibt, durchgängig auf Zustimmung stößt. Mit dem lange Zeit abschreckenden Schauspiel der Berliner Koalition vor Augen hat die Saar-Groko in diesem Fall gezeigt, wie die jeweiligen Partner einerseits ihre politischen Schwerpunkte deutlich machen, aber auch zu gemeinsamen Lösungen kommen können.
In anderen Bereichen schwelen dagegen die Konflikte, die immer wieder aufflackern. Dass CDU und SPD bildungspolitisch unterschiedliche Vorstellungen haben, lässt sich in schöner Regelmäßigkeit besichtigen. Ganztagsschulen, Inklusion, Förderschulen haben immer wieder für öffentliche Diskussionen zwischen den Koalitionären geführt, ohne dass dabei die ganz großen Zerwürfnisse früherer Jahre ausgebrochen wären. Ähnliches lässt sich auch in den meisten innen- und sicherheitspolitischen Fragen beobachten.
Auch der Sommer-Streit um die Umwidmung der Aufnahmestelle Lebach in ein Ankerzentrum hat sich letztlich durch ein Einlenken von Bundesinnenminister Horst Seehofer in der bundespolitischen Auseinandersetzung geklärt. Kein Zaun – aber mehr Geld vom Bund, so die verkürzte Formel, hat bei der SPD dazu geführt zu akzeptieren, dass Seehofer mit seinem saarländischen Kollegen Klaus Bouillon symbolisch ein neues Türschild angebracht hat.
Bouillon sorgt für Verärgerung
Wobei Bouillon immer wieder für Verärgerungen beim Koalitionspartner – und nicht nur bei dem – gut ist. Für die Opposition, aber auch schon mal den eigenen Koalitionspartner, gilt er ein ums andere Mal als bloßer „Ankündigungsminister", mal in Sachen LSVS, mal bei der kommunalen Zusammenarbeit oder jüngst im Zusammenhang mit einem gescheiterten Bäderkonzept für das Land. „Ankündigungsminister Bouillon hat genügend Baustellen", monierte SPD-Generalsekretär Christian Petry in einer Erklärung zu Vorgängen im Zusammenhang mit dem LSVS, mit unverhohlener Anspielung darauf, dass Bouillon noch von Annegret Kramp-Karrenbauer als Ministerpräsidentin zusätzlich zum Bauminister befördert wurde. Eine weitere Herausforderung angesichts eines massiven Investitionsstaus nach den Konsolidierungsjahren, neben Polizei- und Kommunalreformen und dem LSVS, der auch in diesem Jahr mit eine der großen Baustellen des Landes ist.
Dass die ersten Wochen und Monate nach der überraschenden Umbildung sichtbar geprägt waren davon, dass sich einiges zwischen den Koalitionspartnern neu einspielen musste, war erwartbar, zumal gleichzeitig das nervöse Hickhack in Berlin nicht unsichtbar geblieben ist.
Tobias Hans, der zu Beginn seiner Amtszeit nicht einmal der Hälfte der Saarländer bekannt war, hat relativ schnell Kontur gewonnen, und mit dem Schlagwort vom „Saar-Valley" einen Slogan von Cispa/Helmholtz-Gründer Michael Backes aufgreifend, die Marschrichtung im Strukturwandel vorgezeichnet.
So erfreulich die Ansiedlungsbotschaft von Nobilia war, zeigen der Kampf um Halberg Guss und der Stellenabbau bei Ford exemplarisch, vor welchen Herausforderungen das Land steht. Wirtschaftsministerin und Vize-Regierungschefin Anke Rehlinger (SPD) musste sich zuletzt vehement dafür einsetzen, dass saarländische Belange bei den Verhandlungen über Verteilung von Milliarden Strukturhilfen, Stichwort „Kohlekommission", überhaupt registriert wurden. Ergebnis offen.
In der vergangenen Legislaturperiode waren Einhaltung der Schuldenbremse und das Ringen um den neuen Finanzausgleich die zentralen Kernpunkte für eine eigenständige Existenz des Landes. Für die Zukunft der Kommunen wird es jetzt darum gehen, gute Ergebnisse über die Arbeit der Kommission für gleichwertige Lebensverhältnisse zu erreichen. Das entscheidende Dauerthema aber ist und bleibt der Strukturwandel in den Kernbereichen, die zuletzt die Stärke des Standorts ausgemacht haben, insbesondere Automobil und Stahl. Die Voraussetzungen sind da. Aber das Saarland ist nicht die einzige Region mit dem erklärten Ehrgeiz, zum Hotspot werden zu wollen.
Die Kommunalwahlen Ende Mai, zusammen mit Direktwahlen in zwei Drittel der Städte und Gemeinden sowie der Hälfte der Landkreise kommen fast schon einer kleinen Landtagswahl gleich. Und auch wenn alle betonen, es handele sich eben um kommunale Wahlen, werden sie doch, erst recht im kleinsten Flächenland der Republik, ein Barometer über die Stimmung im Land.