Toupierte Haartürme im Stil eines Beehive genannten Bienenkorbs à la Brigitte Bardot und Amy Winehouse oder voluminöse Bouffant-Mähnen à la Farrah Fawcett zählen derzeit zu den angesagten Retro-Frisuren-Trends. Big Hair ist zurück.
Wieder mal höchste Zeit, sich einen großen Vorrat an Haarspray zuzulegen. Denn aktuell taucht neben den Dauertrends Sleek Hair, Out of Bed oder Messy Bun ein nostalgischer Sixties-Style aus der Versenkung auf, der die Mähne mächtig voluminös himmelstürmend aufragen lässt. Was heute meist unter dem in den späten 70er-Jahren eingeführten Oberbegriff „Big Hair" subsumiert wird und auf den Laufstegen von Miu Miu, Moschino, Gucci, Naeem Khan, Lulu Guiness oder Dsquared2 zu bestaunen war, nahm seinen Anfang im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Madame de Pompadour war dabei die früheste Protagonistin. Aber letztlich gilt Königin Marie Antoinette als Begründerin des Hairstyles, der in den 1950er-Jahren als „Bouffant" (abgeleitet vom französischen Verb „bouffer" = aufbauschen) weltweit bekannt werden sollte.
Der Spätbarock war das Zeitalter, in dem die Frisur zum Hauptbestandteil der Körperpflege aufstieg. Der Kopfschmuck wurde daher immer kunstreicher und aufwendiger, was die Damen der noblen Gesellschaft und ihre untertänigen Gehilfinnen nicht mehr selbst bewältigen konnten. Das Haaremachen wurde zur Kunst erhoben, erste frühe Star-Coiffeure tauchten im Dunstkreis von Paris und des Versailler Hofs auf, eine neue Frisuren-Kreation wurde wie ein gesellschaftliches Ereignis groß gefeiert. Die gebürtige Wienerin Marie Antoinette wollte nach der Thronbesteigung ihres Gemahls Ludwig XVI. anno 1774 ein gravierendes Schönheitsproblem aus der Welt schaffen. Denn sie hatte vergleichsweise dünnes Haar und wollte unbedingt als Frankreichs First Lady eine voluminöse Mähne präsentieren können. Also musste sich ihr Privat-Coiffeur namens Larseneur etwas einfallen lassen.
Die Prozedur konnte damals Stunden dauern
Und so kam es schließlich zur Erfindung der mittels elastischer Unterkissen aus Wolle und Draht gestalteten und mit reichlich Pomade nach dem Toupieren fixierten frühesten Hochsteckfrisuren. Die waren nicht nur mit allem erdenklichen Zierrat wie Federn, Bändern oder Blumen über und über geschmückt, sondern nahmen auch schwindelerregende Ausmaße an. 30 Zentimeter waren das Minimum, 60 Zentimeter nichts Ungewöhnliches, mehr als 90 Zentimeter durch einen Brief von Österreichs Königin Maria Theresia an ihre Tochter Marie Antoinette aus dem Jahr 1775 belegt. Die Habsburgerin konnte sich nicht den Kommentar verkneifen, dass sich eine solch bombastische Haartracht allenfalls Schauspielerinnen leisten könnten, aber keinesfalls eine französische Königin. Das Fahren mit der Kutsche wurde mit dem gigantischen Kopfputz eine schwierige Angelegenheit, entweder mussten die Damen ihr Haupt aus dem Fenster halten oder sich auf den Boden setzten. Bei Tanzveranstaltungen bestand häufig die Gefahr einer Kollision mit den tief herabhängenden Lüstern. Da Reinlichkeit oder tägliches Waschen am französischen Hofe überhaupt nicht angesagt war, sondern stattdessen nur ständig gepudert und parfümiert wurde, erlebte das Ungeziefer gewissermaßen ein goldenes Zeitalter. Selbst vornehmste Damen ließen sich nur alle ein bis zwei Wochen neu frisieren, schließlich war das eine viele Stunden dauernde Prozedur. Niemand mag sich vorstellen, was da alles auf den noblen Köpfchen gekrabbelt war, da konnten selbst am Körper getragene Flohfallen oder aus Gold oder Elfenbein gearbeitete lange Kopfkratzer namens „Grattoirs" nur bedingt Abhilfe schaffen.
Die Französische Revolution fegte auch die Hochsteckfrisuren hinweg, die dann erst wieder in den 1950er-Jahren auftauchen sollten. Als Erfinder des modernen Bouffants gilt der schräge britische Hairdresser Raymond Bessone (1911 – 1992), der sich nicht nur einen falschen französischen Akzent zugelegt hatte, sondern in London auch eine Reihe angesagter Salons sein eigen nennen konnte. Spätestens 1956 hatte er die Frisur mit dem hochtoupiert aufgetürmten Oberkopf in seinem Angebot. Populär wurde der Style Anfang der 1960er-Jahre vor allem durch Jackie Kennedy, die teils auch noch mit Perückenteilen zum zusätzlichen Aufpeppen ihrer Frisur hantierte. Auch weitere Promi-Damen wie die Sängerin Dusty Springfield, die Schauspielerin und Sängerin Barbra Streisand oder die US-Präsidentengattin Lady Bird Johnson machten diesen Hair-Look, der reichlich Spray- und Lack-Einsatz erforderte und dem neben falschen Haarteilen zuweilen auch Nylon-Mesh-Polster das gewünschte Zusatzvolumen verliehen, zu ihrem Markenzeichen.
Die Turmfrisur wurde schnell zum Mega-Trend der 60er. Vor allem die Variante des gängigen Bouffants namens „Beehive" (= Bienenstock oder Bienenkorb) sollte bald viele Anhängerinnen finden. Ihre Kreation wird der US-Amerikanerin Margaret Vinci Heldt (1918 – 2016) zugeschrieben, die in der City von Chicago ein bekanntes Friseurgeschäft betrieben hatte und 1960 vom Coiffeur-Magazin „Modern Beauty Salon" damit beauftragt worden war, eine Frisur zu erfinden, die den Zeitgeist einer neuen Generation reflektieren sollte. Der wesentliche Unterschied zum Bouffant, der das Haar vor allem auch in die Breite aufbauschte und dabei die Ohren bedeckte, bestand darin, dass der Beehive sich mit einem runden Kegel vom Oberkopf nach oben schraubt. Je länger die Haare, desto höher der Bienenkorb, mit kurzer Mähne ist nichts zu machen, mittel- oder am besten superlang sollten die Haare schon sein. Eine Banane (auch „French Twist" genannt) oder ein Dutt können als Ausgangsbasis dienen, danach kommen als Stylingmittel Toupierkamm, Toupierbürste und reichlich Haarspray zum Einsatz, wenn’s richtig in die Höhe gehen soll, führt kaum ein Weg an einem stabilisierenden Haarkissen, Hair-Donut oder auch an Perücken vorbei.
Ein bisschen rebellisch und unangepasst
Die Beehive-Frisur wurde dank Audrey Hepburns Look im Hollywood-Klassiker „Frühstück bei Tiffany" von 1961 weltweit bekannt. Auch Brigitte Bardot oder Jane Fonda legten sich bald einen Bienenkorb zu, wobei bei ihnen die Haarpracht nicht nur für Verführung stand, sondern auch als Ausdruck der Rebellion gegen alles Konventionelle. Als die Frisur in den 70ern langsam aus der Mode kam, sorgte die US-amerikanische Rockband The B-52s für ein kleines Revival. Ihre Frontsängerinnen Kate Pierson und Cindy Wilson trugen mächtige Beehive-Haartürme. Selbst der Bandname geht auf die Haar-Kegelform zurück, auch wenn er direkt von einem so ähnlich geschnittenen US-Airforce-Bomberflugzeug vom Typ B-52 aus den 1950er-Jahren abgeleitet wurde. Die Band wollte ihrem zwischen New Wave und Punk angesiedelten Musikstil auch rein optisch eine punkige Attitüde verleihen. Danach lebte die Beehive-Frisur eigentlich nur noch in der seit 1989 ausgestrahlten Zeichentrick-TV-Serie „Die Simpsons" im Look von Marge Simpson fort, um dann ab 2007 mit einem Paukenschlag in Gestalt von Amy Winehouse zurückzukommen. Schon bald entwickelte sie sich zu einer Monsterversion mit jeder Menge künstlicher Haarvolumenhilfen fort. Somit legte sich die Soul-Röhre schon rein äußerlich ein rebellisches, unangepasstes und punkiges Image zu. Wesentlich zurückhaltender ausgefallen sind danach die Beehive-Ausführungen von Promi-Ladys wie Adele, Marion Cotillard, Beyoncé, Lana Del Rey, Scarlett Johannson, Janet Jackson, Jennifer Lopez oder Penélope Cruz.
Auf den internationalen Catwalks für die Wintersaison 2018/2019 entschied sich Miu Miu, fraglos in Anlehnung an Amy Winehouse, deren Look Karl Lagerfeld schon 2008 in seiner Chanel-Kollektion mit seinen Beehive-Frisur-Models gefeiert hatte, für die punkig-vamphafte, rockabilly-like Frisur-Variante. Laut dem dafür zuständigen Hairstylisten Guido Palau spielten bei der Inspiration auch die Bad Girls der 50er- und 60er-Jahre eine wesentliche Rolle.
Messy Beehives, bei denen wilde Dauerwellen gezähmt wurden, waren bei Lulu Guiness zu sehen. Bei Dsquared2 wurden die Mähnen von Kendall Jenner und Bella Hadid mittels üppiger Perücken zu Riesen-Beehives umgestaltet. Als Vorbild wurde auf die Country-Sängerin Dolly Parton verwiesen. Andere Labels wie Moschino (mit Top-Model Kaia Gerber), Valentino oder Anna Sui ließen ihre Damen im Big-Hair-Look à la Bouffant über die Laufstege stolzieren. Zum heimischen Nachstylen des Beehives empfehlen wir das eine oder andere Youtube-Video.