Mit der Einführung der Briefmarken brach 1840 eine neue Ära in der Postgeschichte an. Sie sorgten für verbindliche und kostengünstigere Gebühren in der Briefzustellung.
Bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es allgemein üblich, dass bei Briefzustellungen meist der Empfänger die Versandgebühr zu begleichen hatte. Wurde die Annahme verweigert, konnte die Post schon mal auf den Kosten sitzen bleiben. Die jeweilige Höhe der Gebühr musste vom Zusteller individuell berechnet werden. Wofür zunächst einmal ziemlich indiskret die Zahl der Briefbögen ermittelt und dann die zurückgelegte Wegstrecke des Briefes taxiert werden musste. In der Regel kam dabei eine Summe heraus, die sich einfache Leute niemals leisten konnten. Erst die Einführung der Briefmarke sollte Einheitlichkeit und Verbindlichkeit bei der Berechnung der Briefzustellungsgebühr schaffen.
Erste Vorstöße zur festen Porto-Reglementierung mithilfe spezieller Marken hatten 1836 der Slowene Laurenz Koschier und 1838 der Schotte James Chalmers gemacht. Doch genau zu der Zeit hatte der Pädagoge Rowland Hill im Auftrag der britischen Regierung schon die Arbeiten zur Reformierung des Postwesens aufgenommen. Seine 1837 vorgelegte Studie sah erstens eine von der Sendedistanz unabhängige Inlandsgebühr vor, die stattdessen allein anhand des Gewichts berechnet werden sollte. Zweitens sah sie „kleine, auf der Rückseite mit Leim bestrichene Papiere" zur Quittierung der Versandgebühr zulasten des Absenders auf dem Umschlag vor. Deshalb gilt Hill heute als Urheber der Briefmarke, die ab dem 1. Mai 1840 im Vereinigten Königreich herausgegeben wurde. Die ungezähnte „One Penny Black" mit dem Porträt der Königin Victoria gilt als erste Briefmarke der Welt. Perforierungen auf den Druckbögen zur Vereinfachung des Abtrennens der Briefmarken voneinander wurden versuchsweise 1850 und endgültig 1854 eingeführt. Seitdem gibt es den typischen Zahnrand, zuvor mussten die Briefmarken noch mithilfe einer Schere voneinander separiert werden.
Rowland Hill ist der Urheber
Das britische Vorbild sollte schon wenig später in den USA ab 1841 sowie in Brasilien und in den Schweizer Kantonen Zürich und Genf ab 1843 aufgegriffen werden. Die erste deutsche Briefmarke war der „Schwarze Einser", der am 1. November 1849 zusammen mit zwei weiteren Marken zu drei und sechs Kreuzern vom Königreich Bayern aufgelegt wurde. Ein Jahr später gab es die ersten Marken auch in den deutschen Staaten Preußen, Hannover und Sachsen, 1851 sollte Baden folgen. Das erste Briefmarkengeschäft der Welt wurde bereits 1852 vom Belgier Jean-Baptiste Moens, einem der frühesten Berufsphilatelisten, in Brüssel eröffnet.
War das Sammeln der bunten Bildchen zunächst noch ein hauptsächlich von Kindern betriebenes Hobby, so entwickelte sich die Briefmarkenleidenschaft bald schon zu einem der beliebtesten Steckenpferde aller Zeiten. In Deutschland wird die Zahl der Sammler heute auf mehr als drei Millionen geschätzt. Sie kaufen mit der Marke eine Dienstleistung, die sie gar nicht in Anspruch nehmen wollen. Und obwohl das gummierte Postwertzeichen im digitalen Zeitalter eigentlich ein fossiles Überbleibsel ist, hat es noch immer reichlich kulturgeschichtliche Bedeutung. Daher ist jeder Staat nach wie vor um optisch ansprechende Marken zur nationalen Selbstdarstellung bemüht. Die mit den Briefmarken konkurrierenden Barcode-Aufkleber oder die automatisierten Rollzeichenstempel haben übrigens historische Vorläufer wie die bereits 1653 vom Pächter der Pariser Stadtpost Jean-Jacques Renouard de Villayer eingeführten Papier-Gebührenstreifen namens Billet de port payé. Diese wurden allerdings seinerzeit mit Klammer oder Faden am Brief befestigt.