Die Filmschauspielschule Berlin hat die Ausbildung vor der Kamera und für die Theaterbühne in einen Studiengang gefasst. Ihre Absolventen lernen von Anfang an, worauf es beim Film ankommt und wie man sich auf der Bühne bewegt. Norbert Ghafouri ist Coach und Leiter der Schule.
Er ist in der Branche so etwas wie ein Selfmademan. Der 55-jährige Norbert Ghafouri hat sich aus eigener Kraft von einem Theaterschauspieler zu einem Schauspielcoach und Leiter der Filmschauspielschule Berlin emporgearbeitet. Seine grundlegende Idee: Schauspieler haben ein Kameradefizit. Das hatte er selbst während seiner Ausbildung an der Universität der Künste (UdK) erfahren: In der klassischen Schauspielausbildung kommt das Training vor der Kamera zu kurz. Also gründete er mit 32 Jahren 1995 mit der Coaching Company Berlin das erste Trainingszentrum für ausgebildete Schauspieler in Deutschland. „Ich organisierte dort die ersten Camera-Acting-Workshops hierzulande", erzählt Ghafouri. „Und der Zuspruch war von Anfang an gut."
Der nächste Schritt war vorgezeichnet: eine eigene Ausbildungsstätte. 2005 eröffnete er die Filmschauspielschule Berlin, die sich neben einer klassischen Theaterausbildung auch auf die Ausbildung zum Filmschauspieler konzentriert. „Doch dank meiner Erfahrung als Coach und als zertifizierter und erfahrener Anbieter von Weiterbildungen waren ein gutes Konzept, ein Lehrplan und eine Finanzierung schnell auf die Beine gestellt", sagt er. Und es funktionierte: Die Filmschauspielschule Berlin ist heute eine der erfolgreichsten und renommiertesten privaten Schauspielschulen im deutschsprachigen Raum.
„Die ersten Räume bezogen wir in der Helmholtzstraße in einem alten Gewerbehof der Gewerbesiedlungs-Gesellschaft (GSG). Das ging solange gut, bis wir brutal herausgekickt wurden. Die vormals städtische GSG wurde verkauft, privatisiert und zum Objekt eines ausländischen Immobilienspekulanten", erinnert sich Ghafouri. Wir haben damals vergeblich protestiert und demonstriert – sogar auf dem Karneval der Kulturen waren wir dabei." Aber es nützte alles nichts.
Der Zufall kam Ghafouri zu Hilfe. Eine Nachbarin, in deren Garage sie eine aus Pappmaschee gefertigte Figur für den Karneval der Kulturen parken konnten, kannte jemanden, und der kannte ein Gewerbegebiet, das leer stand und aus dem er etwas machen wollte. Der Name des Nachbarn: Stephan Allner, einer der Geschäftsführer der Wohnkompanie Berlin. Und der hat vor, aus dem leer stehenden ehemaligen Reemtsma-Gelände an der Mecklenburgischen Straße ein Gewerbezentrum zu machen. „In höchster zeitlicher Not drückte er mir den Schlüssel für das Gelände in die Hand und sagte: ‚Ziehen sie erst mal um, den Rest klären wir später‘." Und so zog die Filmschauspielschule Berlin bald darauf auf dem Gelände ein. Die Schule nutzt einen Teil eines Verwaltungsgebäudes plus eine ehemalige Produktionshalle. Ein kleines Theater gibt es dort schon: das Theater Blackboxx.
Er traf auf das Gegenteil von einem Immobilienhai
Die Wohnkompanie, die zur Bremer Zech-Gruppe gehört, hat das Industriequartier 2014 erworben. Die Zigarettenfabrik war ein typisches Westberliner steuerbegünstigtes Abschreibungsprojekt, sie entstand 1958/59 auf einem früheren Kleingartengelände. Zuletzt wurden hier jährlich 16 Milliarden Zigaretten produziert. Im Juni 2008 verkündete die Imperial Tobacco Group die Schließung des Werks mit zuletzt noch 420 Arbeitsplätzen. Im Juni 2012 wurde das Werk endgültig geschlossen.
„Allner liebt Berlin", schwärmt der Schulleiter. „Er gab uns einen sehr guten Mietvertrag, ließ uns viele Freiheiten, uns hier einzurichten und hilft, wo er kann." Also das Gegenteil von einem Immobilienhai? „Der Eigentümer will aus dem Gelände ein Gewerbezentrum mit Hotel, Restaurants und Geschäften machen, und es soll auch eine Heimat für kleine Handwerksbetriebe und künstlerisch kreative Unternehmen entstehen. – hier sollen einmal mehrere Tausend Menschen arbeiten." Wohnungen sind nicht vorgesehen. Noch ist es nicht so weit – fast alle Gebäude auf dem Gelände sind von bunten Graffitis überzogen, die vom Festival Mural 2018 stammen. In nicht mehr allzu langer Zeit wird mit den Abrissarbeiten begonnen. Drei Viertel des Geländes werden freigeräumt und neu bebaut, so der Plan. „In dem Teil, der aufgrund guter Bausubstanz nicht abgerissen wird, ist ein Gründerzentrum geplant und für das Handwerk und die Kreativen ist ein genossenschaftliches Modell im Gespräch, an dem wir am Ende Anteile erwerben können – sofern diese nicht zu teuer sind", sagt der Schulleiter.
Die Zukunft scheint also gesichert zu sein. Auch wenn die Filmschauspielschule Berlin nicht sehr groß ist – derzeit studieren an ihr 48 Schüler –, so bewerben sich doch jedes Jahr mehr Schüler, als sie aufnehmen kann, weil sie ihr Alleinstellungsmerkmal – die Doppelausbildung – schätzen. Sie ist die einzige Schule, die Theater und Film vom ersten Ausbildungsjahr gleichwertig anbietet. In der Regel dauert eine Ausbildung sieben Semester, am Ende – so Ghafouri – verfügt jeder Student sowohl über ein hochwertiges Demoband für den Eintritt in den Film- und Fernsehmarkt als auch über ein erstklassiges Vorsprechrepertoire für eine Karriere am Theater.
Doch zuerst muss man aufgenommen werden. Das Verfahren ist dreistufig: Als Erstes werden die eingereichten Unterlagen bewertet. Dann können die künftigen Studenten eine Woche mit den Dozenten arbeiten. Am Ende steht eine Aufnahmeprüfung, bei der Arbeiten aus dem Workshop gezeigt und bewertet werden. Manchmal bewerben sich 120 junge Leute aus ganz Deutschland, manchmal nur 50, sagt Ghafouri. Am Ende übernimmt die Schule in der Regel weniger als zehn von ihnen. Die Ausbildung kostet 3.300 Euro pro Semester, monatliche Raten können vereinbart werden, Bafög-Förderung ist möglich. Die Ausbildung wird durch Pädagogen, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Kameraleute und Filmproduzenten sowie Praktikern von Theaterclubs und Theatern unterstützt. Ausbildungsbegleitende Praktika werden von der Schule begrüßt. Zum Studium gehören unter anderem Atem-, Stimm-, Gesang- und Sprechunterricht, Körper-, Tanz- und Bewegungsschulung, klassisches Theaterszenenstudium, Improvisation, Videoschnitt, Dreharbeiten sowie ab dem ersten Ausbildungsjahr Camera Acting.
Emotionen leben, nicht spielen
Martin Gelzer zum Beispiel, der seine Ausbildung am Max Reinhardt Seminar in Wien absolvierte, ist freiberuflicher Schauspieler, der als Lehrer seine Erfahrung weitergibt. Er leitet gerade eine Leseprobe von „Das große Massakerspiel" von Ionesco. Oder Silvia Rachor, Theater- und Filmschauspielerin, die in einer Pause mit Marvin Münstermann zusammensitzt, der kurz vor seinem Abschluss steht. Silvia Rachor legt viel Wert auf Körperarbeit: „Sich freimachen, den Körper wahrnehmen, neugierig sein. Wir versuchen, den Studenten zu zeigen, dass sie nicht Emotionen spielen, sondern sie leben, erleben müssen." Er ergänzt: „Da gehst du bis an dein Limit, du entblößt dich." So etwas geschieht in den ersten Semestern, im geschützten Raum, aber es gehört dazu. Genau wie das Spiel vor der Kamera – „und die sieht alles", sagt Marvin. „Da kannst du nichts verstecken wie auf einer Bühne in ein paar Metern Abstand vom Zuschauer." Silvia Rachor und Martin Gelzer unterrichten auch Theatergeschichte, diskutieren mit den Studenten den historischen Hintergrund für ein Stück, entwickeln eigene Szenen, lehren Improvisationstheater. Dazu kommt alles, was zum Film gehört –
halt das ganze Handwerkliche", sagt Ghafouri. „Und darüber hinaus können die Studenten sich mit Synchronsprechen und mit Kleinkunst beschäftigen, Poetry Slam, Kabarett." Das alles, weiß der erfahrene Schulleiter, könne man im Leben eines Schauspielers immer mal brauchen. „Denn wer einen sicheren Beruf will, für den ist Schauspiel nicht das Richtige." Die Konkurrenz ist groß, der Markt in Deutschland ist gesättigt. Dennoch ist Ghafouri optimistisch, dass sich seine Absolventen durchsetzen werden. „Allerdings braucht man Biss, sonst hat man keine Chance."
Die Filmschauspielschule Berlin bietet neben der Ausbildung zum Film- und Theaterschauspieler auch die Ausbildungsgänge Film- und Theaterregie und Schauspielpädagogik an. Wer diese Schule durchlaufen hat, dem stehen viele Türen offen: Film und Fernsehen, Rundfunk und Synchron, städtische Theater, Staats- oder Nationaltheater, Musiktheater, freie Theater, Freilichtbühnen – oder auch pädagogische Tätigkeiten in Filmclubs, Schulen (Fach Darstellendes Spiel), künstlerischen und kulturellen Institutionen wie Museen sowie sozialen und therapeutischen Einrichtungen. Eine breite Palette von Möglichkeiten. Ghafouri kann stolz von Engagements seiner Absolventen am Schauspielhaus Bochum, dem Wiesbadener Staatstheater, dem Thalia Theater Hamburg oder dem Maxim Gorki in Berlin sowie von Engagements in ARD-,
ZDF-, RTL- und Sat1-Produktionen und spannenden nationalen und internationalen Kinoproduktionen berichten. Es sind durchweg neue Gesichter, wie etwa das von Marvin Münstermann. Man wird sie sich merken müssen.