Der öffentliche Dienst profitiert von Rekord-Überschüssen
Zunächst das Positive: Neue Warnstreiks in Kitas, Schulen und Verwaltungen bleiben den Bürgern erspart. Bei der Tarifeinigung für den öffentlichen Dienst der Länder ist dieses Mal eine besonders lange Laufzeit gelungen. Über 33 Monate werden für rund eine Million Beschäftigte rund acht Prozent mehr Lohn bezahlt – das sind knapp drei Prozent pro Jahr. Damit können die Kassenwarte in den Ländern planen und Rücklagen für die künftigen Ausgaben bilden. Das schafft Klarheit und Stabilität.
Darüber hinaus ist es richtig, dass Krankenschwestern und -pfleger in den betroffenen Universitätskliniken zusätzlich zur Gehaltserhöhung ein Extra-Plus von 120 Euro im Monat bekommen. Die Arbeitsbelastung in diesem Bereich ist extrem hoch, es herrscht Personalmangel. Zeit für die Betreuung der Patienten war bislang knapp bemessen. Deshalb muss hier Abhilfe geschaffen werden.
Kein Wunder, dass Verdi-Chef Frank Bsirske jubiliert: „Das ist das beste Ergebnis für einen Lohnabschluss im Länderbereich seit vielen Jahren." Er hat mit seinen Gewerkschaftskollegen in diesem Jahr deutlich mehr herausgeholt als bei der letzten Tarifrunde. 2017 gab es für den öffentlichen Dienst ein Lohn-Plus von 4,35 Prozent bei einer Laufzeit von 24 Monaten.
Alles in allem ist der Abschluss ein fairer Kompromiss. Er hat jedoch Nebenwirkungen, die man auf dem Radarschirm haben muss. Die 15 Bundesländer – Hessen ist aus der Gemeinschaft ausgeschert – müssen insgesamt 7,3 Milliarden Euro locker machen. Hinzu kommt, dass der Abschluss auf die etwa 2,3 Millionen Beamten und Pensionäre übertragen werden soll. Das kostet Geld, das an anderer Stelle fehlt, zum Beispiel für Investitionen. Ein Hochtechnologieland wie Deutschland ist dringend darauf angewiesen. So warnen die Finanz-Ressortchefs von Niedersachsen, Hamburg oder Sachsen bereits vor Engpässen in ihren Etats.
Die Länder leiden ohnehin unter einer angespannten Haushaltssituation. Da sie den größten Teil der öffentlichen Verwaltung schultern, geben sie rund 35 Prozent ihres Budgets für Personal aus. Das ist deutlich mehr als der Bund und die Kommunen. Außerdem greift ab 2020 die Schuldenbremse, die ihren Spielraum weiter einschränkt.
Die Belastung wird mit der aktuellen Tarifeinigung noch größer. Diese wurde vor dem Hintergrund einer jahrelang guten Wirtschaftslage mit Rekord-Beschäftigung erzielt. Die öffentlichen Kassen hatten Milliardenzuflüsse, gespeist von den Steuereinnahmen von Arbeitnehmern und Firmen. Es geht in Ordnung, dass die Angestellten im öffentlichen Dienst jetzt davon profitieren. Dieser warme Finanzregen wird jedoch in Zukunft weniger üppig ausfallen. Wichtigster Grund: Die exportlastige Wirtschaft in Deutschland muss mit einer Konjunkturdelle rechnen. Der für VW, Daimler & Co. so wichtige Markt in China wächst weniger rasant, zudem sorgen die Handelskrieg-Drohungen von US-Präsident Donald Trump für Unruhe.
Finanzminister Olaf Scholz hat daher Recht mit seiner Warnung, dass die fetten Jahre in Deutschland vorbei seien. Sprich: dass der Verteilungsspielraum der öffentlichen Hand schrumpft. Das Problem ist nur, dass der SPD-Politiker den Satz vor allem als Kampf-Vokabel gegen die Union anwendet. Deren Forderung, den Solidaritätszuschlag für alle abzuschaffen, will er einen Riegel vorschieben. Für die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung, die Arbeitsminister Hubertus Heil verlangt, soll hingegen Geld da sein. Dabei sind die hierfür veranschlagten fünf Milliarden Euro pro Jahr keine Kleinigkeit.
All dies zeigt, dass die Debatte in Deutschland aus der Balance geraten ist. Es gibt zu viele Umverteilungsvorschläge, die den Staat als den großen Regulator für mehr Gerechtigkeit sehen. Die CDU/CSU öffnete das soziale Füllhorn mit der Mütterrente, die SPD möchte Sanktionen bei Verstoß gegen Hartz-IV-Regeln abschaffen und stattdessen ein „Bürgergeld" einführen, die Große Koalition installierte ein Bau-Kindergeld für Familien. Eine Kosten-Kaskade ohnegleichen.
Das Dilemma in Deutschland ist, dass derzeit zu wenig über Wettbewerb und Leistung geredet wird. Nur wenn das Geld von den Unternehmen auf dem Weltmarkt erwirtschaftet wird, kann der Staat großzügig sein. Künftige Tarif-Abschlüsse werden daher weniger opulent ausfallen.