Der 1. FC Nürnberg steht sich in dieser Saison mal wieder selbst im Weg. Die Chancen auf den Klassenverbleib waren nie größer – doch eigene Fehler erschweren die Mission.
Der Name Klaus Schamberger fällt in diesen Tagen ziemlich oft, wenn vom 1. FC Nürnberg die Rede ist. Nicht, weil der Kolumnist der „Nürnberger Zeitung" derzeit viel über seinen Herzensklub schreiben würde. Aber der Journalist hatte vor langer Zeit einen Satz über den fränkischen Fußball-Bundesligisten geprägt, der aktueller ist denn je: „Der Club is a Depp."
Dieser Spruch wird seitdem immer dann herangezogen, wenn sich der FCN mal wieder selbst ein Bein stellt. Weil das Scheitern ein Teil des Selbstverständnisses des Clubs zu sein scheint. Es liegt vielleicht auch an der Selbstwahrnehmung der „Cluberer". Während in München der FC Bayern nur so vor Selbstvertrauen und Stolz strotzt, machen sich die Nürnberger immer ein wenig kleiner als sie sind. Von FCN-Fans sagt man, sie würden immer mit dem Schlimmsten rechnen. Erfolge können sie nicht voller Freude genießen, weil sie schon an die nächsten Rückschläge denken. Die Erfahrungen der Vergangenheit gaben den Fans allerdings reichlich Anlass für diese Haltung. „Und das hört nicht auf", sagt Schamberger.
Das Tabula-rasa-Machen mitten im Abstiegskampf war wieder einmal typisch für den Club. Sportvorstand Andreas Bornemann und Trainer Michael Köllner wurden Mitte Februar entlassen. Der vor einem halben Jahr noch frenetisch gefeierte Aufstiegscoach musste gehen, weil er mit der Mannschaft 15 Bundesligaspiele in Folge nicht gewonnen hatte. Bornemann musste seinen Posten räumen, weil er trotz dieser Horror-Bilanz nicht vom Trainer abrücken wollte, obwohl ihm dies vom Aufsichtsrat nahegelegt worden war.
Sollte im Kontrollgremium tatsächlich mehrheitlich die Meinung vorgeherrscht haben, dass Köllner nicht mehr der richtige Trainer für den anvisierten Klassenerhalt ist, dann ist die Trennung von der kompletten sportlichen Leitung zwar konsequent – doch dass der Verein diesen Weg wählt, ohne Alternativen in der Hinterhand zu haben, ist verheerend. Aufsichtsratssprecher Thomas Grethlein musste eingestehen, die Doppel-Entlassung sei ein „Kahlschlag an sportlicher Kompetenz". Und das, während sich das verunsicherte Team in ärgsten Abstiegsnöten befindet. „Der Club is a Depp", dürften sich da viele FCN-Fans gedacht haben.
Während sich die Clubbosse bei der Suche nach einem neuen Sportvorstand Zeit ließen, präsentierten sie in Boris Schommer, bislang Co-Trainer, und Club-Ikone Marek Mintal ein neues Trainerduo, das vorübergehend Köllners Aufgaben übernahm. Nach einem hoffnungsvollen 0:0 zum Einstand gegen Tabellenführer Borussia Dortmund bekamen die neuen Hauptverantwortlichen an der Seitenlinie hautnah mit, wie man FCN-typisch verliert. Beim 1:2 bei Fortuna Düsseldorf schlug sich der Club quasi selbst: Ein Eigentor von Abwehrspieler Ewerton und eine frühe Rote Karte von Matheus Pereira (4.) brachte Nürnberg auf die Verliererstraße.
„So etwas darf nicht passieren. Erst recht nicht so früh", schimpfte Kapitän Hanno Behrens über Rotsünder Pereira, der hinter dem Rücken von Schiedsrichter Sascha Stegemann seinem Gegenspieler unfein in den Unterleib geschlagen hatte.
„Das ist maximale Dummheit"
Eigentlich sollte es sich auch bis zum Brasilianer herumgesprochen haben, dass in der Bundesliga mittlerweile der Videobeweis für genau solche Szenen zum Einsatz kommt. Videoschiedsrichterin Bibiana Steinhaus nutzte die technischen Hilfsmittel, sie schickte Stegemann ein Signal – und der schickte Pereira zum Duschen. Im Nachklapp gab es zudem eine Drei-Spiele-Sperre durch den Deutschen Fußball-Bund. „Das ist maximale Dummheit", wetterte Behrens. Das Spiel war fast ein Spiegelbild der Saison. Der Traditionsclub taumelt scheinbar unaufhaltbar der Zweiten Liga entgegen. Die große Hoffnung der Anhänger, das Schicksal der Fahrstuhlmannschaft hinter sich zu lassen – sie scheint sich nicht zu erfüllen. Schon jetzt ist der FCN Rekordab- und aufsteiger. Einzig aufgrund der Tatsache, dass sich mit Hannover 96, dem VfB Stuttgart und dem FC Augsburg drei Teams ähnlich desolat präsentieren, hat Nürnberg noch Chancen auf den Klassenerhalt. Doch der Negativrekord von 17 sieglosen Spielen nach der Pleite in Düsseldorf gab wenig Anlass zur Hoffnung.
Umso wichtiger wäre es, dass die Verantwortlichen schnellstmöglich einen neuen Sportvorstand finden und präsentieren. Bis Redaktionsschluss gab es diesbezüglich nichts Offizielles, aber es wurden reichlich Namen gehandelt. Christian Möckel, Per Nilsson und auch Felix Magath, der den Club 1998 in die Bundesliga geführt hatte, wurden zuletzt als Kandidaten genannt. Magath hat noch immer gute Verbindungen zum Verein, und der einstige Meistertrainer brachte sich selbst ins Gespräch.
„Ich gehöre zwar zu den alten Modellen der Liga, sehe mich aber jederzeit in der Lage, einem Verein in Not zu helfen", sagte der 65-Jährige der „Nürnberger Zeitung". Er suche nach einer Herausforderung, „bei der ich meine Erfahrung einbringen kann." Unabhängig davon, ob er selbst das Ruder übernimmt oder nicht, schätzt Magath Nürnbergs Chancen auf den Ligaverbleib höher ein als so mancher Fan: „Die Situation in der Liga ist weiterhin so, dass man nicht aufgeben muss."
Aus der Mannschaft sind Durchhalteparolen zu vernehmen. „Wir geben nicht auf, niemals", versicherte Mittelfeldspieler Eduard Löwen. Dass das Team Pereira nicht die alleinige Schuld an der Niederlage in Düsseldorf in die Schuhe schob, spricht zumindest dafür, dass das Teamgefüge intakt ist. „Er weiß, dass das dumm war", sagte Löwen, „wir sind aber eine Mannschaft und werden ihm helfen, das aufzuarbeiten."
Dass der FCN trotz der langen Sieglosserie und offensichtlicher Nachteile in der Qualität des Kaders noch immer die Chance auf ein Happy End hat, findet selbst der zuletzt starke Torhüter Christian Mathenia „kurios". Die Clubbosse bereiten aber schon den Ernstfall vor. Immer wieder betonen sie in der Öffentlichkeit die schwierigen finanziellen Bedingungen im Vergleich zur Konkurrenz.
„Der Aufstieg in die Bundesliga kam überraschend und vielleicht auch ein bisschen früh – wenn man die wirtschaftliche Situation betrachtet", sagt zum Beispiel Aufsichtsratssprecher Grethlein. Man habe sich vor ein paar Jahren die wirtschaftliche Konsolidierung auf die Fahnen geschrieben, auch deshalb habe man in der Winterpause auf teure Transfers, die eventuell die Chancen auf den Klassenerhalt erhöht hätten, verzichtet. Dies führe dazu, „dass wir sportlich immer ein wenig hinter der Musik herlaufen", gesteht Grethlein: „Diese Prämisse haben wir nicht gut genug kommuniziert."