An diesem Sonntag, 17. März, startet die Formel 1 in Australien in ihre 70. Saison. Es zeichnet sich erneut eine Kraftprobe zwischen Mercedes und Ferrari und deren Star-Piloten Lewis Hamilton und Sebastian Vettel ab. Für zusätzliche Würze in diesem brisanten Titel-Duell könnte Red-Bull-Rabauke Max Verstappen sorgen.
Die Formel-1-Fans können aufatmen. Ihr Entzug ist vorbei. Exakt 111 Tage hat er sich seit dem Finale in Abu Dhabi 2018 bis zum Auftakt dieser Saison 2019 im australischen Melbourne hingezogen. Jetzt lechzen die Anhänger des schnellsten Zirkus’ der Welt geradezu nach ihren Helden. Und die sind heiß und hungrig auf ihren Auftritt. Beginn der Vorstellung am anderen Ende der Welt ist an diesem Sonntag, 17. März, um 7.10 Uhr, (live RTL/Sky) unserer Zeit. Dann heißt es im Albert Park wieder: Manege frei für die PS-Akrobaten. Der Kampf der Asphalt-Artisten Mann gegen Mann, der Tempo-Tanz Rad an Rad bei 300 „Sachen" und mehr werden die Fans wieder in ihren Bann ziehen und faszinieren. Der „Zirkus Maximus" mit seinen zehn Rennställen und 20 Hauptdarstellern, seinen Gauklern und Gaffern, Zauberern und Zampanos, Stars und Schaustellern, Pferdestärken und Raubtieren startet nach der dreieinhalbmonatigen Winterpause seine Weltreise mit 21 Stationen auf vier Kontinenten – und endet am 1. Dezember in Abu Dhabi.
Für diese Welttournee haben sich die Teams in zwei Phasen mit acht Testtagen in Montmeló bei Barcelona vorbereitet. Testen, testen und nochmals testen hieß die Devise. Zigtausende Kilometer haben die Piloten geschrubbt, Reifen-Tests, Aerodynamik-, verschiedene Komponenten- und jede Menge anderer Tests absolviert. Doch vor diesen Versuchsfahrten gaben die Konstrukteure, Ingenieure und Mechaniker hinter den Kulissen in den eiligen, heiligen Werkshallen, Fabriken und Labors Vollgas. Die Zeit der Vorbereitung mit dem Versteckspiel Bluff, Spuk, Tarnen und Täuschen ist vorbei. Das englische Sprichwort bringt es auf den Punkt: „When the flag drops, the bullshit stopps." Auf Deutsch: Wenn die Startflagge fällt, hört der ganze Quatsch auf. Mit anderen Worten: In Down Under geht es ans Eingemachte.
Nun lassen sich nach zwei Testwochen noch keine sicheren Vorhersagen abgeben. Abgesehen davon, dass sich Ferrari die Favoriten-Rolle gesichert hat und für den Weltmeister-Rennstall Mercedes die Luft dünner geworden ist. „Wir sind im Großen und Ganzen sehr stark und voll auf Kurs", so das Barcelona-Fazit von Sebastian Vettel mit Blick auf die nächste Jagd nach dem Sehnsuchtstitel. Der Ferrari-Chefpilot und sein Rennstall sind sich aber auch bewusst, dass man sich für den Erfolg bei den Tests nichts kaufen kann. „Vor uns liegt noch ein langer Weg", versicherte der viermalige Champion. „Wir müssen sicherstellen, dass wir es noch besser machen, was schließlich der Schlüssel zum Erfolg sein wird", sagte Vettel in die RTL-Mikrofone. Er ist aber überzeugt, dass Ferrari 2019 „alle Zutaten zusammenhat". In der Vergangenheit habe immer etwas gefehlt, daher gibt es noch Luft nach oben."
„Wir sind sehr stark und voll auf Kurs"
Der Heppenheimer startet in seine 13. Formel-1-Saison – und steht vor einer ganz wichtigen. Dieses Jahr soll es für Ferrari und Vettel endlich mit dem ersehnten Titel klappen. Es muss klappen. Nichts anderes zählt für die Italiener nach ihrem letzten Fahrer-Pokal 2007 (Kimi Räikkönen) und in Vettels fünftem Anlauf mit der Scuderia. Kurzer Rückblick: 2015, in seinem Premierenjahr in Maranello, konnte er drei Siege einfahren, wurde Dritter in der WM. 2016 folgte eine enttäuschende Saison ohne einen einzigen Triumph (WM-Vierter). 2017 zeigte der Trend mit fünf Siegen und der Vize-WM wieder ganz klar nach oben. 2018 gelangen Vettel ebenfalls fünf Siege (WM-Zweiter). Obwohl sein Ferrari zeitweise schneller war als Hamiltons Silberpfeil, wurde eine große Titelchance durch zu viele Fehler von Fahrer und Team verspielt. „Ich kann besser sein, als ich manchmal war", so damals seine Selbstkritik.
Wer Vettel auf seiner WM-Mission mit Ferrari im verflixten fünften Jahr Hoffnung macht, ist Ex-Formel-1-Boss Bernie Ecclestone. Der abservierte Zampano gegenüber „Sport Bild": „Hätte Ferrari Sebastian 2018 genauso unterstützt wie Mercedes Lewis Hamilton, er hätte auch Weltmeister werden können. Wenn Ferrari das ändert, ist für Sebastian 2019 alles möglich. Den Titel hat der Junge längst verdient." Mit dem neuen Teamchef Mattia Binotto (49), der nach monatelangem Machtkampf seinen erfolglosen Chef Maurizio Arrivabene an der Spitze des Rennstalls verdrängt hat, darf sich Vettel in einer Vertrauensperson seiner Unterstützung sicher sein. „Sebastian ist die Nummer eins", stellte der Technik- und Motorenchef schon mal klar. „Im Großen und Ganzen ist das Gefühl positiv. Die Atmosphäre ist gut, die Leute sind glücklich", hat Vettel festgestellt. „Ich denke, dass wir etwas haben, worauf wir aufbauen können", so Vettel als Hoffnungsträger für den Sehnsuchtstitel. Diese Hoffnung zerstören könnte allerdings sein neuer, aufstrebender Team-Rivale, das Supertalent Charles Leclerc (siehe eigener Artikel ab Seite 138). Selbst Erzrivale Mercedes sieht Ferrari vor dem Auftakt in der Favoritenrolle. „Sie haben nach den Testfahrten das schnellste Auto. Das wird unser größter Kampf bisher werden und eine große Herausforderung, den Rückstand aufzuholen", stellte Lewis Hamilton gegenüber dem Fachmagazin „Auto, Motor und Sport" fest.
Gleichzeitig warnt der Weltmeister aber auch: „Es wäre falsch, jetzt die Ruhe zu verlieren. Ich glaube, bei allen Teams gab es nach den Tests noch Fragezeichen. Wir wissen, dass unser Auto noch nicht so optimal funktioniert, aber wir werden es noch verbessern. Ich habe volles Vertrauen in unser Team, dass es den Job schafft." Hamilton verspricht einen gnadenlosen Entwicklungswettlauf zwischen Mercedes, Ferrari und Red Bull. „Es sieht so aus, als hätte Ferrari einen Monat vor uns mit der Entwicklung des Autos begonnen", vermutet der Mercedes-Star. Auch für Motorsportchef Toto Wolff und seinen Weltmeister-Rennstall stellt 2019 keinen Selbstläufer dar. „Die neue Saison stellt uns alle vor neue Herausforderungen. Wir haben bei Null angefangen und müssen uns erneut beweisen. Tatsächlich hat durch die Regeländerungen jedes Team eine Chance auf den Titel, und wir sehen jeden als einen möglichen Konkurrenten an", sagte der Österreicher bei der Präsentation des neuen Silberpfeils W10 in Silverstone. Trotz des erheblich geänderten Aerodynamik-Reglements soll Lewis Hamilton seinen sechsten WM-Titel einfahren und dem Branchenführer mit Teamkollege Valtteri Bottas den Konstrukteurs-Pokal bescheren.
„Es wäre falsch, jetzt die Ruhe zu verlieren"
„Ich verbessere mich noch", ist einer von Hamiltons Leitsprüchen. 2018 hat der 34-Jährige genau das mit seinem fünften WM-Titel bewiesen. „Es war definitiv mein bestes Jahr", bekannte der Brite nach dem Finale in Abu Dhabi. „Als ich im Jahr zuvor 2017 die WM gewonnen habe, habe ich mich gefragt: Wie werde ich mich noch verbessern können? Wie kann ich fitter werden? Wie fokussierter? Wie kann ich ein kompletterer Fahrer werden?" Diese Fragen wird sich der 73-fache Grand-Prix-Sieger auch vor dieser Saison gestellt haben. Sein Chef Toto Wolff spricht vom besten Hamilton, den er in den gemeinsamen sechs Jahren seit 2013 gesehen hat. 2019 kann Hamilton zumindest rein rechnerisch seinen Pole-Rekord (83) in den dreistelligen Bereich fahren, rechnerisch könnte er sogar die 91 Rennsiege von Michael Schumacher überbieten. Dazu müsste er allerdings 18 der 21 Rennen gewinnen. Eher unwahrscheinlich. Eher wahrscheinlich dagegen ist, dass Hamiltons Erz-Team-Rivale Nico Rosberg seinen Ex-Stallgefährten als voraussichtlichen Sieger im Titelkampf sieht. Der Weltmeister von 2016: „Ich sehe Lewis als absoluten Top-Favoriten und würde das meiste Geld auf ihn setzen." Sebastian, so Rosberg, sei aber Hamiltons erster Herausforderer. Dem Red-Bull-Piloten Max Verstappen traut Rosberg „einige Überraschungen" zu.
In einem sind sich Hamilton und Vettel einig: Verstappen ist ihr Hauptkonkurrent. „Max ist schon die gesamte vergangene Saison überragend gefahren. Er war sehr konstant und fuhr oft gegen mich um den Sieg", sagt Hamilton. Für Vettel fährt der Niederländer trotz seiner Jugend schon „auf höchstem Niveau". Der Deutsche ist sicher: „Wenn Max das richtige Material hat, ist er mit seinem Red Bull voll dabei und kann uns das Leben schwer machen." Christian Horner, Teamchef von Verstappen, ist vollauf begeistert von seinem Jungstar. „Die Konkurrenten haben Respekt vor Max. Sie wissen, dass er nichts und niemanden fürchtet", schwärmt der „Bullen"-Boss in „Sport Bild".
„Wir müssen aus eigener Kraft gewinnen"
Red Bull Racing will nicht länger die dritte Geige hinter Mercedes und Ferrari spielen. Und so blasen die „Bullen" zum Großangriff. „Unser oberstes Ziel ist es, Max 2019 zum Weltmeister zu machen", sagte Red-Bull-Berater Helmut Marko zu RTL.de. Neben dem Top-Chassis soll der Wechsel vom Renault-Motor zum Honda-Triebwerk dem „fliegenden Holländer" noch mehr Flügel verleihen. „Wir müssen aus eigener Kraft gewinnen. Ich erwarte mindestens fünf Siege", kündigte der Motorsport-Berater im Schweizer Portal „Speedweek" an und setzt „ganz klar" auf Verstappen als Weltmeister. „Wir wollen den jüngsten Weltmeister der Geschichte krönen", so Marko. „Das habe ich dem Team gesagt. Es gibt keine Ausreden." Im Titelrennen sieht der Österreicher „Ferrari vorn, dann Red Bull auf Platz zwei und dahinter erst Mercedes". Und seine Speerspitze Verstappen „will so viele Rennen wie möglich gewinnen. Wenn das der Fall ist, dann können wir auch den WM-Titel anvisieren", so die Vorgehensweise des „fliegenden und siegenden Holländers". Der Niederländer ist 21 Jahre alt, stand bei 82 GP-Starts 22 -mal auf dem Podium und fuhr fünf Siege ein. Das Riesentalent könnte mit dem WM-Titel 2019 Sebastian Vettel als bislang jüngsten Champion (Saison 2010, 23 Jahre) ablösen. Mercedes und Ferrari mit Hamilton und Vettel müssen sich „warm anziehen".