Wer eine Reise bucht, muss genau hinsehen: Hinter vermeintlich positiven Begriffen verbirgt sich oft eine böse Überraschung. Reiserechtsexpertin Sabine Fischer-Volk entschlüsselt die Geheimsprache der Branche.
Frau Fischer-Volk, in Reisekatalogen und Hotelbeschreibungen wimmelt es angeblich vor Sprachtricks, die Unzulänglichkeiten verschleiern. Gibt es diese Geheimcodes wirklich?
Na klar. Die haben sich Juristen ausgedacht, um eventuelle Mängelansprüche zu vermeiden, die Urlauber nach ihrer Reise stellen könnten. Sie finden diese Geheimsprache überall: im Reisebüro, in Prospekten, aber auch in Werbeanzeigen in den Printmedien und im Internet.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Getrickst wird vor allem bei Lage, Ausstattung und Atmosphäre. „Verkehrsgünstige Lage" kann bedeuten, dass Ihr Zimmer an der Hauptstraße liegt. Ein „Hotel in aufstrebender Umgebung" befindet sich womöglich direkt neben einer Baustelle. „Internationale Gäste" bedeuten unterschiedliche Temperamente und Gewohnheiten. Die Leute aus südlichen Ländern essen für gewöhnlich deutlich später und gehen auch später ins Bett.
Bei solchen Beschreibungen muss man also den Lärm einkalkulieren?
Ja, aber es gibt Grenzen. Wer wegen einer Baustelle von früh bis spät Lärm hört, muss das nicht tolerieren. In einem solchen Fall können Sie vom Veranstalter hinterher Geld zurückverlangen. Umgekehrt bedeutet „idyllische Lage", dass man wahrscheinlich mitten in der Natur ist – aber das war’s dann auch. Wer so etwas bucht, muss damit rechnen, dass der nächste Supermarkt einen längeren Fußmarsch entfernt ist. Wenn es überhaupt einen gibt.
Ein Dauerbrenner ist auch die Aussicht aufs Meer. Worauf muss man hier achten?
Beim Ausdruck „am Meer gelegen" sollte man aufpassen. Das kann eben auch eine Steilküste oder ein Hafen sein, aber nicht unbedingt ein Badestrand. Bei der Beschreibung „strandnah" müssen Sie einen Fußweg einplanen. Besser ist „Lage direkt am Strand". Das ist eindeutig.
Und wie verhält es sich mit dem Meeresblick?
Ein „Zimmer zur Meerseite" ist nicht gleich ein Meeresblick. Da kann locker noch ein anderes Hotel dazwischenstehen. Beim Meerblick wiederum müssen Sie sich eventuell verrenken, um etwas zu sehen – oder das Meer ist wirklich weit weg. Wenn sich hinterher jemand beschwert, verweist der Veranstalter zu Recht auf die Beschreibung. Das Meer war doch zu sehen, irgendwo am Horizont.
Das klingt eher nach Betrug. Wie sollen Reisende denn diese Geheimsprache entziffern?
Es würde schon helfen, die Beschreibungen genau zu lesen. Aber das macht niemand. Die meisten schauen zuerst auf den Preis, und oft war’s das dann auch.
Also sind die Leute selbst schuld?
Ich würde es eher positiv formulieren. Wir sollten uns alle die Mühe machen, auch mal die Details und die allgemeinen Geschäftsbedingungen zu lesen – und diese dann aufheben. Bei Reisekatalogen hat man es in diesem Punkt einfacher. Aber natürlich können Sie auch von Internetangeboten einen Screenshot machen, um hinterher Mangelansprüche einzufordern. Diese Screenshots sollten Sie direkt bei der Buchung machen, denn Websites ändern sich ja ständig. Sonst können Sie hinterher nicht mehr nachweisen, dass Ihnen ein „beheizter Pool" versprochen wurde, der vor Ort dann eiskalt war.
Wie sieht es denn mit der Hotelausstattung aus? Gibt es da auch Sprachcodes?
Der Klassiker ist ein „klimatisierbares Zimmer". Das heißt nämlich noch lange nicht, dass das Hotel die Klimaanlage auch anstellt. Oder ein „teilweise renoviertes Hotel". Da müssen Sie damit rechnen, den Rest der Renovierung noch mitzuerleben. Aufpassen würde ich auch bei einem „neu eröffneten Hotel". Da ist die Gartenanlage womöglich noch gar nicht fertig. Oder die Abläufe haben sich noch nicht eingespielt.
Darauf muss man erst mal kommen.
Es gibt auch eindeutigere Beschreibungen. „Leger" zum Beispiel. Da sitzen die Mitreisenden beim Abendessen auch gerne mal in Badehose und Bikini. Wer es etwas förmlicher mag, fühlt sich an einem solchen Ort womöglich fehl am Platz. Genau wie in einem „beliebten Konferenzhotel". Das heißt eben auch, dass die Teilnehmer nach der Konferenz zur Bar laufen und dementsprechend viel los ist.
Und wenn man seine Ruhe will?
Dann buchen Sie lieber kein „familienfreundliches Hotel". Da machen dann nämlich tatsächlich viele Familien Urlaub – über Kinderlärm dürfen Sie sich dann nicht beschweren.
Wo hören denn sprachliche Spielereien auf und wo fängt Betrug an?
Das ist natürlich die Frage, die uns Urlauber in der Beratung immer wieder stellen. Grundsätzlich muss jede Werbung sachlich richtig sein, darf nicht irreführen oder täuschen. Werbeaussagen müssen zudem klar und verständlich sein. Oder anders gesagt: Das Gesamtangebot muss stimmen. Wenn ein Foto suggeriert, dass ein Hotel direkt am Strand liegt, in der Beschreibung dann aber steht, dass der Fußweg 15 Minuten beträgt, könnte eine Irreführung vorliegen. Wegen der unterschiedlichen Sachverhalte gibt es darauf aber keine einfache Antwort, weshalb diese Dinge auch oft vor Gericht landen.
In welchen Fällen besteht vor Gericht eine Erfolgschance?
Vor allem bei eindeutigen Sachverhalten. Ein Veranstalter hatte in der Beschreibung einen „feinen, weißen Sandstrand" beworben. Vor Ort war der Strand aber mit Kieselsteinen übersät, voller Unrat und Algen. Die Kunden hatten daher Anspruch auf Preisminderung. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang die Tabelle zur Reisepreisminderung des ADAC, die man online findet.
Macht es einen Unterschied, ob eine Reise im Internet oder im Reisebüro gebucht wurde?
Nein, es gelten die gleichen reiserechtlichen Ansprüche. Aber Sie sollten das Angebot immer Schwarz auf Weiß haben. Natürlich können Sie ins Reisebüro gehen und sagen: „Ich möchte nach Malle. Suchen Sie mir mal was Schönes raus." Aber auch dann würde ich mir das Angebot immer ausdrucken lassen, um etwas in der Hand zu haben.
Können sich Reiseanbieter in der heutigen Zeit, in der sofort alles im Internet bewertet wird, solche Tricks überhaupt noch leisten?
Die Bewertungen geben ja nur ein sehr ungenaues Bild wieder. Viele sind gefakt, manche vielleicht von der Konkurrenz geschrieben. Wenn jemand einen Missstand beschreibt, der vor zwei Monaten aufgetreten ist, heißt das ja nicht, dass er nicht längst behoben wurde. Die ganzen Bewertungen nützen reiserechtlich nichts. Ich würde Verbrauchern nie raten, sich davon leiten zu lassen.
Also lieber ganz genau die offiziellen Beschreibungen lesen und vor Ort dann Notizen machen, wenn etwas nicht stimmt?
Richtig. Nach dem neuen Reiserecht können Sie bis zu zwei Jahre nach dem Ende der Reise Ihre Mängel anmelden. Natürlich ist es besser, die Sache anzugehen, solange die Erinnerungen noch frisch sind. Eine nur vage Beschreibung, was angeblich nicht gestimmt hat, reicht aber nicht. Sie müssen die Mängel genau auflisten und dokumentieren, also auch Fotos machen. Bei Lärm hilft eine Art Tagebuch: Wann ist er wo aufgetreten und was war die Lärmquelle?
Und diesen Aufwand betreiben Urlauber tatsächlich?
Aber ja, manchmal auch zum Leidwesen der Veranstalter. Die meisten Beschwerden gibt es wegen verspäteter, zeitlich verlegter oder ausgefallener Flüge. Danach kommen Lärm und Verpflegung. Es gibt aber auch einige Leute, die überziehen. Sie schimpfen, weil das Essen angeblich nicht schmeckte oder das Buffet zu schnell leer war. Das kann natürlich erst mal alles bedeuten, wenn Sie es nicht konkret beschreiben und belegen.