Angesichts der Masse an Online-Buchungsmöglichkeiten könnte man annehmen, dass die klassischen Reisebüros langsam aussterben. Weit gefehlt.
Das Reisegeschäft boomt. Während man sich früher vielleicht einmal im Jahr Urlaub leisten konnte oder wollte, so fliegen Paare, Alleinreisende und sogar Familien heute teilweise mehrmals im Jahr in sonnige, paradiesisch anmutende Regionen oder schlendern durch vibrierende Metropolen auf der Suche nach dem nächsten Erlebnis. Die Angebote werden immer vielfältiger, ebenso die Art der Buchung. Früher suchte man dafür eher das Reisebüro auf, heute kann man bei unzähligen Anbietern im Internet stöbern, auswählen und Flug, Hotel sowie Mietwagen oder auch die Pauschalreise mit ein paar Mausklicks von zu Hause aus selbst buchen. Anbieter und Angebote scheinen schier unendlich und sind omnipräsent. Kaum schaltet man das Fernsehgerät ein oder surft durchs Internet, buhlen die Online-Reiseportale in Werbespots und Anzeigen um die Aufmerksamkeit der potenziellen Kunden.
Zwar ist die Anzahl der stationären Reisebüros in den vergangenen Jahren zurückgegangen, der Umsatz jedoch deutlich gestiegen. Es wird folglich weiterhin und sogar mehr über Reisebüros gebucht. Dies betrifft primär komplexe, beratungsintensive Reisen. Da heute fast alle stationären Reisebüros auch mit einem Internetauftritt vertreten sind, können angehende Urlauber bei ihrem Reisebüro um die Ecke auch online buchen. Umgekehrt eröffnen außerdem immer mehr als reine Online-Reisebüros gestartete Portale eigene Filialen, darunter etwa Urlaubsguru.de. Die Online- und Offline-Welten wachsen immer mehr zusammen.
„Die Unterscheidung betrifft nicht so sehr die Frage Online/Offline, sondern Pauschalreise und selbst organisierte Reise", sagt Kerstin Heinen vom Deutschen Reiseverband (DRV). „Bei Pauschalreisen kümmert sich der Veranstalter, bei dem man bucht, im Falle von Naturkatastrophen oder zum Beispiel Airline-Insolvenzen darum, dass der Gast eine sichere Unterkunft bekommt und auf einen anderen Flug umgebucht wird – ohne Mehrkosten. Bei selbst organisierten Reisen muss der Kunde allein dafür sorgen und auch die Mehrkosten selbst übernehmen."
57 Prozent über Offline-Kanäle gebucht
In absoluten Zahlen ist das Volumen des Online-Marktes noch deutlich geringer als das Volumen des Offline-Marktes. Nach einer aktuellen Auswertung zum vergangenen Reisejahr steigt der Umsatz über stationäre Reisebüros um sieben Prozent und die Anzahl der Reisebüros in Deutschland bleibt mit aktuell rund 11.000 konstant – darunter fallen die sogenannten Vollsortiment-Agenturen, die auf Touristik spezialisierten und die auf Business Travel ausgerichteten Agenturen sowie die Vertriebsbüros, die sich auf einen Veranstalter oder einen bestimmten Ausschnitt des Reiseangebots konzentrieren. Bundesweit existieren 12,4 Reisebürovertriebsstellen pro 100.000 Einwohner. Aktuell werden 57 Prozent der Reiseausgaben über Offline-Kanäle gebucht – also immer noch der größte Teil. Zu diesen Offline-Kanälen gehören Reisebüros und Callcenter und die Buchungen direkt bei einem Reiseveranstalter – etwa Busreise- und Spezialveranstalter – oder bei Leistungsträgern wie Hotels und Fluggesellschaften. Im Vorjahr waren es allerdings noch 60 Prozent. Betrachtet man nur die organisierte Reise, zeigt sich, dass über die Hälfte (53 Prozent) der Umsätze über stationäre Reisebüros offline getätigt werden. Der Online-Anteil ist aber auch hier um fast drei Prozentpunkte auf jetzt 35 Prozent gestiegen. Anders ist es bei den selbst organisierten Reisen: Hier macht der Online-Anteil bereits über die Hälfte aus und wächst auch stärker.
Entscheidet man sich dafür, die anstehende Reise online zu buchen, sollte man sich alles gründlich durchlesen. „Kunden sollten unbedingt darauf achten, wo das Reiseunternehmen beheimatet ist, damit auch das EU-Reiserecht gilt", so Kerstin Heinen. Außerdem solle man sich vergewissern, was alles im Paket enthalten ist – ob zum Beispiel der Transfer zum Hotel auch dabei ist. Gerade dann, wenn man Last Minute bucht, kann es außerdem auch mal passieren, dass man bei der Suche nach der Reise das Traumhotel findet, aber der Flug dorthin gar nicht mehr verfügbar ist. Aufgrund des dann verlockenden Preises – da keine Flugkosten inkludiert sind – betätigt man dann natürlich besonders schnell den „Buchen"-Button, wenn man dieses überaus wichtige Detail übersehen hat.
Ist man lediglich auf der Suche nach einem Ferienhaus, gilt es auch einiges zu beachten. Schließt man hier einen Vertrag mit einer Privatperson ab? Welche Daten gibt man preis? Schenkt man Nutzern von Reiseforen Glauben, so ist es auch schon vorgekommen, dass man das Geld für die Miete eines Ferienhauses an jemanden überweist, der gar nicht der Eigentümer ist. Seit Sommer 2018 sind Ferienwohnungen übrigens von dem neuem EU-Pauschalreiserecht ausgenommen. Es bleiben jedoch die Mietrechte erhalten.
Ferienhäuser und -wohnungen kann man sich übrigens auch in jedem Reisebüro vom Fachmann buchen lassen. Das gleiche gilt für Mietwagen.
Um der Konkurrenz der Online-Buchungen entgegenzuhalten, setzen viele Büros auf intensive Social-Media-Aktivitäten, um Reisende anzusprechen. Auch wird vielerorts die Beratungsleistung ausgebaut, der Mehrwert vergrößert. „Es gibt auch immer mehr Reisebüros, die sich auf verschiedene Zielgruppen spezialisieren – zum Beispiel auf Familien mit Kindern und Alleinreisende mit Kindern –
oder aber auf bestimmte Reisearten oder Zielgebiete", so Kerstin Heinen. „Im Zeitalter der Digitalisierung versuchen immer mehr Reisebüros, den Kunden virtuell in den Urlaub ‚reisen‘ zu lassen, etwa mit Virtual-Reality-Brillen. So erleben die Kunden das Urlaubsfeeling schon vor Ort bei der Urlaubsbuchung."
Mitarbeiter sind selbst reiseerfahren
„Tendenziell", so Heinen, „buchen jüngere Reisende eher online, ältere eher im Reisebüro." Es sei hier eine Herausforderung für die Zukunft, die jüngeren Reisenden von dem Mehrwert der Buchungen im Reisebüro und den Vorteilen der Pauschalreise zu überzeugen. Gerade die jüngere Generation würde im Internet nach den günstigsten Fluggesellschaften und -zeiten und nach sehr preiswerten Hostels Ausschau halten und sich ihre Reise selbst zusammenstellen. „Hier sollten sie sich aber klar sein, dass die Absicherung deutlich geringer ist und häufig das Komplettpaket auch noch günstiger zu bekommen ist."
Wie sieht der Deutsche Reiseverband die Zukunft der Reisebüros? Kerstin Heinen: „Sicher! Reisebüros liefern definitiv einen Mehrwert. Momentan sieht man auch, dass diese beim Umsatz stärker zugelegt haben als der Online-Bereich, gerade was die Pauschalreise betrifft. Reisebüros leisten eine hervorragende Arbeit und sind eine große Hilfe in dem riesigen Angebot, das immer weiter wächst. Ich bin überzeugt, dass Reisebüros eine gute Zukunft haben."
Neben dem Mehrwert der Orientierungshilfe in dem fast unüberschaubaren Angebot und der intensiven Beratung können die Experten vor Ort ein maßgeschneidertes Angebot zusammenstellen, das auf die Ansprüche des Kunden an Gegend, Hotel und Zimmer sowie Freizeitplanung abgestimmt ist. Gerade, wenn man eine Reise in ein weit entferntes und fremdes Land buchen möchte, in dem man bisher noch nie war, sollte man sich besser in einem Reisebüro beraten lassen. Von der Auswahl des Reiseziels, der geeigneten Reisezeit, Vorbereitungen oder Länder- und Reiseinformationen – die Mitarbeiter sind selbst sehr reiseerfahren, können mit individuellen Informationen zu Urlaubszielen dienen und kosten dabei nicht mehr. Natürlich werden auch verschiedene Produkte und Preise verglichen, um das optimale Angebot zu finden. Die Stiftung Warentest hat Buchungen im Internet und Reisebüro verglichen und kommt zu dem Ergebnis, dass die Preise von klassischen Pauschalreisen sowohl im Reisebüro als auch im Internet gleich sind, der Kunde viel Zeit und Nerven spart, wenn er die Beratungsleistung von ausgebildeten Fachkräften in Anspruch nimmt und der unschlagbare Vorteil des Reisebüromitarbeiters die persönliche Beratung sei. Er liefere seinen Kunden wichtige und hilfreiche Zusatzinformationen – beispielsweise zu Einreisebestimmungen und zu medizinischen Vorschriften.
Wer auf Nummer sicher gehen möchte, kann auch vorab online nach Angeboten und präferierten Hotels schauen, sich diese ausdrucken und es sich dann offline nach einer kurzen oder längeren Beratung vom Fachmann buchen lassen.