Die Geschäftsführerin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Stefanie Brich, vertritt Belange der Buchbranche und organisiert gemeinsam mit einem Orgateam „erLesen!" die Literaturtage im Saarland.
Frau Brich, welche Ziele verfolgt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels?
Die wesentlichen Ziele sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Branche zu vertreten, dazu gehören die Buchpreisbindung oder urheberrechtliche Fragestellungen, Leseförderung sowie Öffentlichkeitsarbeit für das Buch zu garantieren. Und natürlich eine umfassende Beratung für unsere Mitglieder, inklusive Weiterbildung und Vernetzungsmöglichkeiten anzubieten.
Die Statistik der Gesellschaft für die Deutsche Konsumforschung sagt, dass der Verkauf des gedruckten Buches zurückgegangen ist. Wie stellt sich die Situation genau dar?
Der Börsenverein hat im vergangenen Jahr die Buchkäuferstudie veröffentlicht, die konkret benennt, dass wir in den letzten fünf Jahren knapp 6,5 Millionen Buchkäufer verloren haben. Wir werden oft gefragt, warum das nicht früher aufgefallen ist. Das liegt daran, dass der Umsatz relativ stabil geblieben ist, das heißt diejenigen, die nach wie vor Bücher gekauft haben, haben mehr Geld dafür ausgegeben. Deshalb ist erst recht spät aufgefallen, dass es Menschen gibt, die gar keine Bücher mehr kaufen und sich mit anderen Dingen, zum Beispiel mit Social Media, Netflix & Co., beschäftigen. Das betrifft übrigens nicht nur die jungen Leser, auch die Menschen zwischen 30 und 60 Jahren haben wir teilweise verloren.
Laut boersenblatt.net wurden im Jahr 2018 mehr E-Books in Deutschland, 32,8 Millionen, verkauft. Verlagert sich das Geschäft im Buchhandel? Gehört dem elektronischen Buch die Zukunft?
Die Frage ist pauschal schwer zu beantworten. Das E-Book entwickelt sich nicht so stark wie man zunächst gedacht hat. Im Publikumsmarkt hat das E-Book einen Anteil von fünf Prozent – der Anteil ist relativ klein und bleibt auch stabil. Der Anreiz ist auch nicht wirklich groß, weil das E-Book meist das gleiche kostet wie das gedruckte Buch. Das E-Book entwickelt sich im Wesentlichen im Bereich der Fachinformation – an Universitäten und an Schulen.
Derzeit trifft die Branche die Insolvenz der KNV-Gruppe. Der Buch- und Mediengroßhändler Koch, Neff & Volckmar hat Insolvenz angemeldet. Welche Auswirkung hat das auf die Buchbranche?
Das ist eine wirklich schockierende und überraschende Nachricht für uns gewesen. Wir sortieren uns diesbezüglich im Moment noch, weil völlig klar ist, dass wir dieses dritte Barsortiment unbedingt brauchen – neben KNV existiert noch Libri und Umbreit. Die Barsortimente sorgen dafür, das ist vielen nicht bekannt, dass man ein Buch von heute auf morgen in der Buchhandlung bestellen und abholen kann. Ein hochkomplexes System an Logistik sorgt dafür, dass das möglich ist. Diese Wettbewerbsbedingungen braucht der Buchhandel heutzutage unbedingt, um ebenso schnell zu sein wie Amazon.
Bücher werden in eigentümergeführten Buchhandlungen, bei Filialisten und auch in Zeitschriftenläden verkauft. Wie viele Einrichtungen vertreten Sie im Saarland?
Im Saarland haben wir gut 70 Buchhandlungen inklusive der Schreibwarenläden, die auch Bücher anbieten.
Wie geht es dem saarländischen Buchhandel? Welche Nöte plagen ihre Mitglieder?
Dem saarländischen Buchhandel geht es grundsätzlich nicht besser oder schlechter als dem Buchhandel deutschlandweit. Ich betreue drei Bundesländer, und wenn ich auf Zahlen und Entwicklung blicke, dann ist das Saarland erstaunlich stabil. Es existiert immer noch eine große Kundenloyalität, trotzdem gibt es diese bekannten Faktoren, die wir schon angesprochen haben. Was die Anzahl der Buchhandlungen und den Umsatz betrifft, haben wir relativ stabile Zahlen, wenn man die vergangenen fünf – nicht 20 Jahre – betrachtet, deshalb blicke ich zufrieden auf die saarländischen Buchhändler.
Ich glaube, es reicht heute nicht mehr, einen Büchertisch interessant aufzubauen. Meiner Beobachtung nach haben diese Tatsache viele Buchhändler – aber bei Weitem noch nicht alle – verstanden. Welche Wahrnehmung haben Sie?
Es gibt, wie in jeder Branche, viele, die am Puls der Zeit sind und Verschiedenes und Richtiges ausprobieren und erfolgreich dabei sind. Am Ende muss jeder Buchhändler für sich entscheiden, wie er sein Unternehmen führt, das gehört zu seiner unternehmerischen Kompetenz.
Die Frage ist rhetorisch-provokant: Wenn ich rund um die Uhr ein Buch im Netz bestellen kann, das am nächsten Tag im Briefkasten liegt, warum soll ich dann in die Buchhandlung vor Ort gehen?
Weil wir alle Kontakt brauchen. Und das betrifft nicht nur die Buchhandlung an sich. Ich hoffe nicht, dass wir bald nur noch alles online bestellen. Wir reden über Umwelt und Dieselfahrverbote, aber keiner macht sich Gedanken, was er mit Online-Bestellungen allein an Lieferverkehr auslöst. Der Buchhändler kommt über die Bücherwagendienste an ganz viele Bücher gleichzeitig dran, damit ist die Umwelt mit im Blick. Das würde ich auch gerne mehr in der Öffentlichkeit wertgeschätzt wissen.
Beständig trifft man dieselben Buchtitel und Verlage in Buchhandlungen an. Wie kommt das?
(Lacht ein bisschen, bevor sie antwortet) Das kommt daher, weil es durch Warenwirtschaftssysteme und Algorithmen die Klarheit gibt, welche Bücher wo Bestseller sind und welche wo von den Kunden gekauft werden. Es ist betriebswirtschaftlich richtig, sich auf die Bücher zu konzentrieren, von denen man weiß, dass sie nachgefragt werden. Es gibt Kooperationen und Vereinbarungen zwischen den Barsortimenten und den Buchhändlern, in denen man sich im Einkauf auf diese Titel konzentriert und besondere Konditionen dafür bekommt. Das heißt aber nicht, dass jeder Buchhändler nicht auch einen Anteil im Sortiment hat, den er individuell zusammenstellt – und das ist oft das Unterscheidungsmerkmal zwischen den Buchhandlungen.
Im Saarland existiert eine kleine Verlagsszene – am bekanntesten sind der Conte Verlag und der Geistkirch Verlag. Diese präsentiert sich bei der Leipziger Buchmesse auf einem Saar-Gemeinschaftsstand. Ist das eine geeignete Maßnahme, um den nicht auf die Saar-Region bezogenen Buchtiteln den Weg in den überregionalen Buchhandel zu ebnen, oder welche Chancen lassen sich mit der Teilnahme verknüpfen?
Es ist eine tolle Maßnahme, weil es genau diesen Effekt hat, so wie Sie es zusammengefasst haben. Die Verlage können sich außerhalb des Saarlandes präsentieren, sie sind sowohl mit Buchhändlern als auch Endkunden im Gespräch, die idealerweise danach die Bücher über den Handel beziehen oder vielleicht direkt beim Verlag bestellen. Leipzig ist dafür eine sehr passende Messe, weil Leipzig eine Publikumsmesse ist. Eingebettet in die Veranstaltungsreihe „Leipzig liest" ist der „Saarländische Abend", den das saarländische Ministerium für Bildung und Kultur gemeinsam mit den Verlegern ausrichtet, dadurch ist auch eine gute Wahrnehmung gewährleistet.
Zum zweiten Mal findet „ erLesen!" statt. Sie haben zusammen mit den saarländischen Buchhändlern und Verlegern die „Literaturtage im Saarland" ins Leben gerufen. Es werden rund 40 Veranstaltungen in Buchhandlungen, Bibliotheken und Kultureinrichtungen angeboten. Was kann der Interessierte vom diesjährigen „erLesen!" erwarten?
Ein buntgemischtes Programm mit bekannten und unbekannten Autoren. Der Buchhändler bestimmt das Programm und den Leseabend, den er anbietet. Ob Bestseller-, Krimi- oder regionale Autoren – es ist wirklich für jeden was dabei.
Bitte beschreiben Sie Ihre „ideale Buchhandlung"!
Das ist gar nicht so leicht, weil ich tatsächlich viele Buchhandlungen besuche, von denen mir viele sehr gut gefallen. Meine ideale Buchhandlung ist gut strukturiert und aufgeräumt, bietet eine einladende Atmosphäre mit Möglichkeiten, sich hinzusetzen und in vielen Büchern zu blättern. Ein nettes Team, das sozusagen den Kunden abholt, und ab und an in Ruhe lässt beim Stöbern. Das ist die Mischung, die es ausmacht. Wie die Buchhandlung am Ende optisch gestaltet ist, da bin ich nicht sehr festgefahren.