Dem Ökostrom gehört die Zukunft. Aber wie kommt er zum Verbraucher? „Wir müssen das Netz ausbauen", sagt Dr. Frank Golletz vom Netzbetreiber „50Hertz". Er verspricht, die Eingriffe in die Natur dabei so gering wie möglich zu halten.
Herr Golletz, Sie als Netzbetreiber stehen vor der Quadratur des Kreises: 50Hertz muss sein Netz für die Energiewende ausbauen, das aber bitte so naturschonend wie möglich. Wie gelingt das?
50Hertz ist in erster Linie ein technisches Unternehmen. Aber die Technik soll natürlich nachhaltig im Einklang mit Natur und Umwelt sein. Das ist uns wichtig, und das haben wir auch von Politik und Gesellschaft als Auftrag mit auf den Weg bekommen. Mit unserem Übertragungsnetz wollen wir die Energiewende ermöglichen und garantieren eine störungsfreie Stromversorgung. Dazu müssen wir unsere Transportkapazitäten natürlich erhöhen, denn es wird ja auch immer mehr Strom verbraucht. Dies geschieht zum einen durch das Optimieren und Verstärken der bestehenden Anlagen und zum anderen durch das Erweitern des Netzes. Dies geschieht so behutsam wie möglich mit dem Ziel der minimalen Beeinflussung von Natur und Umwelt.
Was wir doch aber brauchen, sind neue Stromtrassen, da wir zukünftig noch mehr Strom brauchen werden ...
Lassen Sie mich das mal als Praktiker sagen: Wir verfügen über einen umfangreichen Werkzeugkasten mit branchenüblichen sowie neuen, innovativen Technologien. So steuern wir beispielsweise mittels sogenannter Phasenschieber den Stromfluss in unseren Netzen. Damit kann die gleichmäßigere Auslastung unseres bestehenden Netzes gesteuert und Strom von hochbelasteten Leitungen auf weniger belastete Leitungen umgelenkt werden und so das Bestandsnetz optimaler ausgenutzt werden. Unser Werkzeugkasten beinhaltet auch, Strom mit höherer Spannung zu transportieren. Dadurch kann über vorhandene Korridore mehr Elektroenergie transportiert werden. In Sachsen-Anhalt haben wir gerade eine Pilotleitung errichtet, die es erlaubt, in dem Korridor einer 220-Kilovolt-Leitung eine 380-Kilovolt-Leitung unterzubringen, ohne zusätzliche Raumkapazitäten. Wir bauen also neue Leitungen vorausschauend. Ein Beispiel ist die öffentlich stark diskutierte Südwest-Kuppelleitung durch den Naturpark Thüringer Wald. Wir haben diese vergleichbar einer vierspurigen Autobahn ausgelegt. Derzeit sind quasi zwei Spuren freigegeben. Erhöht sich der Transportbedarf in den Süden Deutschlands weiter, erweitern wir die Südwest-Kuppelleitung ohne weiteren Eingriff in die Natur auf vier Spuren. Wir versehen dann die bestehenden Masten lediglich mit zusätzlichen Seilen.
Aber wenn ich neue Leitungen baue, dann lassen sich Eingriffe in die Natur nun einmal nicht ganz vermeiden, oder?
Wenn wir in die Natur eingreifen müssen, dann tun wir das so behutsam wie möglich. Und diese Eingriffe sind natürlich immer zu kompensieren. Um die richtigen Lösungen zu finden, brauchen wir die Unterstützung der Betroffenen vor Ort. Wir kennen die beste technische Lösung, die Betroffenen am besten die Örtlichkeiten mit ihren Besonderheiten. Dieses Wissen so zusammenzubringen, dass eine für alle akzeptable Lösung entsteht, ist unser Anspruch. Dazu suchen wir schon frühzeitig den Kontakt vor Ort, schicken zum Beispiel unser Dialog-Mobil auf Reisen und nehmen die Hinweise der betroffenen Bürger, aber auch der Naturschutzverbände in unsere Planungen mit auf. Daraus ergeben sich schließlich eine Vielzahl von Maßnahmen: vom Rückbau von Altgebäuden und Bodenentsiegelung über Ausgleichspflanzungen sowie Vogel- und Amphibienschutz bis hin zur Wiederherstellung ganzer Kulturlandschaften.
Wie weit ist denn Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier Ihnen eine Hilfe beim Netzausbau? Er hat dieses Thema ja ganz oben auf seiner Agenda.
Das ist natürlich immer hilfreich, wenn die Politik mithilft, so ein Thema umzusetzen. Ich denke da an die Netzreisen. Also an die Brennpunktstellen, wo es doch erheblichen Wiederstand gab, und da haben wir dann zusammen die Menschen aufgeklärt, was wir vorhaben. Und im Anschluss daran gab es dann wesentlich mehr Verständnis für das, was wir dort vorhaben. Also immer mit den Menschen eine gemeinsame Lösung suchen.
Wie kompliziert ist denn heute der Weg, eine neue Stromleitung zu bauen?
Wir als Netzbetreiber sind alle zwei Jahre gesetzlich verpflichtet, der Bundesnetzagentur mitzuteilen, welche Kapazitäten wir für die Zukunft absehen können. Also wir berechnen jetzt schon die Verbräuche in 2030. Da gibt uns dann die Bundesnetzagentur vor, welche Kraftwerke in gut zehn Jahren noch am Netz sein werden. Welche werden bis dahin abgeschaltet sein, weil sie einfach zu alt sind. Das hat also noch nichts mit dem Kohlausstieg zu tun, sondern jedes Kraftwerk hat seine Betriebszeit und das können wir schon so weit vorher einplanen, und danach beantragen wir dann die neuen Stromtrassen. Diese werden dann vor Ort abgesprochen. Die Bundesnetzagentur gibt dann einen Masterplan für die neuen Leitungen raus, und der Gesetzgeber macht dann daraus den Bundesbedarfsplan. Wir beantragen dann den Bau bei den örtlichen Behörden. Also Sie sehen schon: Das ist ein aufwendiges Verfahren, das alle Seiten auch hört und so nicht über die Köpfe hinweg entscheidet.
Können Sie denn heute schon sagen, welche Kraftwerke in zehn Jahren vom Netz gehen?
Ja natürlich, jedes Großkraftwerk hat eine bestimmte Lebensdauer und muss dann irgendwann vom Netz, weil es zum Beispiel nicht mehr effektiv genug ist. Die Länder haben ja ganz bestimmte Planungen, wie viel regenerative Energie sie in den kommenden Jahren ins Netz stellen wollen, und dann haben wir ja schon einen gut überschaubaubaren Mix. Zugegeben, momentan ist es noch nicht ganz klar, wo welche Gaskraftwerke an Netz gehen werden. Das ist so ein bisschen wie in die Glaskugel schauen, aber das wird ja dann in den kommenden Jahren klar werden. Die können wir dann immer noch dazu planen.
Haben Sie denn da jetzt schon den Kohleausstieg mit in Ihrer Rechnung drin?
Nein, das können wir noch überhaupt gar nicht absehen. Da geht es ja bis jetzt nur um große Summen für die Renaturierung, Rückbau, neue Arbeitsplätze und vor allem um den Bau von Ersatzkraftwerken. Wir können natürlich grob absehen, welche Kohlekraftwerke eh altersbedingt in den kommenden 15 Jahren vom Netz gehen werden. Aber wann genau welche Kraftwerke abgeschaltet werden, das steht noch in den Sternen, dazu bedarf es dann auch einer genauen Planung durch die Betreiber. Aber wir sind auch ganz glücklich darüber, dass die Energiewende nun doch noch schneller kommt als vorgesehen. Wir als Netzbetreiber sind auf jeden Fall vorbereitet.