Als der Jazz-Pianist und Sänger Nat King Cole aus der South Side von Chicago 1965 viel zu früh verstarb, hinterließ er ein generationsübergreifendes musikalisches Vermächtnis. Eine Erinnerung zum 100. Geburtstag.
Dass er einmal als Sänger weltberühmt werden würde, hätte sich Nathaniel Adams Cole in seinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt, als er mit 15 Jahren die Highschool verließ, um Jazz-Pianist zu werden. Ein zweiter Earl Hines wollte er sein, den Bandleader Count Basie seinerzeit den besten Jazz-Pianisten der Welt nannte. Bereits mit vier Jahren erhielt der Sohn eines Baptistenpredigers Klavier- und Orgelunterricht, und im Alter von zwölf Jahren spielte er Jazz, Gospel und Klassik von Bach bis Rachmaninow. Der Jungmusiker gründete seine erste Jazz-Band, die Royal Dukes, und tingelte zwei Jahre später mit der Band seines Bruders, den Eddie Cole’s Swingsters, durch die Staaten, blieb in Los Angeles hängen und heiratete die zehn Jahre ältere Tänzerin Nadine Robinson. Fortan spielte Nat in Nachtclubs Klavier und gründete zusammen mit Bassist Wesley Prince und Gitarist Oscar Moore das King Cole Trio.
Der Legende nach forderte ihn ein betrunkener Stammgast eines Abends auf, das Lied „Sweet Lorraine" zu singen. Er sang, die Gäste mochten seine samtig-dunkle Stimme, und der Sänger Nat King Cole war geboren. Er selbst fand nicht, dass er zum Sänger taugte. Auch dann nicht, als das Trio wenig später seinen ersten Plattenvertrag unterschrieb. Die Band spielte zwar weiterhin Jazz in Clubs, nahm in den Tonstudios aber populäre Songs auf. 1943 verwandelte Cole eine Predigt seines Vaters in den Song „Straighten Up And Fly Right", der zum ersten Plattenhit des Trios wurde. Mit „The Christmas Song", der unter seiner ersten Zeile „Chestnuts Roasting on an Open Fire" bekannt wurde, gelang ihnen 1946 eines der beliebtesten Weihnachtslieder der Musikgeschichte.
Die Bekanntheit half nicht gegen Vorurteile
Im selben Jahr, im November, landete Nat King Cole mit „I Love You For Sentimental Reasons" seinen ersten Nummer-eins-Hit und war damit 25 Wochen in den Charts. International bekannt wurde er 1948 mit dem Song „Nature Boy", der acht Wochen lang auf Platz eins der nationalen Charts stand.
Innerhalb weniger Jahre avancierte er zum Superstar, dessen Platten sich rund um den Erdball millionenfach verkauften. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere bekam Cole 1956 als erster schwarzer Entertainer in den USA seine eigene Fernsehshow, in der Stars wie Ella Fitzgerald, Peggy Lee, Harry Belafonte, Eartha Kitt, Frankie Laine und Tony Bennett auftraten. Die Sendung floppte, denn NBC hatte nicht mit der Reaktion des weißen Publikums gerechnet, das für einen schwarzen Showmaster in Zeiten der Rassentrennung noch nicht bereit war. Die Sendung wurde nach nur einem Jahr, am 17. Dezember 1957, wieder abgesetzt, nachdem der Fernsehsender trotz aller Bemühungen keine nationalen Sponsoren gefunden hatte. Kein Unternehmen wollte seine Marke mit einem Afroamerikaner in Verbindung bringen. Die Schallplatten eines Schwarzen zu kaufen, war eine Sache. Ihm aber landesweit auf dem Bildschirm dabei zuzusehen, wie er sich mit weißen Sängern auf Augenhöhe unterhält und mit ihnen zusammen Musik macht, ging dem weißen Publikum dann doch zu weit.
Dabei hatte Cole so viele Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, um die Zuschauer nicht zu erzürnen. Wie sonst unter Kollegen üblich, umarmte er seine weißen Gäste nicht zur Begrüßung, auch zum Handschlag kam es nicht. Als er mit Peggy Lee ein Duett sang, stellte er einen Stuhl zwischen sich und sie, damit es zu keiner zufälligen Berührung kam. Im Jahr, bevor die Show an den Start ging, wurde in Chicago ein 14-jähriger Schwarzer ermordet, nur weil er mit einer Weißen gesprochen hatte. Cole selbst wurde 1956 in Birmingham, Alabama, während eines Konzerts auf der Bühne von Rassisten angegriffen und brach das Konzert ab. Der Staat Alabama, wo er geboren wurde, den er aber als Kleinkind verließ, sah ihn Zeit seines Lebens nie wieder. Nach dem Angriff sagte er: „Ich verstehe das nicht. Ich habe weder an Protesten teilgenommen, noch bin ich Mitglied einer Organisation, die Rassentrennung bekämpft. Welchen Grund hatten sie, mich anzugreifen?"
Dass er in den Südstaaten vor ausschließlich weißem Publikum auftrat – den Schwarzen war der Zutritt verwehrt –, nahm ihm die Bürgerrechtsorganisation NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) übel. Sie nannten ihn „Onkel Tom" und rieten ihm, Banjo zu spielen. Die afroamerikanische Wochenzeitung „The Chicago Defender" schrieb: Coles Auftritte vor weißem Publikum im Süden sind eine Beleidigung für seine Rasse", und in der Zeitschrift „The American Negro" hieß es: „Onkel Nat’s Platten zu spielen, unterstützt nur seine verräterischen Ideen und sein engstirniges Denken."
Eheliche Treue war nicht so sehr Coles Sache
Die Kritik in der schwarzen Presse verletzte Cole so tief, dass er an keinem Veranstaltungsort mehr auftrat, der Rassentrennung vorschrieb, und der NAACP beitrat. Aktiv betätigte er sich jedoch nicht. Seine Mitgliedschaft beschränkte sich auf finanzielle Unterstützung. Er wollte einfach nur das machen, was er am besten konnte: Musik. Als 1959 der Musikpreis „Grammy Awards" erstmals vergeben wurde, war Cole mit „Midnight Flyer" unter den Preisträgern.
Mit seiner samtigen Stimme versetzte Nat King Cole seine Zuhörer in einen Schwebezustand, und Frauen umschwärmten ihn wie Motten das Licht. Im seinerzeit angesagten Nachtclub „Café Zanzibar" in New York sah er 1948 Maria Hawkins Ellington auf der Bühne, verliebte sich Hals über Kopf in sie und ließ sich von Ehefrau Nadine scheiden. Sechs Tage nach der Scheidung heiratete er die Jazz-Sängerin in Harlem. 1950 kam Tochter Natalie zur Welt, die später mit mehr als 30 Millionen verkauften Platten zu den erfolgreichsten R&B-Sängerinnen zählte. Die Ehe mit Maria galt zwar als eine der glücklichsten im Showbusiness, aber auf Tourneen nahm es Cole mit der ehelichen Treue nicht so genau. Maria schwieg. Sie war sich sicher, dass diese gelegentlichen Affären ihre Ehe nicht zerstören konnten.
Bis er im September 1964 die Schwedin Gunilla Hutton traf, damals Background-Sängerin. Sie war 19, er 45. Er dachte an Scheidung. Maria tobte, zerkratzte ihm im Streit das Gesicht. Zur Scheidung kam es nicht, denn Cole wurde nur wenige Wochen später krank. Er verlor plötzlich an Gewicht, klagte über Rückenschmerzen und brach nach einem Konzert in Las Vegas zusammen. Einen Arzt konsultierte er nicht, denn in San Francisco erwartete man ihn zu Plattenaufnahmen. Als er sich im Dezember endlich untersuchen ließ, stellten die Ärzte bei dem starken Raucher Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium fest. Sie gaben ihm zwei bis drei Monate. Dass die gesamte linke Lunge entfernt wurde, änderte daran nichts.
Aufnahme in Rock and Roll Hall of Fame
Cole durfte über Neujahr das Krankenhaus verlassen, beendete die Beziehung zu Gunilla und versöhnte sich mit Maria. Er starb am 15. Februar 1965, einen Monat vor seinem 46. Geburtstag. Zu seiner Beerdigung kamen alle Showgrößen jener Zeit. Zu den Sargträgern gehörten Robert Kennedy, Frank Sinatra, Sammy Davis jr. und Count Basie. Kurz vor seinem Tod erschien Coles trotz starker Schmerzen im Dezember 1964 aufgenommenes Album „Love", das im Frühjahr die Spitze der Charts erreichte.
Nach seinem Tod wurden „Amerikas schwarzem Sinatra" zahlreiche Ehrungen zuteil. Er wurde in die Alabama Music Hall of Fame und die Alabama Jazz Hall of Fame aufgenommen, erhielt 1990 den Grammy für sein Lebenswerk. 1994 brachte die US-Post eine Briefmarke mit seinem Konterfei heraus, und 2000 wurde er in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Natalie Cole nahm 1991 den Song ihres Vaters „Unforgettable" für ein Tribute-Album neu auf, versetzte ihn mit ihrem eigenen Gesang, sodass es klingt, als sänge sie mit ihm im Duett. Dafür erntete sie sieben Grammys.