Sein Bundestagsmandat verdankt er einer parteiinternen Kampfabstimmung. Christian Wirth über Personalquerelen, Parteispenden und das angespannte Verhältnis zum saarländischen AfD-Landesverband.
Herr Dr. Wirth, bereits seit anderthalb Jahren sind sie im Bundestag, seit einem Jahr können sie aber erst richtig ihre Oppositionsarbeit machen, ihr Fazit?
Na ich denke, das ist eine absolut gelungene Opposition und es ist natürlich eine Bereicherung für das demokratische System. Denn wir haben ja ordentlich Bewegung reingebracht in den Bundestag. Das sicherlich zum Ärger der anderen Parteien, aber es wird wieder hart diskutiert im Bundestag, die Zeiten des großen Dauerkonsenses sind vorbei. Also wir haben hier was bewirkt.
Wie ist denn der Umgang im Parlament mit Ihrer Fraktion?
Das machen sich die Mitglieder der anderen Parteien, aber auch ihre Mitarbeiter, nicht ganz einfach, ich würde sagen, teilweise ist das Miteinander sehr ruppig. Zum Beispiel geht man mit uns nicht zusammen in einen Fahrstuhl. Teilweise ist es so, wir steigen mit dazu, dann steigen die anderen wieder aus dem Fahrstuhl aus. Nur um nicht in die Verlegenheit zum Gespräch mit uns zu kommen. Wenn die Mandatsträger von gegenüber in der Rotte kommen, dann wird auch nicht gegrüßt, obwohl man eigentlich im Ausschuss ganz gut zusammenarbeitet. Also, man tut sich schwer mit uns. Allein auf dem Gang sprechen Mitglieder anderer Fraktionen mit mir, aber sind andere dabei, ist man sehr um Distanz bemüht.
Ihre Fraktion hat sich ja verkleinert, Angefangen haben sie mit 94, jetzt sind es noch 91. Haben Sie für die Abtrünnigen Verständnis?
Bei Frau Petry ist und bleibt es für mich Betrug am Wähler, was sie gemacht hat. Direkt nach dem Wahltag die Fraktion zu verlassen, dass hätte sie auch schon vor der Wahl machen können. So ein Entschluss kommt ja nicht über Nacht. Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis und ich denke, das wird sich jetzt bei der anstehenden Landtagswahl in Sachsen auch rächen. In der Folge gab es einen weiteren Austritt aus unserer Fraktion aus Solidarität mit Petry. Bei Uwe Kamann glaube ich eher an ganz persönliche und weniger politische Beweggründe. Der Kamann ist ein sehr eigener Geist; Digitalexperte, Unternehmer, sehr vermögend, wurde übrigens als Experte parteiübergreifend sehr geschätzt. Ich glaube, der ist mit der ganzen Fraktionsdisziplin nicht klargekommen, ja – ein eigener Geist. Schade, dass er uns verlassen hat.
Wie weit hat Frauke Petry mit ihrem Austritt der AfD-Fraktion geschadet?
Also ich spreche jetzt für die Fraktion, da war es für uns gut, dass sie gleich zu Anfang gegangen ist, sie konnte damit bei uns nicht weiter für Unruhe sorgen. Natürlich war Frauke Petry ein politisches Ausnahmetalent, das sich aber schon im Bundestagswahlkampf 2017 immer mehr verrannt hat. Für mein Gefühl hatte sie ganz schlechte Berater. Denn wenn ich eine Strömung in einer Partei bekämpfen will, kann ich das nur als Mitglied dieser Partei machen und nicht von außen.
Ein weiterer Verlust für die AfD als Partei zeichnet sich ab, Alexander Gauland will den Parteivorsitz abgeben, haben Sie schon einen Nachfolger im Blick?
(lacht) Nein, da kann ich Ihnen keinen potenziellen Nachfolger nennen. Da gibt es sowohl in der Fraktion, als auch bei uns in der Partei noch einige Talente die sich dann zum gegebenen Zeitpunkt zu Wort melden werden. Aber ich kaufe ihm das auch noch nicht ganz so ab, dass er sich vom Parteivorsitz zurückziehen will. Als Fraktionsvorsitzender bleibt er ja auf jeden Fall bei uns. Aber in dem Alter muss sich dann natürlich die Partei darauf vorbereiten, dass sich ein Alexander Gauland mal zurückzieht.
Weiteres aktuelles Thema in der AfD: die Parteispende von Fraktionschefin Alice Weidel. Wer hat da den größeren Schaden, die Fraktion oder Weidel selbst?
Ich bitte da um Verständnis, ich kenne den Vorgang um diese Spende weitestgehend auch nur aus den Medien. So eine Spendendebatte, um es mal mit der nötigen Zurückhaltung zu formulieren, ist nie gut für die Partei. Und Alice Weidel leidet natürlich persönlich darunter, aber das gehört selbstverständlich aufgeklärt. Soweit ich das überblicke, scheint das ja auch ein Streit zwischen Alice Weidel und ihrem Landesverband zu sein …
… und mit dem eigenen Landesverband liegt mal ja schneller im Clinch als einem lieb ist, das wissen Sie ja nur zu gut.
Da kann ich ganz bestimmt ein Lied davon singen. Das Wichtigste vorweg: Eine Schlichtung dieses Streites ist auch weiterhin nicht in Sicht. Der Landesvorstand an der Saar lehnt weiterhin die Zusammenarbeit mit mir als Bundestagsabgeordneten ab.
Eigentlich sollten Sie als saarländischer Bundestagsabgeordneter auch Bindeglied zur Bundespartei sein.
Ja, nicht nur das, sondern ich bringe auch die saarländischen Belange aus AfD-Sicht hier im Bundestag auf die Tagesordnung, wie zum Beispiel beim Diesel oder die Angleichung der Lebensverhältnisse. Aber das interessiert den Landesverband nicht, der kocht weiter sein eigenes Süppchen.
Worum geht es denn in diesem Streit genau?
Ich bin ja über den Listenplatz 1 in den Bundestag gekommen, und dieser Listenplatz war eigentlich dem Sohn des AfD-Landesvorsitzenden Josef Dörr, Michel Dörr, versprochen, der sollte eigentlich jetzt hier sitzen. Da hat der Landesparteitag nicht mitgespielt, und das will der AfD-Saarlandchef Josef Dörr nun nicht wahrhaben. Das spricht übrigens auch Bände über das Demokratieverständnis von Dörr. Dieser ist nun damit beschäftigt, mich zu demontieren.
Aber warum zieht dann nicht der Bundesverband einen Schlussstrich unter die Querelen?
Das ist nicht so einfach, denn der Bundesvorstand ist ein demokratisches Gremium, und dann gibt es noch das Parteischiedsgericht. Wir unterliegen halt auch dem Parteiengesetz, da kann nicht jeder machen, wie er will. Aber der Bundesvorstand ist da dran, aber das wird nicht einfach.
Also keine Lösung in Sicht?
Momentan nicht, denn der Bundesvorstand hat ja schon mal vor zwei Jahren versucht, den Landesverband aufzulösen, das ist ja gründlich schiefgegangen. Da wurde ja mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Seitdem ist der Bundesvorstand diesbezüglich sehr vorsichtig geworden. Das sehen Sie ja auch bei den angestrebten Parteiausschlussverfahren. In meinem Fall ist das für mich sicherlich sehr ärgerlich, aber andererseits müssen wir uns diesen Instrumenten auch beugen.
Aber das heißt doch, auch wenn Dörr nicht mehr Parteichef wäre, die Familien-Clique bleibt. Dann kommt Rudolf Müller als neuer Vorsitzender?
Ja klar, die Pflöcke sind bei der Saar-AfD jetzt gesetzt, auch wenn der alte Dörr weg ist, ist da noch Rudolf Müller, und dann kommt Dieter Müller und der Sohn von Dörr, nicht zu vergessen. Also unseren Landesverband zu drehen, aus ihm eine agile Truppe zu machen, die tatsächlich auch Themen besetzt, ist so schnell nicht möglich. Schauen Sie sich unsere Parteitage an, da fehlt komplett der Mittelbau, Mitglieder zwischen 30 und 50, von der Jugend ganz zu schweigen …
… und irgendwelchen Inhalten …
Ich habe auf unseren Parteitagen auch noch keine Inhalte feststellen können. Aber wenn Sie als Parteivorsitzender ausschließlich mit Machtklempnerei in eigener Sache beschäftigt sind, dann haben Sie auch keine Zeit für Inhalte. Für mich ist das Bittere daran: Das wird auf längere Sicht auch noch so bleiben, es sei denn, es geschieht ein Wunder. Da geht es auch gar nicht so sehr um mein Bundestagsmandat, sondern vielmehr darum, dass die AfD an der Saar, so, wie sie jetzt da aufgestellt ist, in der Bedeutungslosigkeit verschwinden wird.
Jeder Mensch hat seine Schmerzgrenze, wo liegt Ihre?
Ja, meine Schmerzgrenze wird hier auf eine harte Probe gestellt, aber ich mache hier im Bundestag meine Arbeit und ich bekomme gute Rückmeldungen von den konstruktiven Kräften in der Heimat. Darum bin ich auch nicht bereit, hinzuschmeißen, dafür bin ich nicht gewählt worden.