Selten herrschte in puncto Trendmaterial der Saison so viel Einigkeit wie beim derzeit mega-angesagten Lackleder, das auch in der PVC-Billigversion viel Anklang findet. Neben Hosen und Röcken sind vor allem auch Mäntel aus Vinyl oder Patent Leather absolute Designer-Lieblinge.
Mag sein, dass es reiner Zufall war, dass der Aufstieg des Lackleders in der Fashion-Welt etwa zeitgleich mit dem Anlaufen des Erotik-Mega-Blockbusters „Fifty Shades of Grey" begann. Es kann aber auch sein, dass der lange verpönte Domina-Look durch den Erfolg des Streifens auf den internationalen Laufstegen plötzlich salonfähig wurde und dadurch sein Schmuddel- oder Rotlicht-Image in Windeseile abstreifen konnte. Jedenfalls wird inzwischen kaum mehr an den einstmals schlechten, mehr als zwielichtigen Ruf des Materials erinnert. Das war 2016 erstmals wieder seit den 80er-Jahren in den Kollektionen renommierter Labels wie Anthony Vaccarello, Louis Vuitton oder Isabel Marant aufgetaucht und konnte dank Promi-Ladys wie Alexa Chung bald darauf auch schon den Streetstyle sowie die Blogger-Community erobern.
Schon 2016 war der aus dem Beauty-Bereich bekannte Glossing-Effekt nicht nur auf Hosen oder Röcken zu bewundern, sondern Proenza Schouler, Burberry, Tod’s oder Nina Ricci hatten auch schon Lackmäntel in ihrem damaligen Sortiment. Grund genug für das Magazin „Elle", ihren Leserinnen Folgendes zu prognostizieren: „Diesen Mantel werden bald alle tragen." Frau brauchte sich nur noch für die Variante Glanz- oder Mattlack des ursprünglich als Regenmantel konzipierten Coats entscheiden, der inzwischen auch bei Sonnenschein liebend gern getragen wird. Auffällig war damals schon, dass die Lackleder-Teile nicht mehr nur in klassischem Schwarz daherkamen, sondern dass auch Knallfarben wie ein leuchtendes Rot von den Designern präferiert wurden.
Mode mit Glossing-Effekt
2017 wurde der Lackleder-Trenchcoat von Medien wie der „Elle" oder dem Fashion-Onlineportal whoismocca.com zum It-Piece des Jahres und zum Favoriten aller Trendsetterinnen ausgerufen. „Das Fetisch-Image ist dahin", befand die „Elle", „nur ein Hauch von Rockstar-Attitüde begleitet die neuen Trenchcoat-Lieblinge." Das Magazin „InStyle" kürte den Vinyl-Mantel unter Hinweis auf Star-Influencerinnen wie Caro Daur (in Burberry), Maria Barteczko oder Yoyo Cao dann im Sommer 2018 zum absoluten Must-have, das dem Friesennerz von der Nordsee den Rang abgelaufen habe. Nun hat die französische „Vogue" gleich fünf Lackleder-Trenches unter die 20 angesagtesten Mäntel der Saison aufgenommen ‒ und zwar die Vinyl-Coats von Ellery, Mugler, Christopher Kane, Sies Marjan und Rains. „Harper’s Bazaar" feierte die Lack-Ledermäntel, über die Trench-Variante hinaus. Auf den Laufstegen war nicht nur die Military-Mantelausgabe in glänzendem Lack zu sehen, sondern auch so gut wie alle Coat-Versionen aus Vinyl vertreten. Simone Rocha oder Mary Katrantzou tauchten ihre Mäntel in Pastellfarben, ein Highlight fraglos der olivgrüne Mac von Simone Rocha, Fendi kombinierte Lackleder mit Logomania, Versace mixte Vinyl mit Punk. Ein Eyecatcher waren auch die Lackleder-Mäntel von Victoria Beckham, Marni, Jeremy Scott oder Miu Miu. Natürlich hatten die Designer das Material Lackleder nicht nur zur Gestaltung neuer Mäntel verwendet, sondern Christopher Kane, Simone Rocha, Tod’s, Off-White oder Fendi haben auch glänzende Hosen, Jacken oder Röcke aus Vinyl in ihren Kollektionen.
Billiges sieht oft auch so aus
Wer sich über die hohen Preise der Mäntel wundern mag, weil bei den Modeketten längst preiswerte Teile angeboten werden, sollte jedoch bedenken: Beim Lackleder, das im Fashion-Jargon häufig als Vinyl bezeichnet wird, besteht der Trägerstoff aus echtem Leder (meist vom Kalb oder Rind, aber auch schon mal vom Pferd), das nach Vortönen mit Anilinfarben mit einer Lackschicht auf Polyurethan-Basis beschichtet oder überzogen ist. Die Lackschicht kann auch in Form einer Folie aufgebracht werden. Die Naturmerkmale des Leders, beispielsweise die Narben, sind dank der Lackschicht nicht mehr zu erkennen, die Oberfläche ist spiegelglatt und hochglänzend. Lackleder ist wasserdicht, relativ rissfest, vergleichsweise unempfindlich gegen Schmutz und lässt sich zudem leicht reinigen. Das Material ist fest und formstabil, aber nicht elastisch. Ein kleiner Nachteil ist die Luftundurchlässigkeit, was bei steigenden Temperaturen schnell zu Schweißausbrüchen führen kann. Erfunden wurde es im Jahr 1818 von einem Herren namens Seth Boyden aus Newark in New Jersey. Die Billigteile in Lackleder-Optik sind hingegen nur aus PVC, sprich Kunstleder gearbeitet.
Beim Styling ist zu beachten, dass der Vinyl-Mantel oder ein anderes Lackleder-Teil allein schon genug Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Da gilt es, das übrige Outfit möglichst dezent-zurückhaltend zu gestalten. Auf der sicheren Seite ist frau mit schlichten Basics wie Baumwoll-Shirts, Sweatern, Blusen, Strickpullovern, Longblazern, Jeans oder Booties als Kombipartner. Overknees oder himmelstürmende Heels sind hingegen mehr als bedenklich.