Versinken in Bergen von Restmüll? Damit das nicht passiert, richtete Deutschland Anfang der 90er-Jahre das Duale System ein und verpflichtete die Wirtschaft zum Mitmachen. Seitdem gehen Verpackungen in Richtung Recycling. Eine gute Idee. Aber auch ein umkämpfter Markt mit ganz eigenen Tücken.
Es war ein wenig schmeichelhafter Vergleich, den die Kollegen vom „Wertstoffblog" anbrachten: Über mehrere Monate hinweg hatten sie sich intensiv mit dem Dualen System auseinandergesetzt, das eigentlich im Auftrag des Handels und der Hersteller die Entsorgung von Verpackungsabfall in Deutschland organisieren soll. Das Duale System erinnere jedoch an einen Zombie, so die Experten. Es habe von Anfang an erhebliche finanzielle und strukturelle Probleme gehabt. Die Geschichte des dualen Systems sei „eine Geschichte von Monopol, Krisen, Versagen, drohender Insolvenz, Finanzinvestoren und vielem mehr", heißt es auf der Internetseite. Will heißen: Die Idee war vielleicht nicht schlecht, doch an der Umsetzung hapert es noch. Momentan geistere das Duale System eher wie ein Untoter in der Welt herum, seiner Seele beraubt.
Mit der 1991 in Kraft getretenen Verpackungsverordnung war die Wirtschaft erstmals verpflichtet worden, die von ihr in Umlauf gebrachten Verpackungen nach Gebrauch zurückzunehmen und einer ordentlichen Verwertung zuzuführen. Bis dahin waren ausschließlich die Gemeinden für die Abfallentsorgung zuständig. Nun also gab es daneben ein zweites (daher der Name „dual"), privatwirtschaftlich organisiertes Entsorgungssystem.
Privates System gegen Müllchaos
Der Hintergrund für dessen Einrichtung war schiere Not. Deutschland drohte Anfang der 90er-Jahre im Müll zu versinken. Auch die Einführung eines PET-Mehrwegflaschensystems 1988 hatte daran nicht viel geändert. Vor allem zu viele Verpackungen landeten auf der Mülldeponie oder in Müllverbrennungsanlagen. Das Duale System sollte diesen Missstand beenden, wobei die Rechnung zu Beginn nicht aufgehen konnte: Die Kapazitäten für die Verwertung reichten zunächst bei Weitem nicht aus. Erst mit der Zeit stiegen diese deutlich an und mit ihnen schrittweise auch die Verwertungsquote wichtiger Rohstoffe. In dieser Hinsicht ist das Duale System durchaus eine Erfolgsgeschichte.
Weil es wenig praktikabel schien, dass jedes Unternehmen seine Verpackungen individuell zurücknimmt, wurde diese Aufgabe stattdessen von privaten Anbietern übernommen, die eine kollektive Sammlung organisierten. Lange Zeit war die GmbH „Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland (DSD)" der einzige Anbieter und Monopolist, ehe 2003 auch andere Anbieter zugelassen wurden. Das Berliner Unternehmen Alba Group beispielsweise ist mit seiner Kölner Tochterfirma Interseroh am Dualen System beteiligt. Insgesamt sind in Deutschland derzeit neun Unternehmen in diesem Segment tätig, wobei DSD nach wie vor Marktführer ist.
Generell wird Wiederverwertbares nach Abfallart getrennt gesammelt: Altglas in öffentlichen Containern, Altpapier überwiegend über Altpapiertonnen, Leichtverpackungen aus Kunststoffen und Metallen sowie Getränkekartons in der gelben Tonne oder dem gelben Sack. Ursprünglich mussten Verpackungen, die am Dualen System teilnahmen, gekennzeichnet sein. Seit 2009 besteht diese Kennzeichnungspflicht nicht mehr, da seither alle für Privathaushalte gedachten Verkaufsverpackungen am Dualen System teilnehmen müssen. Zugleich entfiel damit endgültig die Möglichkeit für Hersteller, die Verpackungen selbst zurückzunehmen.
Viele Verpackungen sind aber nach wie vor gekennzeichnet – das wohl bekannteste Symbol ist dabei weiterhin der Grüne Punkt. Unternehmen, die diese Marke für ihre Produkte nutzen wollen, müssen dafür Lizenzgebühren an DSD abführen – und tun das aus Imagegründen oft sogar dann, wenn sie gar keinen Entsorgungsvertrag mit DSD abgeschlossen haben, sondern mit einer anderen Firma.
Der Markt ist derzeit allerdings im Umbruch. So plant etwa die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) ein eigenes Duales System, das ab 2020 in allen 16 Bundesländern tätig werden soll. Zudem hat im vergangenen Jahr der Remondis-Konzern DSD übernommen, was einiges an Kritik hervorrief. Dazu muss man wissen, dass DSD seinen Kunden zwar Verträge zur Nutzung der Marke Der Grüne Punkt sowie einen Vertrag zur Beteiligung der Verkaufsverpackungen am Dualen System anbietet. Das operative Geschäft, also die tatsächliche Sammlung verbunden mit Transport und Sortierung der Verpackungen, übernehmen in der Regel jedoch private und kommunale Entsorgungsbetriebe. Die Gefahr besteht nun, dass sich Remondis als neuer Eigentümer von DSD diese Aufträge quasi selbst vergibt und nicht unbedingt das günstige Angebot den Zuschlag erhält. Die mögliche Folge wären steigende Lizenzgebühren für Handel und Wirtschaft. Und als Resultat die höheren Kosten für die Verbraucher.
Viele Firmen schummeln bei der Müllmenge
Schon jetzt werden die Gebühren für die verpflichtende Teilnahme am Dualen System in der Regel auf den Preis draufgeschlagen und damit an den Endverbraucher weitergegeben. Er bezahlt damit bereits beim Einkauf für die Entsorgung der Verpackung, deren Trennung er selbst übernimmt – dafür werden später wenigstens keine Gebühren mehr für die Abholung des Verpackungsmülls fällig. Auf knapp 13 Euro belaufen sich diese jährlichen Kosten im Schnitt, die damit nur noch halb so hoch liegen wie früher: Eine Folge des Wettbewerbs und größerer Effizienz im Dualen System.
Das heißt aber nicht, dass in der Umsetzung alles perfekt liefe. Probleme gibt es einige. So rechnen einige Unternehmen ihre Müllmenge klein, um Gebühren zu sparen – was dazu führt, dass auf einmal mehr Müll vorhanden ist, als bezahlt wurde. In der Vergangenheit gab es so immer wieder Engpässe in den Etats der Entsorger. Anfang des Jahres wurde deswegen eine „Zentrale Stelle Verpackungsregister" eingeführt, die nun die Registrierungs- und Meldedaten überprüft. Ein weiterer Knackpunkt sind Trittbrettfahrer, die sich gar nicht angemeldet haben: Hersteller, die ihre Verpackungen nicht lizenzieren, obwohl diese dann wie alle anderen in der gelben Tonne landen. Und es gibt auch noch die andere Seite, die der Haushalte: Auch da hakt es noch, denn immer noch landen zu viele Verpackungen eben nicht wie vorgesehen in der gelben Tonne, sondern stattdessen im Restmüll. Viele Verbraucher tun sich eben mit dem System nach wie vor schwer. Das könnte man teilweise wohl mit noch mehr Information aushebeln – oder indem man schon viel weiter vorne ansetzt als bei den diversen Sammeltonnen: Ökologisch am sinnvollsten wäre es ohnehin, künftig weitgehend auf Verpackungen zu verzichten.