Vor einem Jahr haben sich die Künstlerinnen Varvara Kandaurova und Ada Fitz kaum gekannt. Jetzt präsentieren die beiden Wahlsaarländerinnen ihre erste gemeinsame Ausstellung in Saarbrücken.
Einen Prominenten vor die Kamera zu bekommen ist eine Sache. Ihn davon zu überzeugen, hüllenlos vor die Linse zu treten, eine ganz andere. „Erschwerend hinzu kam natürlich auch, dass wir zwei weibliche Künstlerinnen sind und unsere angefragten Promis allesamt Männer waren", sprudelt es aus Ada Fitz heraus. „Aber auch, dass wir unser Ausstellungskonzept geheim halten wollten", ergänzt Varvara Kandaurova, „wegen des Überraschungseffekts."
Tatsächlich haben die beiden Wahlsaarländerinnen über ihre angedachte Ausstellung „The essence of men" kaum etwas an die Öffentlichkeit getragen. Nur so viel, dass sie Promis aus dem Saarland porträtieren möchten, zum Teil gänzlich unbekleidet. Diesen ersten Part übernahm Varvara. Anschließend begann die Arbeit von Ada. Mit Tusche zeichnete die studierte Kommunikationsdesignerin und Tattoo-Virtuosin – die gebürtige Albanerin führt neben ihrem regulären Job als Produktdesignerin bei Villeroy & Boch ein eigenes Studio, tätowiert zum Teil freihändig – die abgelichteten Personen nach und fusionierte die beiden Kunstrichtungen Fotografie und Malerei anschließend zu einem Ganzen. „Das Ergebnis setzt die Assoziation frei, dass die Figuren aus der Zeichnung als Skulptur herausbrechen", umschreibt Ada das gemeinsam vollendete Kunstwerk, „damit schaffen diese Bilder den Eindruck einer greifbaren Lebendigkeit."
So weit, so gut. Doch reichte diese kurze Projektumschreibung auch aus, um die männlichen Saarländer zu überzeugen, geschweige denn, für die angedachte Ausstellung Sponsoren zu finden? Die beiden Frauen schauen sich an, grinsen und nicken. „Nicht nur das. Wir mussten zum Schluss sogar noch einigen Interessenten absagen", erzählt Varvara. „Mit der Zeit hat sich unsere Idee so weit rumgesprochen, dass wir sogar einen Schlussstrich ziehen mussten." Aus den angedachten zwölf Personen wurden mit der Zeit 19. Mehr hätten sie im „Jules Verne" – die Saarbrücker In-Kneipe wird zum Ausstellungsort – gar nicht unterbringen können.
Nach einer Stunde steht das Ausstellungskonzept
Dass die beiden Freundinnen sich ausgerechnet für diese Lokalität entschieden haben, ist natürlich kein Zufall. „Dort fing unsere Zusammenarbeit auch an", erzählt Varvara. Damals, also vor rund einem Jahr, kannten sich die beiden Künstlerinnen noch nicht. Man begegnete sich zwar bei unterschiedlichen Art-Events, „ich besuchte beispielsweise die Ausstellung ‚Regarde moi‘ von Ada", erinnert sich Varvara, „und auch Ada lief schon mal in einem Projekt, in dem ich mitgewirkt habe. Es war die Tanzperformance ‚Bodies Landscapes‘ von Compagnie Osmosis in Zusammenarbeit mit dem Saarbrücker Designer Fabian Schmidt." Doch sich so richtig miteinander auseinandersetzen, „dazu kamen wir irgendwie nicht", greift Ada den Gedanken ihrer Kollegin auf. Dennoch fielen die beiden Frauen einander auf. Und so nahm Varvara ihren ganzen Mut zusammen und sprach Ada an. „Ich war von ihr fasziniert und wollte sie porträtieren", schildert sie ihre Überlegungen zu der quirligen, lebenslustigen Albanerin. Zu diesem Zeitpunkt ist die gebürtige Russin – Varvara stammt aus St. Petersburg und arbeitete dort als Journalistin, Regisseurin und Pressebeauftragte des St. Petersburger Theaters „Music Hall" – alles andere als unbekannt. Innerhalb kürzester Zeit machte sie sich einen Namen in der saarländischen Künstlerszene. Trotz der fehlenden Ausbildung – Varvara ist Autodidaktin – überzeugten ihre Fotografien durch eine ganz eigene, unnachahmliche Ästhetik. Einige ihrer Fotografien schafften es sogar auf das Onlineportal der Vogue. Auch Ada sollte sich in die Reihe ihrer Modelle einreihen, so war zumindest der Plan.
Als Treffpunkt vereinbarten die Wahlsaarländerinnen das „Jules Verne", die beliebte Kneipe im Herzen der Stadt. Allerdings verlief das Treffen alles andere als geplant. „Wir begegneten uns, setzten uns hin und redeten einfach los", sagt Ada. Schnell fiel den beiden Frauen auf, wie viel sie gemeinsam haben. Das gleiche Kunstverständnis, die gleiche Art von Humor, die gleiche Weise Dinge zu hinterfragen. Nach nur einer Stunde stand plötzlich ein Konzept für eine gemeinsame Ausstellung.
Ihr Kerngedanke: Als weibliche Künstlerinnen das männliche Wesen aufgreifen und die Aspekte ans Tageslicht kommen lassen, die meistens im Verborgenen bleiben.
Auch die Akteure für die Ausstellung wurden schnell gefunden. „Wir wollten prominente Saarländer aus den unterschiedlichen Branchen", erzählt Ada. „Von einem Rapper über hochrangige Geschäftsmänner und einem europaweit bekannten Gamer bis hin zu einem Sportler und einem Musiker –
in unserer Ausstellung finden die unterschiedlichsten Persönlichkeiten zusammen."
Die Kontaktaufnahme mit den Protagonisten war alles andere als schwierig. „In der Regel schrieben wir unsere Akteure zunächst an und stellten unser Konzept in einem kurzen Text vor", erzählt Ada. Manche meldeten sich gleich mit einem „Ja" zurück, manche wollten sich zunächst mit den beiden Frauen treffen, bevor sie zusagten. Ein „Nein" gab es für die beiden nicht.
Die Fotos reisen nach Russland und Albanien
Also hat das Saarland in puncto Selbstverwirklichung doch einiges zu bieten? „Absolut", antworten die Künstlerinnen gleichzeitig. Natürlich haben die beiden Frauen schon gehört, dass manch ein Künstler sich hier nicht so richtig wohlfühlt. Dass es nicht genug Möglichkeiten gibt, die eigene Kunst zu präsentieren, dass es auch zu wenig Interesse seitens des Publikums gibt und immer wieder Schwierigkeiten bei der Finanzierung der Projekte auftauchen. „Wir sehen das allerdings ganz anders", betont Varvara und schaut dabei Ada an, die ihr zustimmend zunickt. „Ich glaube Kreativität hat kaum etwas mit der Lokalität zu tun", überlegt Ada. „Wenn man eine Vision hat, kann man sie überall verwirklichen. Und in Saarbrücken sowieso." Die saarländische Künstler-Community gibt ihnen Recht: „The essence of men" macht den Auftakt für das Poprat-Fotojahr. „Peter Meyer, der Vorsitzende des Poprates, wird bei unserer Ausstellung die Eröffnungsrede übernehmen."
Auch bei der Suche nach Sponsoren wurden die beiden Frauen relativ schnell fündig. Unter anderem bezuschusste auch das Ministerium für Bildung und Kultur die Künstlerinnen bei der Produktion ihrer großformatigen Werke und bei der Erstellung des Katalogs. „Und mit groß meinen wir wirklich groß", sagt Ada mit einem Lächeln. „Die meisten unserer Ausstellungswerke haben eine Größe von 90 auf 170 Zentimeter." Aber auch vom Freundeskreis der beiden kam ordentlich viel Unterstützung. „Unser Freund und Texter Manuel Magar stattete unsere Bilder mit kleinen Texten aus, Designer Fabian Schmidt bot uns an Kostüme für die Vernissage anzufertigen und Benny Dutka begleitet unsere Arbeit in Form von Bildern und Filmmaterial."
Was die Gäste der Ausstellung genau erwartet, möchten die beiden Künstlerinnen noch nicht verraten. Nur so viel sei gesagt: „Neben den Bildern wartet auf die Gäste eine musikalische Überraschung, die man sich nicht entgehen lassen sollte." Anschließend möchten sie auf Reisen gehen. „Im Moment führen wir Gespräche, diese Ausstellung nach Albanien und danach nach Russland zu schicken", erzählt Varvara. „Es bleibt also spannend."