Mit dem Theaterstück „Frau Suinter" weckte der Schauspieler und Regisseur Martin Leutgeb die Liebe zum saarländischen Dialekt. Jetzt, nach rund fünf Jahren, lädt der Österreicher die Zuschauer zu seinem nächsten Theaterstück „Erde" ein, natürlich wieder auf Saarländisch.
Geht es um die eigene Sprache, sind die Saarländer sich selbst gegenüber nicht so ganz ehrlich. Zu Hause, da wird schon mal gerne „platt geschwätzt", aber in der Öffentlichkeit, geschweige denn auf der Bühne, da schütteln viele Einheimische nur verächtlich den Kopf. „Platt" sei zu provinziell, hätte was von einer Kabarett-Veranstaltung oder noch viel schlimmer, „einer Fastnacht-Sitzung", schildert Martin Leutgeb seine Eindrücke vom gespaltenen Verhältnis manch eines Saarländers zu seinem Heimatdialekt. Verstehen kann es der gebürtige Österreicher nicht. Schließlich ist diese eigene Ausdrucksweise für den Schauspieler und Regisseur viel mehr als nur ein Stilmittel, es ist der Schlüssel zur eigenen Identität. „Man wächst in diesem Dialekt auf, macht die ersten prägenden Erfahrungen, knüpft die ersten Kontakte", weiß Leutgeb. „Für mich ist Mundart ein Stück Heimat und genau dieses Gefühl möchte ich auch in den Zuschauern wecken."
Wie richtig der ehemalige Schauspieler des Saarländischen Staatstheaters mit seiner Aussage liegt, zeigte bereits sein erstes ins Saarländische übertragene Stück, das Dorf-Drama „Frau Suitner". Damals, vor rund fünf Jahren eroberte das in der Kettenfabrik in St. Arnual aufgeführte Mundartstück nicht nur die Herzen der Zuschauer, sondern begeisterte auch die Kritiker. „Die Produktion war künstlerisch derart frisch und formidabel geraten, dass sie zum Geheimtipp wurde", hieß es beispielsweise in der „Saarbrücker Zeitung". Nun möchte Leutgeb mit dem Theaterstück „Erde" an den früheren Erfolg anknüpfen. Die bäuerliche Komödie, geschrieben vom österreichischen Schriftsteller Karl Schönherr, befasst sich mit dem Konflikt rund um das Thema Besitz und Erbfolge und damit verknüpften Hoffnungen und Träumen der einzelnen Figuren. „Es geht um Themen die allen bekannt sind und auch mit der Zeit, das Stück entstand um die Jahrhundertwende im Jahre 1907, nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben", bringt es Leutgeb auf den Punkt.
Text wurde von der Truppe überarbeitet
Ins Saarländische übertragen wurde die Komödie übrigens von seiner Theatertruppe, bestehend aus semiprofessionellen Schauspielern. „Ich habe mich noch nie so authentisch auf der Bühne gefühlt", beschreibt Schauspielerin Heike Sutor ihre Empfindungen gegenüber dem eigenen Dialekt. Zusammen mit dem Co-Regisseur und Schauspieler Dieter Meier und Enrico Tinebra saß Sutor mehrere Tage an dem Original-Manuskript „Erde" und übertrug jeden Satz in den heimischen Dialekt. „Ehrlich gesagt, war ich damals bei unserem ersten Stück, ,Frau Suitner‘, skeptisch mit der Mundart", gibt Sutor offen zu. „Und dann total überrascht, wie toll sich das schon nach der ersten Probe angefühlt hat. Durch das „Platt" fühle ich mich ganz nah an mir selbst und meinen Gefühlen. Es ist halt meine Muttersprache, die erste Prägung, die ersten Worte in meiner Kindheit. Ich glaube, vielen anderen im Ensemble geht es ähnlich." Das kann Dieter Meier nur bestätigen: „Dem Stück die eigene Ausdruckweise zu geben, macht den Text wesentlich persönlicher und das hat natürlich auch eine Auswirkung auf die eigene Spielweise, man fühlt sich als Schauspieler viel authentischer, der Text fühlt sich wie maßgeschneidert an."
Ein riesiger Vorteil, wenn man bedenkt wie ungewöhnlich die ersten Proben verlaufen sind. „Dadurch, dass ich beruflich so eingespannt war, konnte ich nicht immer aus Tirol ins Saarland reisen", erzählt Leutgeb. Parallel zur „Erde" fungiert der Regisseur in weiteren Projekten, tritt beispielsweise in der österreichischen TV-Sendung „Dancing Stars" auf. „Deswegen musste ich mich auch auf die Eigenständigkeit meines Ensembles verlassen", sagt der Regisseur. Die ersten Textproben fanden über das beliebte Kommunikationstool „Skype" statt und hauten den Österreicher gleich um. „Ich war wirklich sehr begeistert wie gut meine Schauspieler den Text einstudiert hatten", erzählt Leutgeb lächelnd. Natürlich war ihm klar, dass sein Ensemble gut sei, „aber dass es so hervorragend klappt, das hatte sogar mich überrascht."
Erste Textproben laufen über Skype
Anschließend folgte ein intensives Proben-Wochenende. Die Truppe arbeitet von Freitag bis Sonntag, geht immer wieder die einzelnen Szenen durch. Leutgeb übernimmt dabei die Federführung und lebt sich in jede einzelne Rolle der Protagonisten ein. „Das ist auch das Besondere an der Zusammenarbeit mit Martin", erzählt Dieter Meier, „er kann in jede Rolle hineinschlüpfen und damit auch das Wesen des Charakters zum Vorschein bringen." Dabei schöpft Leutgeb aus seiner Erfahrung als Schauspieler. Immer wieder unterbricht der dynamische Österreicher die Proben und nimmt den Platz des Darstellers ein, um seinen Impuls auszuprobieren. „Natürlich könnte ich meine Anregungen auch von außen beschreiben", erklärt Leutgeb, also die Anweisungen an die Schauspieler richten, ohne die Bühne zu betreten. „Allerdings kann ich nicht genau sagen, ob es auch für den Schauspieler funktioniert, was ich mir als Regisseur vorstelle. Nehme ich dagegen den Platz des Schauspielers ein, kann ich mich wesentlich besser in die Rolle hineinversetzen und einfühlen, ob das, was ich mir als Regisseur vorstelle, so auf der Bühne für den Charakter auch funktioniert." Ein Streitgespräch um die Auslegung der Rolle gibt es dabei nicht, beide nehmen jeweils die Impulse des Gegenübers an und versuchen diese in die Darstellung einzubauen. „Das ist übrigens ein klarer Vorteil der Amateure", erzählt Leutgeb nicht ohne Augenzwinkern. „Sie sind wesentlich flexibler und nicht nur auf eine bestimmte Spielweise eingestellt."
Aber es ist nicht nur die Sprache und dieser gegenseitige Respekt, der die Zusammenarbeit der Truppe so einzigartig macht. Auch die Spielstätte, die St. Arnualer Kettenfabrik, leistet einen enormen Beitrag zum Projekt „Erde". Zu guter Letzt fügt sich das altertümliche Stück in die urige Kulisse der ehemaligen Kettenfabrik in Saarbrücken ein: die schweren, verputzen Backsteine, das Knistern des Kamins, der dem rustikalen Raum die nötige Wärme spendet, die schweren Stützbalken, die die hölzerne Decke der Spielstätte tragen, „Es fühlt sich tatsächlich so an, als wären wir alle in die Vergangenheit katapultiert worden", zieht Leutgeb einen Vergleich. Die Spielbühne ähnelt dabei einem Steg, der sich durch die Mitte des Raumes zieht. Den Zuschauern stehen dabei rund 80 Sitzplätze links und rechts der Bühne zur Verfügung. „Somit bestimmt die Wahl des Sitzplatzes auch die Perspektive, aus der die Zuschauer dem Stück folgen", erklärt Leutgeb mit einem Lächeln.