Erstmals seit 60 Jahren leitet eine Frau das Hans-Otto-Theater in Potsdam (HOT). Bettina Jahnke brachte nicht nur ein künstlerisches Team und neue Ensemble-mitglieder mit, sie setzte für die kommenden drei Spielzeiten auch neue Schwerpunkte: Haltung – Offenheit – Toleranz.
Theater hat in Potsdam eine lange Tradition: Bereits 1795 gab es in der heutigen Landeshauptstadt Brandenburgs das „Königliche Schauspielhaus" am Stadtkanal, im Volksmund auch „Kanaloper" genannt. 700 Besucher hatten hier Platz. Es war ein öffentliches Theater, in dem allerdings Friedrich Wilhelm II. sich das Recht vorbehielt, den Spielplan zu bestimmen und die aufführenden Künstler auszuwählen. Nach 1800 fanden die Aufführungen immer seltener statt, Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Haus kurzzeitig von einem kommerziellen Unternehmer betrieben, 1924 schließlich in die „Potsdamer Schauspielhaus GmbH" umgewandelt. Kurz vor Kriegsende 1945 brannte das Theater aus. Das gleich nach dem Krieg gegründete Brandenburgische Landestheater fand seine Spielstätte zunächst im historischen Schlosstheater im Neuen Palais von Sanssouci, später dann in der ehemaligen Tanzgaststätte „Zum alten Fritz".
Es dauerte bis Mitte der 1980er-Jahre, bis ein neues Theater in Potsdam geplant wurde. Ein Rohbau wurde 1991 nach einem Beschluss des Stadtrats abgerissen. Also hieß es erneut tingeln für das Theater – bis 2006 das Haus an der Schiffbauergasse eröffnet wurde. Inmitten eines sich ständig weiterentwickelnden Kultur- und Kreativareals. Benannt wurde das Theater übrigens nach dem Schauspieler Hans Otto, der 1933 als Kommunist und Gewerkschafter von der SA verhaftet, gefoltert und ermordet wurde.
Seit September vergangenen Jahres ist Bettina Jahnke Intendantin des Hauses. Seither gab es 14 Premieren, die letzte Anfang März mit „Der Schimmelreiter" unter der Regie von Katrin Plötner. Bis Juni sind vier weitere geplant, darunter „Jeder stirbt für sich allein", inszeniert von Annette Pullen und „Bartleby – Ich möchte lieber nicht" unter der Regie von Nina de la Parra.
Leitmotive auch fürs Programm
Jahnke selbst hat ihre erste Regiearbeit in Potsdam zur Eröffnung der Spielzeit abgeliefert – mit Eugen Ruges „In Zeiten des abnehmenden Lichts". In einer DDR-Familie prallen die Illusionen von vier Generationen mit der Realität aufeinander.
„Ich komme ja aus dem Osten und bekenne mich dazu. Hier in Potsdam, wo Ost und West extrem aufeinandertreffen, ist das auch 30 Jahre nach der Wende noch immer ein interessantes Thema", sagt Intendantin Jahnke. „Der Protagonist muss sich damit auseinandersetzen: Wo komme ich her, wie bin ich geworden, was ich bin? Das verlangt von ihm eine Haltung, aber auch von uns, wenn wir das Stück spielen."
Haltung – Offenheit – Toleranz, abgeleitet aus dem Namenskürzel des Theaters HOT. „Auch Hans Otto stand für diese drei Werte", betont Jahnke. „Sie sind immer noch aktuell und stehen für unsere programmatische Zielrichtung." Haltung ist somit das Leitmotiv für diese Spielzeit, Offenheit für die zweite, Toleranz für die dritte. Dem entspricht auch die Stück-Auswahl: So setzen sich beispielsweise die Figuren in „Kabale und Liebe" mit viel Mut füreinander ein. In „Occident Express", inszeniert von Esther Hattenbach, flieht eine alte Frau mit ihrer Enkelin vor dem Krieg und muss sich ihre Menschlichkeit bewahren.
Im Spielplan finden sich aber auch Lesungen und Liederabende. Stimmungsvolle Kulissen bieten dafür die verschiedenen Spielstätten wie die Reithalle, die Sommerbühne am Tiefen See oder die Winteroper in der Friedenskirche. Das Junge Hans-Otto-Theater spielt für Zuschauer ab sechs Jahren. Die etwas älteren probieren sich selbst aus, im Jugendclub HOT sind in dieser Spielzeit zwei Produktionen von und mit Jugendlichen geplant. Und die im Januar gestartete neue Bürgerbühne gibt interessierten Laien die Möglichkeit, ihre Themen auf die Bühne zu bringen. In der kommenden Spielzeit wird es dazu eine eigene Inszenierung geben.