Grusel und Tod: In der Neuverfilmung des legendären Stephen-King-Meisterwerks „Friedhof der Kuscheltiere" über eine Arztfamilie, die in unmittelbarer Nähe einer verfluchten Indianer-Grabstätte wohnt, feiert nicht nur die überfahrene Hauskatze eine muntere Wiederauferstehung.
Jedes Leben imitiert seine eigene Unsterblichkeit", bekannte einmal der US-amerikanische König des Horror- und Schauerromans, Stephen King. Damals schoss er nicht nur mit seinem kommerziell erfolgreichsten Bestseller ab 13. November 1983 auf Platz eins der „New York Times"-Bestsellerliste, sondern wurde auch ein Jahr später für den „World Fantasy Award" nominiert. Das Drehbuch für die Verfilmung von „Friedhof der Kuscheltiere" tippte der Maestro für die 1989er-Adaption noch selbst. So sensationell erfolgreich, dass Regisseurin Mary Lambert 1992 sogar noch „Friedhof der Kuscheltiere 2" nachlegte.
Ein dankbarer Stoff, aus dem immer wieder schimärische Albträume montiert werden, was auch diese Neuauflage bedrückend beweist: Für seinen neuen Job zieht der Arzt Louis Creed (Jason Clarke) mit seiner Frau Rachel (Amy Seimetz) und den Kindern Ellie (Jeté Laurence) und Cage (Hugo und Lucas Lavoie) in das ländliche Kaff Ludlow im Bundesstaat Maine. Flugs lebt sich die sympathische Familie in der ländlichen Idylle ein und pflegt einen herzlichen Kontakt zum vereinsamten, betagten Nachbarn Jud Crandall (John Lithgow), mit dem Louis gern abends am Lagerfeuer im Garten ein Bier aus der Büchse schlürft. Als Rachel jedoch eines Tages mit den Kids ihre Eltern besucht, wird der geliebte Hauskater Church von einem der vorbeidonnernden Trucks an der nahegelegenen Landstraße überfahren. Um im didaktischen Sinne den Kids Schock und Schmerzen zu ersparen, verheimlicht Jud Louis ein finsteres Geheimnis: Der alte Indianerfriedhof im Wald hinter dem Haus der Creeds besitze übernatürliche Kräfte und sei sogar fähig, Tote wieder auferstehen zu lassen. Louis lässt sich in seiner Hilflosigkeit von den vermeintlichen Reinkarnations-Spinnereien des alten Mannes überreden, Church heimlich auf dem steinernen Friedhof zu bestatten.
Eine Verkettung fataler Momente
Tatsächlich taucht der Maine-Coon-Stubentiger am nächsten Tag wieder quicklebendig auf. Leider mit familienfeindlichen Verhaltensauffälligkeiten und auch merkwürdig zombiesk. Church gebärdet sich aggressiver, unberechenbarer und bösartiger als zuvor. Doch damit nicht genug: Durch die Verkettung fataler Momente, vor allem durch den beiläufigen Blick des Truckers auf sein Handy, wird die kleine Ellie von dem über die Fahrbahn schießenden Tank-Auflieger erschlagen, während Louis gerade noch in letzter Sekunde seinen auf die Straße gerannten Sohn Cage retten kann. Im Roman heißt es: „Die Ansicht, es gäbe irgendwelche Grenzen für das Grauen, das der menschliche Geist zu erfassen vermag, ist vermutlich irrig. Im Gegenteil: Es sieht so aus, als stellte sich, wenn die Dunkelheit tiefer und tiefer wird, ein exponenzieller Effekt ein. Wenn der menschliche Albtraum schwarz genug ist, bringt Grauen weiteres Grauen hervor, ein zufälliges Unglück weitere, bis schließlich die Schwärze alles zudeckt." Rabenschwarz wird es nach der Beerdigung für die Familie, als der völlig am Boden zerstörte Louis, just allein daheim, entgegen Juds eindringlicher Warnungen, seine Tochter nachts heimlich vom Friedhof stiehlt, um sie der magisch-maliziösen Erde der Indianer-Walhalla anzuvertrauen. Mit ungeahnten, tödlichen Folgen …
Einen enormen Erfolg verbuchte 2017 schon Kings gespenstisches „Es"-Remake in den Kinos. Der Kultautor feiert filmisch wieder fröhliche Urständ. Denn zeitgleich mit dem für den Herbst 2019 geplanten Sequel „Es: Kapitel 2" erstürmt das „Friedhof der Kuscheltiere"-Remake die weltweiten Leinwände. Und das in einer sorgsam gesetteten, episch bebilderten, grautönig gefärbten, vor allem aber angenehm entschleunigten Hausdrama-Version, die von temporären und halluzinogenen Schockeinblendungen befeuert und gleichsam mit einem authentisch agierenden Cast getragen wird. Insbesondere Thriller-Ikone John Lithgow als netter Nachbar, dem das Schicksal grausam mitspielen wird, verleiht dem gesamten Film mit seinem geheimnisvollen Charisma einen düsteren Unterton.
Fast vier Jahrzehnte ist es her, dass Stephen Kings „Friedhof der Kuscheltiere" erstmals die Welt schockte, und doch hat die grauenhafte Mär um Dr. Louis Creed, seine Frau Rachel und die Kinder Cage und Ellie, die aufs Land ziehen, um unerwartet mit den dunkelsten Mächten konfrontiert zu werden, nichts von ihrem voyeuristischen Reiz verloren. Unglaublich, aber King ängstigte sich selbst vor seinem Werk und hielt das Manuskript drei Jahre lang unter Verschluss, bevor der Roman mit einer Erstauflage von über 700.000 Hardcover-Ausgaben lanciert wurde. Mit autobiografischen Zügen: Denn Anfang 1978 kehrte Stephen King als Lehrkraft zur University of Maine zurück und bezog mit seiner Familie ein Haus in Orrington an einer dicht befahrenen Schnellstraße. Auf dem Feld in der Nähe des Hauses der Kings verscharrten die Kinder rituell die Kadaver der überrollten Haustiere. Auch Kings Tochter Naomi erwies eines Tages dort ihrem geliebten Kater Smucky die letzte Ehre. Und auch Kings jüngster Sohn Owen wäre dort um Haaresbreite Opfer eines tempoüberschreitenden Truckfahrers geworden. Dem Zuschauer bleibt dies erspart, er wird aber von bis ins Mark schießenden, tiefenpsychologischen Bildern bedrängt, die sich in späteren, immer wiederkehrenden Albträumen einnisten könnten. Mit Sicherheit.