Deutsche Bank und Commerzbank loten eine Fusion aus. Dabei bläst den Befürwortern, Commerzbank-Chef Martin Zielke und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), eine steife Brise ins Gesicht. Zu Recht, sagen Experten.
Der Finanzminister unter Beschuss, die Gewerkschaft Verdi läuft Sturm, zahlreiche Experten sind von den Vorzügen nicht überzeugt. Die Gespräche über eine Fusion laufen trotzdem weiter. Deutsche Bank und Commerzbank, die beiden größten Privatbanken Deutschlands, loten ein Zusammengehen aus. Gemessen an der Bilanzsumme – 2.000 Milliarden Euro – würde das mit Abstand größte Geldhaus in Deutschland und das zweitgrößte Geldhaus im Euroraum mit 140.000 Mitarbeitern entstehen.
Spätestens an Ostern wollen die beiden Vorstände Christian Sewing und Martin Zielke eine Entscheidung verkünden, bis dahin werden die Bücher geprüft. Große Begeisterung herrscht jedoch auch in den Aufsichtsräten der beiden Geldhäuser nicht, einzig Zielke scheint sich laut Medienberichten eine Verstärkung seines Hauses durch das Investment-Banking der Deutschen Bank zu versprechen, Sewing hält sich neutral. Reicht dies, neben Kosteneffekten, die ein solches Geldhaus durch Einsparungen, massiven Job- und Filialabbau erreicht, um den Zusammenschluss zu rechtfertigen? Wie sind die Interessenlagen?
Firmenkultur höchst unterschiedlich
Experten sind nicht sicher, ob die Fusion letztlich nützt. Zwar entstünde die erste deutsche schwergewichtige, internationale Großbank. „Allerdings ist offen, ob das mit den gegenwärtigen Geschäftsmodellen gelingen kann, denn die Eigenkapitalrenditen von 0,4 Prozent bei der Deutschen Bank und drei Prozent bei der Commerzbank liegen deutlich unter denen anderer europäischer Großbanken", sagt Prof. Detlev Hummel, Professor für Betriebswirtschaftslehre, Finanzierung und Banken an der Universität Potsdam. Er sieht zwar die Sparpotenziale in der IT, bei den Filialen, beim Personal. Doch die Firmenkultur beider Banken sei höchst unterschiedlich. „Gerade dies macht eigentlich auch die Existenzberechtigung beider Banken aus", sagte der Bankenexperte gegenüber FORUM. Kompetenzgerangel sei programmiert. „Insofern bleibt die Frage, wer unter allen Stakeholdern überhaupt Interesse an einer Fusion haben kann? Mitarbeiter und Führungskräfte kaum, die Großaktionäre kaum, die Kunden dürften eher weniger Bankennähe und persönlichen Service bekommen als bisher. Angesichts der bemerkenswerten Langsamkeit der Veränderungen, Reformen und internen Restrukturierungen im Bereich der Großbanken in den vergangenen zehn Jahren kommen Zweifel auf, ob von innen überhaupt radikale Lösungen zu erwarten sind."
Der Gegenwind aus den Medien und von Experten ist gleichermaßen heftig. Das durfte auch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) erleben. Entsprechend zugeknöpft zeigte sich auch Scholz nun auf FORUM-Anfrage. Immerhin ist der Bund seit der Finanzkrise von 2008 Anteilseigner der damals schwer in Schieflage geratenen Commerzbank. 15 Prozent gehören dem Bund. Allein, diese Anteile sind mittlerweile im Wert gefallen. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre hat die Aktie 45 Prozent ihres Wertes verloren. Scholz spricht seit Bekanntwerden der Fusionsgespräche vom Ziel eines „gestärkten Banksektors" in Deutschland. Das Interesse des Bundes ist klar: einen Global Player im Bankensektor schmieden, die Stabilität des deutschen Finanzsystems erhöhen. Das gilt zwar derzeit als eines der stabilsten in Europa, aber auch als ineffizient, weil stark zersplittert. National ist das dezentrale und von öffentlich-rechtlichen Banken geprägte System angesichts der von mittelständischen Unternehmen geprägten Wirtschaft in Deutschland eine Stärke, behindert aber eine stärkere Internationalisierung. „Die lokalen Banken wie Sparkassen und Kreditgenossenschaften haben sich Marktgebiete und Kunden aufgeteilt, insbesondere im Mittelstand", erklärt Prof. Hummel. „Die Kunden dieser starken Bankengruppen sind recht zufrieden mit den nationalen Hausbankbeziehungen. Das ist im Zuge des europäischen und internationalen Wettbewerbs aber auch eine gefährliche Starre der jahrzehntealten Strukturen." Gleiches bestätigt Paul Achleitner, Aufsichtsratschef der Deutschen Bank: Laut dem Fachportal „Der Aktionär" sehe Achleitner das Problem der europäischen Banken nicht darin, dass sie „too big to fail", zu groß zum Scheitern seien, sondern sie seien „zu klein, um zu skalieren", also um größer und bedeutender zu werden. Und auch nach der Fusion hätten beide Großbanken nur zehn Prozent Marktanteil bei Privatkunden, nur halb so viel wie die Volks- und Raiffeisenbanken. „Also dieses Problem, wenn es denn als solches gesehen wird, wird mit der Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank nicht gelöst", sagt Hummel.
Systemrisiko nicht zu unterschätzen
Auch das Systemrisiko einer neuen Großbank ist nicht zu unterschätzen. „Die Commerzbank arbeitet seit geraumer Zeit seriös und zielorientiert, die Mittelstandsbank gilt hier als Marke und erfolgreiches Geschäftsmodell", bescheinigt ihr der Bankexperte. „Insofern hat die Commerzbank eigentlich nicht die Rolle als Juniorpartner der Deutschen Bank verdient." Andererseits ist sie derzeit viel zu klein, um die erheblichen Probleme der Deutschen Bank abzufedern. Die Deutsche Bank gehört auch aufgrund ihrer hohen Komplexität bereits zu den Top vier der global systemrelevanten Banken. Mögliche versteckte Risiken könnten bei einem Zusammenschluss offengelegt werden. „Bedenken hinsichtlich neuer Systemrisiken sind nicht von der Hand zu weisen." Zwar entstünde eine Bank, die keineswegs die Dimension internationaler Wettbewerber in Europa, USA und Asien erreicht. Die Bankenaufseher müssten sich dennoch Gedanken über erhöhte Eigenkapitalanforderungen einer solch national und global systemrelevanten Bank machen.
Der Abbau von Arbeitsplätzen treibt derweil die Gewerkschaften und Mitarbeiter beider Banken um. Beschäftigte von Deutscher Bank und Commerzbank wollen nach Informationen des „Handelsblatts" gemeinsam Widerstand gegen eine Fusion der zwei größten deutschen Privatbanken leisten. Die Gewerkschaft befürchtet bei einer Fusion den Abbau von bis zu 30.000 Arbeitsplätzen und das Aus etlicher Filialen beider Banken. Oft befinden sich Filialen der konkurrierenden Institute in unmittelbarer Nähe zueinander. „Dass da einfach zugeguckt wird, davon kann niemand ernsthaft ausgehen", hatte der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske bereits kurz nach Bekanntgabe der Gespräche über eine mögliche Fusion gesagt. Und auch der Kunde würde in die Röhre schauen: Der drohende Filialabbau könnte ihn noch weiter von seiner Hausbank entfernen als ohnehin schon.