Warum Leistungssportler oft mehr Koronarkalk haben und dennoch gesünder sind
Der Frühling ist da, Sonne und Wärme locken ins Freie. Was liegt näher, als sich zu bewegen und wieder mehr Sport zu treiben? Der Gesundheitseffekt regelmäßiger körperlicher Aktivität ist unstrittig. Gemäß Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollten es mindestens 150 Minuten pro Woche mit moderater Intensität sein – das heißt, man kann sich noch unterhalten. Wer es intensiver möchte, beispielsweise Joggen, dem reichen bereits 75 Minuten. Zusätzliche Kraftübungen stärken die Muskulatur und beugen dem altersbedingten Muskelabbau vor.
Allerdings können die Ergebnisse einiger kürzlich publizierter Studien beunruhigen, insbesondere beim oberflächlichen Lesen. Bei sehr aktiven männlichen Sportlern wurde vermehrt Koronarkalk, also Kalk in den Herzkranzgefäßen, festgestellt. Die untersuchten Sportler, meist Marathonläufer und älter als 40 Jahre, hatten häufiger Kalkablagerungen in den Herzkranzgefäßen als altersgleiche Zufallsgruppen aus der Allgemeinbevölkerung.
Also doch: Sport ist Mord! Nein, keineswegs. Jahrelanges umfangreiches Ausdauertraining, das die Dosis von präventiven sportlichen Aktivitäten um ein Mehrfaches übersteigt, kann zu mehr Koronarkalk führen. Dabei ist bemerkenswert, dass die untersuchten Ausdauersportler seltener bekannte und etablierte Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung oder Zuckerkrankheit aufwiesen.
Des Weiteren ist bemerkenswert, dass die als Plaques bezeichneten Ablagerungen der Herzkranzgefäße bei den untersuchten Ausdauersportlern besonders viel Kalk enthielten. Obwohl diese Besonderheit auf den ersten Blick ungünstig erscheint, werden die Plaques dadurch stabiler. Sie brechen seltener auf, sodass auch das Risiko für Herzinfarkte reduziert wird. Plaques per se führen nicht zum Herzinfarkt. Aber deren Ruptur führt zur Bildung eines Blutgerinnsels, das das Herzkranzgefäß verengt. Ein vergleichbarer stabilisierender Effekt ist von Statinen bekannt, also Medikamenten, die die Cholesterinkonzentration im Blut senken.
Eine plausible Erklärung für die erhöhte Kalklast fehlt. Über verschiedene Ursachen wird spekuliert, insbesondere der gesteigerte Blutfluss durch die Herzkranzgefäße, erhöhte Blutdruckwerte während Belastung oder auch Entzündungsreaktionen. Bisher konnte keiner der diskutierten Mechanismen belegt werden.
Bleibt die Gretchenfrage nach der Prognose der „steinernen Herzen". Eine erste Antwort liefert eine aktuelle Studie, publiziert in einer renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift. Knapp 22.000 Männer mit einem Durchschnittsalter von 52 Jahren wurden über zehn Jahre beobachtet. Die Männer mit hohem Trainingsumfang hatten im Mittel mehr Koronarkalk als jene, die weniger körperlich aktiv waren, ohne dass die Sterberate erhöht war. Im Gegenteil. Diejenigen mit dem höchsten Trainingsumfang hatten die niedrigste Sterberate.
Was lehrt uns das? Die rasante technologische Entwicklung beeinflusst in der Medizin Diagnostik und Therapie. Dabei werden gelegentlich auch Befunde erhoben, die nicht in das gängige Bild passen. Das betrifft beispielsweise hochtrainierte Athleten, bei denen Veränderungen auftreten können, die die Abgrenzung zum Krankhaften erschweren und prognostisch schwierig einzuordnen sind. So hat die Einführung von Herzmarkern die Herzinfarktdiagnostik revolutioniert. Diese Marker können auch nach Ausdauerbelastungen ansteigen, ohne dass der Herzmuskel geschädigt ist. Und nun lernen wir auch, dass der Nachweis von Koronarkalk bei hochtrainierten Sportlern per se kein schlechtes Zeichen sein muss.
Ob mehr oder weniger Koronarkalk, es bleibt dabei: Fitte Herzen schlagen länger. Die Lebenserwartung ist das härteste Kriterium, um gesundheitliche Risiken zu beurteilen. Zehntausende Athleten wurden inzwischen analysiert, unter ihnen frühere Tour-de-France-Teilnehmer und olympische Medaillengewinner. Das Ergebnis: Sportler leben länger, frühere Ausdauersportler leben am längsten. Nur wenige Studien beinhalten Sportlerinnen. Aber warum sollte es bei Frauen anders sein? Haben sie doch bereits normalerweise einen Überlebensvorteil.