Armin Lang, Berater und langjähriger SPD-Gesundheitspolitiker, organisiert in Saarbrücken den fünften Gesundheitskongress „Salut! DaSein gestalten".
Herr Lang, für alle, die den Kongress noch nicht kennen: Welches Publikum möchten Sie ansprechen?
Alle, die im Gesundheitswesen Verantwortung tragen, in Krankenhäusern und Rehakliniken, in Arztpraxen, in der Pflege, aber auch Fachkräfte in Therapieberufen, die Vertreter der Kranken- und Pflegekassen, die Gesundheitspolitiker. Der Dialog zwischen so unterschiedlichen Entscheidern ist das Spezifische, das Spannende unseres Kongresses.
Der Kongress geht nun schon in die fünfte Runde. Hätten Sie das vor fünf Jahren erwartet?
„Salut!"ist als Experiment gestartet – aber ein Erfolg geworden. Wir gehören mittlerweile zu den ersten fünf der deutschen Gesundheitskongresse. Mit unseren Themen und Formaten setzen wir Maßstäbe. Unsere Referenten sind die erste Garde der Gesundheitsexperten.
Beispiele?
Unter anderem Dr. Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Birgit Fischer, langjährige Geschäftsführerin des Verbandes der forschenden Arzneimittelhersteller, Josef Hilpert, Sprecher des Netzwerkes deutscher Gesundheitsregionen, Josef Hecken, der unabhängige Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Josef Düllings, Präsident des Verbands der Krankenhausdirektoren, Jan Hacker, Oberender AG Bayreuth, Experte für Krankenhaus-Umstrukturierungen, Silvia Bühler, Verdi-Vorstand, Günther Mattheis, Präsident der Ärztekammer Rheinland-Pfalz, Dr. Mathieu-Patrick Schabranow, Chef einer Potsdamer Denkfabrik, die sich mit Künstlicher Intelligenz im Gesundheitsbereich beschäftigt, Christian Rebernik, der Erfinder der Vivy-Patientenakte, Jürgen Graalmann, GF einer Berliner Stiftung, die Start-ups in der Gesundheitsbranche fördert ... und viele mehr.
Hat das Saarland am Rande der Republik keinen Standortnachteil?
Unser Nachteil ist nicht die Lage, sondern die Verkehrsverbindungen zu uns. Wenn man nur einmal morgens und abends aus Hamburg nach Saarbrücken kommen kann, ist das für den zweistündigen Auftritt eines Topmanagers ein gigantischer Zeitaufwand. Dass wir solche Topleute trotzdem kriegen, liegt daran, dass sie unsere Formate und unsere Themen schätzen und dass wir auch viele persönliche Beziehungen pflegen. Schwieriger ist es mit den Kongress-Teilnehmern. Unsere Besucherzahl ist zwar mit der anderer Kongresse vergleichbar, aber ihre Verweildauer ist kürzer – wegen der schwierigen Verkehrsverbindungen.
Auf dem Kongress werden viele gesundheits- und sozialpolitische Themen diskutiert. Erwarten Sie viel Politprominenz?
Ja, die Zusagen sind sehr positiv. Es kommen die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler, unsere Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger, unsere Sozialministerin Monika Bachmann und Reinhold Jost, unser Verbraucherminister. Wir haben auch den obersten Pflegechef Deutschlands für zwei Tage zu Gast, den Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Herrn Staatssekretär Andreas Westerfellhaus, sowie die französische Generalkonsulin Jaqueline Robinet und viele mehr. Auch die kommunalpolitische Führungsriege aus der Region ist stark eingebunden. Wir erwarten viele Landräte, Bürgermeister und Dezernenten als Teilnehmer.
Kommen wir zu den Neuerungen: Warum fällt die Publikumsmesse „Salut Plus" weg?
Sie wird verschoben. Unsere Aussteller haben uns darum gebeten, die beiden Formate zu trennen, also den Fachkongress mit Fachausstellung durchzuführen und unabhängig davon eine Bürger-Gesundheitsmesse mit eigenem Profil zu entwickeln. Fünf Tage lang einen Stand zu betreuen ist für viele zu aufwendig. Ab 2020 wollen wir versuchen, neue Wege zu gehen. Dann können wir die Bürgermesse lockerer, leichter und auch mit Themen für jüngere Leute angehen.
Die Programmstruktur sieht dieses Jahr anders aus. Warum?
Bisher zogen sich Themenschwerpunkte über den ganzen Tag. Aber viele Teilnehmer können nicht so lange bleiben. Deshalb haben wir nun Themen auf Blöcke von zwei bis zweieinhalb Stunden konzentriert.
Welche thematischen Neuheiten stehen an?
Wir beschäftigen uns als erster Gesundheitskongress mit dem Thema Gemeinschaftsverpflegung. Heute nehmen mehr Menschen ihre Hauptmahlzeit aus Gemeinschaftsküchen ein, als individuell zubereitet. Wie können wir diese Verpflegung optimieren, gesünder machen?
Und dann: der Gesundheitsstandort Haushalt. Es werden derzeit mehr schwerkranke oder pflegebedürftige Menschen zu Hause versorgt als in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Hier haben wir Top-Experten, die aufzeigen, mit welchen technischen Hilfsmitteln die Versorgung und das Leben zu Hause erleichtert werden kann. Auch was ihre Sicherheit angeht. Es geht unter anderem um Sensortechnik, mobile Information, Telemedizin und -pflege. Da brauchen wir in unserer Region noch wegweisende Impulse.
Welche weiteren Programmpunkte möchten Sie mir ans Herz legen?
Auch in diesem Jahr präsentieren wir hochinteressante und nachahmenswerte Innovationen für kommunale und regionale Entscheider aus den Bereichen Gesundheit und Pflege, ein Alleinstellungsmerkmal unseres Kongresses. Wir zeigen auf, was sie in ihren Regionen für ihre Bürgerinnen und Bürger konkret tun können. Ganz aktuell: Der GKV-Spitzenverband hat vor Kurzem entschieden, ab 1. April des Jahres mit 40 Millionen Euro besonders benachteiligte Landkreise zu fördern, in denen viele gesundheitlich gefährdete Menschen wohnen. Im Saarland sind vier von sechs Kreisen förderungswürdig, in Rheinland-Pfalz auch die Mehrheit der Landkreise. Die zuständige Referentin des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung stellt am Freitagmorgen dieses Programm topaktuell vor. Das Ganze mündet dann in einen „kommunalen Tag" mit vielen konkreten Anregungen für die kommunalpolitische Arbeit vor Ort.
Ein weiteres aktuelles Thema ist die Digitalisierung. Hier kann Gesundheit von Pflege lernen. Zum Beispiel bei den Dokumentationsprozessen. Was wir auch bearbeiten: Kliniken sammeln eine Unmenge Patientendaten. Im Interesse einer gezielteren Behandlung von Kranken können hieraus individuelle Behandlungspfade werden. Mit unserer Uniklinik und anderen Experten zeigen wir, wie dies möglich werden kann.
Spannend wird auch die gemeinsame Präsentation der beiden derzeit in Deutschland favorisierten elektronischen Patientenakten. Die Protagonisten beider Versionen dieser digitalen Patientenakte sind auf Einladung der SHG in Saarbrücken. In unserem Abschlussforum geht es um die Sicherheit in der medizinischen Versorgung und in der Pflege. Es geht um die Vermeidung von Keimerkrankungen, aber auch um eine nachhaltige Gesundheitssicherung durch optimierte Nachsorge. Die IKK Südwest hat diesen wichtigen Impuls eingebracht und wird auch ein entsprechendes Fachbuch hierzu präsentieren.
Ein provokanter Programm-Titel: „Raus aus der Schmuddelecke". Was ist damit gemeint?
Etwa 300.000 bis 400.000 Familien in Deutschland „beschäftigen" bis zu einer Million Frauen, aus osteuropäischen EU-Ländern, zur Betreuung ihrer pflegebedürftigen und schwerkranken Angehörigen. „Beschäftigen" muss in vielen Fällen in Anführungszeichen gesetzt werden. Die rechtlichen Regelungen dieser „Betreuungsverhältnisse" sind ganz unterschiedlich. Sie reichen von Schwarzarbeit bis zu regulären Betreuungs- oder Arbeitsverträgen unter Nutzung des EU-Entsenderechts. Weil dieser Versorgungsbereich für sehr hilfebedürftige Menschen in Deutschland so ungeregelt ist, tummeln sich hier auch viele schwarze Schafe.
Es gibt aber auch seriöse Anbieter. Wir wollen diejenigen stützen, die verstanden haben, dass sich diese Versorgungssäule auf den Professionalisierungsweg begeben muss. Die genannten 400.000 hilfebedürftigen Menschen in unserem Land wären anders gar nicht zu versorgen. Deshalb muss diese Betreuung schnellstens rechtlich sauber geregelt und es müssen Standards für die Versorgungsqualität vorgegeben werden. Da sind uns die Österreicher ein Stück voraus. Wir wollen von ihnen lernen.
Dieses Thema wird nach unserem Wissen in Saarbrücken erstmals auf einem Fachkongress in Deutschland erörtert.
Was macht Österreich besser?
Sie haben diese Versorgungssäule rechtlich definiert. Es geht um die Qualifizierung, die Einsatzberatung, die Versicherung der Betreuungskräfte, aber auch um ihre faire Entlohnung und um die öffentliche Förderung dieser Versorgungssäule, damit alle Hilfebedürftigen sich derartige Hilfen auch erlauben können. Es ist schwierig, die Vorgaben des EUGH-Urteils zur arbeitsrechtlichen Behandlung von Bereitschaftszeiten umzusetzen. Hier ist noch viel Kreativität, aber auch Mut nötig.
Welche Veranstaltung wollen Sie auf keinen Fall verpassen?
Am Freitag gibt es einen Block „Gesundheit und Pflege als Beruf". Da gehe ich hin! Das größte Problem der Branche ist der Fachkräftemangel. Da helfen wir werben, auch für mehr Selbstbewusstsein dieser Berufsträger. Gesundheit und Pflege bieten sichere, erfüllende Arbeitsplätze. Wir zeigen auch, wie sich die Berufe verändern müssen, um zukunftsfähig zu werden. Zum Beispiel, wenn Therapeuten in Zukunft selbstständiger arbeiten sollen, müssen sie dafür auch qualifiziert sein. Wenn der gesundheits- und der altenpflegerische Bereich immer mehr ineinander greifen, dann brauchen wir auch Fachkräfte, die in beiden Feldern Kompetenzen haben. All dies wird uns einen ganzen Tag lang beschäftigen. Wir drücken uns dabei auch nicht vor unangenehmen Themen. Wir gehen der Frage nach, warum so viele Auszubildende in der Altenpflege aus gesundheitlichen Gründen ihre Ausbildung abbrechen. Da ist es dringend erforderlich, dass die Ausbildungs- aber auch die Sozialversicherungsträger sich sehr viel mehr und früher, um die präventive gesundheitliche Förderung der Auszubildenden und später der jungen Berufstätigen kümmern.
Top-aktuell, von der Victor’s Unternehmensgruppe ins Kongressprogramm gebracht: die zunehmende Internationalisierung der Pflegebranche. Wir kommen in den nächsten 20 Jahren nicht ohne ausländische Fachkräfte in der Pflege aus. Deshalb müssen wir uns um die tatsächliche und nachhaltige Integration dieser Menschen kümmern – fachlich, kulturell, menschlich. Dies ist ein Thema auch im Interesse vieler unserer Partner, die beim Kongress mitmachen. Die Europäische Fachschule für Altenpflege in Quierschied wird hier sicher als nachahmenswertes Modell präsentiert werden.
Ist der Eintritt immer noch frei?
Ja. Aber Sie müssen sich vorher registrieren, damit wir die Räume entsprechend planen können.