Die erfolgreichste Filmserie der Kinogeschichte, die 2020 mit der 25. Episode um James Bond fortgesetzt wird, ist eng mit dem Namen des vor 110 Jahren geborenen Albert R. Broccoli verbunden. Seine Nachkommen halten noch immer das Zepter in der Leinwand-Vermarktung des Geheimagenten fest in der Hand.
Ihm gebührt fraglos die Ehre, die erfolgreichste Marke der Filmgeschichte erschaffen zu haben. Die Rede ist vom US-amerikanischen Produzenten Albert R. Broccoli, Spitzname „Cubby", der schon in den 1950er-Jahren das riesige cineastische Potenzial der von Ian Fleming geschaffenen Agenten-Romanfigur James Bond erkannt hatte. Er gab unumwunden zu, damit das berühmte Huhn, das goldene Eier legt, gefunden zu haben. Schon die Bond-Premiere „007 jagt Dr. No" aus dem Jahr 1962 war ein Riesenerfolg. Den Produktionskosten von etwa einer Million Dollar standen Einnahmen von circa 60 Millionen Dollar gegenüber. Im Vergleich zum Mega-Blockbuster „Skyfall", der Ende 2012, lange nach dem Tod des legendären Bond-Machers in die Kinos kam, fast schon Peanuts. Die bislang erfolgreichste Bond-Episode mit Daniel Craig als Hauptdarsteller spielte mal eben 1,1 Milliarden Dollar ein – bei Produktionskosten von geschätzt zwischen 150 und 200 Millionen Dollar. Ein nicht unbeträchtlicher Teil des Gewinns dürfte in die Taschen der Broccoli-Familie geflossen sein, die mit Michael G. Wilson und Barbara Broccoli an der Spitze, Stiefsohn und Tochter des aus einfachen Verhältnissen stammenden Unternehmensgründers, das James Bond-Franchise-Erbe ihres Vaters bis zum heutigen Tag mehr als überzeugend verwalten.
Albert Romolo Broccoli wurde am 5. April 1919 im New Yorker Stadtteil Queens, und zwar in dessen nordwestlichstem Zipfel namens Astoria, als zweites Kind der aus dem italienischen Kalabrien stammenden Eltern Giovanni und Cristina Broccoli geboren. Seinen Spitznamen „Cubby" verdankte er seinem in Mobster-Kreisen verkehrenden und für Lucky Luciano arbeitenden Onkel Pasquale „Pat" DiCicco, der wenig später die bekannte Stummfilm-Schauspielerin Thelma Todd heiraten und damit Alberts frühes Interesse für Hollywood wecken sollte. Nachdem die Familie eine Gemüsefarm im nahen Long Island erworben hatte, zog sie dorthin um.
Der junge „Cubby" musste schon früh im elterlichen Betrieb kräftig mit anpacken und beispielsweise auf den Feldern Traktor fahren oder die Ernteprodukte zu den Abnehmern transportieren. In seiner Freizeit verfolgte er mit glühendem Enthusiasmus die Flug-Pioniertaten von Charles Lindbergh. Nach dem Tod seines Vaters kehrte er nach Astoria zu seiner dort lebenden Großmutter zurück, begann ein Journalistik-Studium und hielt sich mit verschiedenen Jobs – etwa als Sargmacher – über Wasser.
Vom Laufburschen zum Produzenten
Anfang der 1930er-Jahre folgte er Pat DiCicco nach Hollywood, wo er zunächst bei einem Juwelier tätig war und rein zufällig bei einem Besuch des „Colony Clubs" durch seinen Onkel mit dem millionenschweren Film-Tycoon und Luftfahrtbegeisterten Howard Hughes bekannt gemacht wurde. Dieser übertrug ihm bald diverse Jobs bei Filmproduktionen als Laufbursche oder Chauffeur von Diven wie Jane Russell. Dabei lernte Albert auch Stars wie Robert Mitchum oder Cary Grant kennen. Letzterer wurde sogar sein Freund und später Trauzeuge bei Alberts dritter Heirat mit Dana Wilson im Jahr 1959, nachdem Broccoli sich 1945 nach fünf Jahren von seiner ersten Ehefrau Gloria Blondell hatte scheiden lassen und seine 1951 geehelichte Gattin Nedra Clark nach der Geburt der gemeinsamen Tochter Tina 1958 verstorben war.
Dank Hughes stieg Broccoli zum Regieassistenten auf und war als solcher an der Produktion des Westerns „The Outlaw" („Geächtet") im Jahr 1940 beteiligt. Nachdem Broccoli im Zweiten Weltkrieg bei der Küstenwache gedient hatte, zog es ihn nach Großbritannien, weil damals die britische Regierung zur Förderung der heimischen Filmindustrie erhebliche Unterstützungen für Produktionen „made in Britain" beschlossen hatte. 1951 gründete Broccoli daher in London gemeinsam mit dem Produzenten Irving Allen das Unternehmen Warwick Films, das bis zu seiner Auflösung 1962 für Columbia Pictures 23 recht erfolgreiche Leinwandstreifen realisieren konnte.
In London saß Broccoli quasi an der Bond-Quelle. Schließlich hatte Ian Fleming dort 1953 gerade sein Erstlingswerk rund um den Geheimdienstagenten mit dem Titel „Casino Royale" veröffentlicht und die Filmrechte für 6.000 Dollar an den Hollywood-Regisseur Gregory Ratoff verkaufen können. Dessen im Oktober 1954 unternommener Versuch, James Bond dem amerikanischen Fernsehpublikum schmackhaft zu machen, erwies sich als Flopp, weshalb die eigentlich geplante Serie auf Eis gelegt wurde. Daraufhin erwarb der Produzent Charles K. Feldman die scheinbar wertlos gewordenen Filmrechte. 1967 sollte er auf dem Höhepunkt des Bond-Hypes den Stoff zu einer wilden Parodie verarbeiten. Broccolis Erben konnten die Rechte erst 1999 erlangen, und machten daraus 2006 Daniel Craigs ersten Auftritt als Agent 007.
Cary Grant sollte erster Bond werden
Davon unberührt sollte Fleming bis zu seinem frühen Tod im Alter von 56 Jahren 1964 weitere James Bond-Romane verfassen, insgesamt zwölf, dazu noch neun Kurzgeschichten. Da sich die Romanfigur in Großbritannien wachsender Popularität erfreute, hatte der kanadische Filmproduzent Harry Saltzmann 1961 alle Filmrechte für die Bond-Romane erworben – mit Ausnahme von „Casino Royale". Der ebenfalls interessierte Broccoli war leider zu spät gekommen. Da aber Saltzman nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügte, um einen abendfüllenden Bond-Film in die Kinos zu bringen, taten sich die beiden Männer zusammen und gründeten 1961 in London die für die Realisierung von Bond-Filmen zuständige Firma EON Productions, wobei EON als Abkürzung für „Everything or Nothing" stand. Ein Jahr später folgte im kalifornischen Santa Monica die über Bond-Copyrights und -Markenrechte wachende Firma Danjaq. LLC. Fleming wurden 100.000 Pfund pro Roman zugestanden, zuzüglich einer Beteiligung von 2,5 Prozent am Einspielergebnis jedes Films.
Auch wenn Broccoli von Anfang an die Prämisse ausgegeben hatte, „James Bond ist der Star", womit er nichts anderes sagen wollte, als dass der Darsteller ebenso wie der Regisseur austauschbar sein sollten, gab es schon im Vorfeld des ersten Bond-Streifens „007 jagt Dr. No" die bis heute immer wieder aufflammenden Diskussionen um die Besetzung der Titelrolle. Broccoli hatte ursprünglich seinen Trauzeugen Cary Grant bevorzugt, doch von diesem eine Absage erhalten. Auch David Niven, Roger Moore oder Flemings Cousin Christopher Lee waren im Gespräch. Schließlich einigte man sich auf den damals noch gänzlich unbekannten Sean Connery.
Der ehemalige Milchmann, Bademeister und Bodybuilder sollte ein Glücksfall für den Start der Filmreihe werden, zumal er ein wichtiges Kriterium erfüllte, das seitdem unverändert zu gelten scheint: Alle Bond-Darsteller müssen Briten sein oder zumindest aus Ländern des einstigen britischen Empires stammen: der Schotte Connery, der Australier George Lazenby, der Engländer Roger Moore, der Waliser Timothy Dalton, der Ire Pierce Brosnan sowie der Engländer Daniel Craig spielten den Geheimagenten. Im Zuge des Erfolgs der Filmreihe reichten viele bekannte Schauspieler wie Mel Gibson, der allein schon wegen seiner zu geringen Körpergröße nicht infrage kam, oder Star-Regisseure von Quentin Tarantino bis Steven Spielberg letztlich erfolglos ihre Bewerbungen zum Mitwirken bei einem Bond-Film ein. Anfangs handelte es sich bei den Bond-Filmen noch vergleichsweise um Low-Budget-Produktionen, die aber nach und nach nicht zuletzt dank immer kniffligerer Stunts und Actionszenen, immer exotischerer Locations sowie komplizierter technischer Spezialeffekte immer teurer wurden. Teilweise wurden die steigenden Kosten durch gezieltes Product-Placement mit Schlüsselpartnern wie Aston Martin, Bollinger Champagner oder Omega-Uhren ausgeglichen. „Sag niemals nie" aus dem Jahr 1983 sollte der zweite Bond-Film sein, der nicht von EON Productions realisiert wurde und der nur ermöglicht wurde, weil der Produzent Kevin McClory erfolgreich vor Gericht einen Mitautor-Anspruch an der gleichnamigen Fleming-Kurzgeschichte durchsetzen konnte. Es war ein Remake des 1965 veröffentlichten Streifens „Feuerball".
Broccoli produzierte 17 Bond-Episoden
1975 stieg Saltzmann aus EON aus, seine Anteile wurden von United Artists übernommen. Fortan hieß es im Vorspann jedes Bond-Streifens nur noch „Albert R. Broccoli presents". Broccoli, der zeitlebens insgesamt mehr als 40 Kinofilme, darunter 17 Bond-Episoden, produzierte, machte EON zu einem Familienunternehmen, indem er seine engsten Vertrauten ins Boot holte. Wilson schon 1972, Tochter Barbara Anfang der 1980er-Jahre. Ehefrau Dana wurde Chefin von Danjaq. Während der abschließenden Arbeiten an „Goldeneye" musste sich der leidenschaftliche Spieler, Rolls-Royce-Fahrer und mit Auszeichnungen wie dem Irving G. Thalberg Award oder dem Orden des Britischen Empires geehrte Broccoli 1995 einer Bypass-Operation unterziehen. Am 27. Juni 1996 starb er im Alter von 87 Jahren an Herzversagen in seiner Villa in Beverly Hills.