Michael Kellner ist politischer Geschäftsführer der Grünen und maßgeblicher Strippenzieher für den inhaltlichen Umbau der Grünen.
Herr Kellner, die Grünen wollen sich inhaltlich weiter öffnen. Sind sie noch ein politisches Bündnis oder schon Volkspartei?
Nein, wir Grünen stehen zu unserem Titel, Bündnis 90 – Die Grünen. Was wir sehen ist ein Parteiensystem, das sich fundamental ändert, daran können wir ablesen, dass wir uns auf unsere eigenen Traditionen und Werte konzentrieren müssen. Wir sind ein Bündnis, wir sind keine Volkspartei, und die wollen wir auch nicht werden. Wir wollen keine Ecken und Kanten abschleifen. Wir sind ein Bündnis, und in diesem Rahmen laden wir alle ein, mit uns zusammen für Klimaschutz oder bezahlbaren Wohnraum zu kämpfen.
Ihr Bündnis ist auf dem Sprung zur Regierungsverantwortung, wie halten es die Grünen zum Beispiel mit dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr?
Der Afghanistan-Einsatz ist gemessen ein seinen ursprünglichen Zielen leider gescheitert! Und jetzt geht es darum, für diesen Einsatz eine vernünftige Exit-Strategie zu entwickeln, um da rauszukommen, daran scheitert ja die Bundesregierung seit Jahren. Auslandseinsätze der Bundeswehr generell ja, aber nur im Rahmen der Vereinten Nationen, das ist das Dach, und sie müssen humanitär auch Sinn machen.
Wie stehen die Grünen heute zu Rüstungsexporten?
Da haben wir eine klare Linie: keine Rüstungsexporte an Diktaturen. Ich habe mich sehr geärgert über den jüngsten Kompromiss der Regierung bezüglich Saudi-Arabien. Deutsche Unternehmen dürfen zwar weiterhin nicht direkt an Saudi-Arabien Rüstungsgüter liefern, aber in die Region. Und obendrein dürfen deutsche Firmen einzelne Komponenten für Rüstungsgüter an ihre europäischen Partner liefern, das öffnet doch das Scheunentor für Rüstungsexporte sperrangelweit.
Ist eine Regierungsverantwortung der Grünen in greifbarer Nähe? Wie lange hält die große Koalition noch?
Die wird noch einige Zeit halten. Schon aus Angst vor Neuwahlen wird das Dreierbündnis aus SPD, CDU und CSU in völliger Agonie noch weitere zwei Jahre weiter vor sich hin regieren. Zwar im Streit, aber eng umklammert, so wird es nach meiner Einschätzung nicht zu vorgezogenen Neuwahlen kommen.