In James Kents berührendem Drama „Niemandsland – The Aftermath" nach dem Roman von Rhidian Brook verstören Keira Knightley, Alexander Skarsgård und Jason Clarke in einer fatalen Dreiecksliaison vor dem Hintergrund des völlig zerstörten Hamburgs wenige Monate nach der deutschen Kapitulation 1945.
Ein explosives Exposé, ein brisanter historischer Background und eine fatale Personenkonstellation – daraus werden hochexplosive Buchstoffe und/oder abgrundtiefe Film-Albträume gemacht. Eine tragische Liaison zwischen einem Deutschen und einer englischen Ehefrau im Nachkriegspanorama, in dem die Unterlegenen sich noch lange nicht damit abfinden werden, dass ihr Großdeutsches Reich in Schutt und Asche liegt und die Besatzer fortan regieren und kommandieren. Im klirrenden Hungerwinter des Jahres 1946 sind die Alliierten nicht nur mit dem raschen Wiederaufbau ihrer eigenen Nationen, sondern auch mit der Neuordnung Deutschlands beschäftigt. In Rhidiam Brooks vielschichtigem Roman heißt es: „Soweit das Auge reichte, dehnten sich die Trümmer dieser Stadt; der Schutt reichte bis zum ersten Stock jedes noch stehenden Gebäudes. Schwer zu glauben, dass hier einmal Menschen Zeitung gelesen, Kuchen gebacken und überlegt hatten, welche Bilder sie an die Wohnzimmerwände hängen sollten. An einer Straßenseite ragte eine Kirchenfassade auf, mit Himmel statt Buntglas und Wind statt einer Gemeinde. Auf der an-deren Straßenseite standen Mietshäuser da wie riesige Puppenhäuser, vollständig erhalten bis auf die Fassaden, die komplett weggebrochen waren und so jedem erlaubten, in die Zimmer mit ihren Möbeln hineinzusehen. In einem dieser Zimmer stand vor einem Frisiertisch eine Frau und bürstete, blind für Wind, Wetter und fremde Blicke, einem kleinen Mädchen liebevoll die Haare."
Eiskalter Winter im zerbombten Hamburg
Und just in diesem desolaten und pittoresken Niemandsland soll sich Colonel Lewis Morgan (Jason Clarke) um den Wiederaufbau der einst blühenden Metropole an der Alster kümmern. Wie alle Militärbedienstete lässt auch er seine Frau Rachel (Keira Knightley) zu sich kommen und empfängt sie gleich mit einer ernüchternden Überraschung: Anstatt, wie in dieser Lage üblich, den Eigentümer einer herrschaftlichen Villa an der vornehmen Elbchaussee auf die Straße zu befördern, den Prachtbau zu annektieren, erlaubt er dem verwitweten Architekten Stefan Lubert (Alexander Skarsgård) zusammen mit dessen neurotischer Tochter Frieda (Flora Thiemann) mit ihm und Rachel unter einem Dach zu wohnen. Ein wahrlich emotionales Himmelfahrtsunterfangen, denn zu gravierend sind die herben Verluste, die Rachel und Stefan in den just vergangenen Kriegsgräueln erleben mussten. Keine Frage, diese extraordinäre Nah-Nachbarschaft ist mit feindseligem Misstrauen und abgrundtiefem Argwohn infiziert. Doch im Laufe der Zeit wandelt sich allmählich das angsterfüllte Verhältnis zwischen Gewinnern und Verlierern.
Rachel und Stefan spüren also immer intensiver, wie nahe, zu nahe, man einander kommen kann, wohingegen Lewis unerträglich leidet. Aber auch er hat nicht die reinste weiße Weste. So umschlängelt sich das fatale Trio umeinander, nebeneinander und gegeneinander. In qualvoller Ambivalenz der eigenen Emotionen, einerseits magnetisch angezogen, auf der anderen Seite jedoch von den perfiden äußeren Umständen abgestoßen und zerteilt. Feindschaft und Verlust wandeln sich zu Leidenschaft und Betrug, bis alles letztlich in einem elektrisierenden Ende kulminiert, das wiederum irgendwo, irgendwie neue Wege weist und Neuanfänge ermöglicht. Mit zaghafter und zauberhafter Zwiespältigkeit …
Leidenschaft statt Feindschaft
Die ewige Zwiespältigkeit von adäquaten und profunden Roman-Verfilmungen zauberte James Kent („Margaret") in gefällige, erdige Glanzbilder herzzerreißender Emotionen und visualisiert eine zutiefst dramatische Lovestory, die eigentlich keine sein darf, weil jene verletzenden Bomben und Granaten, Feindschaften, und Fronten und all die Blessuren des Zweiten Weltkrieges wieder aufbrechen und bluten, bevor sie auch nur annähernd heilen konnten. Eigentlich wollte Hollywood-Regietitan Ridley Scott den profunden Romanstoff selbst in seine gewohnt Gänsehaut zum Frieren bringenden Kinokadrierungen bannen. Doch angesichts der unzähligen Produktions-, TV- und Serienprojekte blieb dem Maestro der tiefenpsychologischen Hochdramatik nicht mehr die Zeit, sodass er James Kent mit dem Regiezepter adelte. Der fokussiert Sensibilität in schick fotografierte und melodramatische Gefühlsgemälde, die vor allem das Seelen- und Innenleben der gewohnt authentisch performenden Protagonistin Keira Knightley entlarven und in Jason Clarke ein würdiges maskulines Gegenstück findet. Method-Acting-Perfektionist Alexander Skarsgård musste sich dagegen in dieser Rolle spürbar reduzieren. Eben wie die „Liebe" in dieser konfliktbeseelten Dreieckskiste. Gewinner verliert, Verlierer gewinnt. Oder vielleicht doch besser umgekehrt?