Jenny Trettin holte ein Frauenthema aus der Tabuzone. Die 38-Jährige verhilft Damen mit üppigen Formen zum richtigen BH.
Sie studierte in Amerika, arbeitete in London und Denver und spielte um Weltranglistenpunkte im Tennis. Zum Turn-Olympia-Kader vor den Spielen in Atlanta 1996 gehörte sie auch schon. Doch „gelandet" ist Jenny Trettin, Jahrgang 1980, ganz woanders: als Aufklärerin und Pionierin in Sachen korrekter BH-Passform. „Ich möchte das Thema endlich aus der Tuschelecke holen, weil rund 60 Prozent der deutschen Frauen einen falschen BH tragen", sagt die Berlinerin mit den wachen Augen.
Aber der Reihe nach: Jenny Trettin berät vor allem Damen mit großer Oberweite, welcher BH am besten passt. Beispielsweise im Auftrag von Krankenkassen wie BKK und VBU sowie im Berliner Rückenzentrum am Markgrafenpark. „Unglaubliche 80 Prozent der Frauen hierzulande kennen ihre genaue Körbchengröße nicht", gibt sie zu bedenken. Ihre Mission: Die Damenwelt von falsch sitzenden BHs zu erlösen. Ein paar Kniffe hat die Hauptstädterin natürlich gleich parat: Frauen wählen oft zu weite Unterbrustbänder und zu kleine Körbchen, sodass der Busen nicht richtig sitzt. „80 Prozent des Halts der Brust kommen aber vom Unterbrustband." Vorn zwischen dem Busen sollte der Steg wiederum eng anliegen und nicht abstehen. Und: Bei der Größenwahl keine Angst vor großen Buchstaben, denn ein hoher Buchstabe bedeutet nicht immer einen großen Busen, wie die Expertin betont. Ganz im Gegenteil und für Frauen mit üppigen Formen wichtig: Mit der richtigen BH-Größe sieht der Busen oft kleiner aus. Jenny Trettin trägt selbst Körbchengröße 65 H und weiß, wovon sie spricht. „Als Jugendliche hatte ich oft Rückenschmerzen und wenig Selbstbewusstsein. Der Grund: „Hässliche und falsch sitzende hautfarbene Ungetüme als BHs im Kleiderschrank", wie die studierte Betriebswirtschaftlerin sagt. Bis sie in einem Londoner Fitnessclub 2006 eine Schicksalsgenossin traf, deren perfekt sitzender BH sie erstaunte. „Ich fragte die Engländerin einfach, woher sie diesen Büstenhalter hat. Die schickte mich in eine Spezialboutique für große Körbchengrößen", blickt Jenny Trettin zurück. „Das klingt vielleicht etwas pathetisch: Aber mit meinem ersten gut sitzenden BH fühlte ich mich wie neugeboren!"
Rückenschmerzen und wenig Selbstbewusstsein
Die sympathische Hohenschönhausenerin hatte sich bis dahin beruflich schon in verschiedenen Bereichen ausprobiert. Doch nun stand für sie fest, ihre Mission zum Hauptberuf zu machen. Vor sechs Jahren eröffnete die Geschäftsfrau in Berlin-Mitte ihre eigene Boutique „Doppel D". Mittlerweile firmiert sie in der Knesebeckstraße. Nach einem Fernsehbericht standen die Frauen vor Jahren am nächsten Morgen Schlange. „Wir mussten sogar Wartemarken vergeben." Bald stellte sich heraus, dass es eine Beratung, wie die von Jenny Trettin und ihren Kolleginnen so bundesweit nicht gibt. Um die 8.000 BHs verschiedener Schnittformen und Muster sind im Geschäft immer am Lager. Mehr als 20 Wäschestücke mit „tragender Rolle" hat die Chefin übrigens im privaten Kleiderschrank, wie sie verrät. Zu Hause ist Jenny Trettin im schickeren, historischen Teil des Stadtbezirks Lichtenberg-Hohenschönhausen zwischen Oranke- und Obersee. Von hier aus startet sie zu Sportaktivitäten wie Joggen. Im Tennis wäre sie um ein Haar mal bei den Profis gelandet. „Ein Jahr lang hab’ ich internationale Turniere gespielt. Doch Tennis ist ein sehr einsamer Sport – ich bin aber mehr Teamplayer", schmunzelt die Powerfrau.
Vor den Olympischen Sommerspielen in Atlanta 1996 gehörte Jenny Trettin auch mal zum Turn-Olympia-Kader. Erst eine Verletzung und die strengen Auswahlkriterien führten zum Ausscheiden. Die Sportsfrau saust aber auch mit Skiern Alpengipfel hinab, spielt Badminton oder erwandert sich mit Freunden Mallorca. Woher die Power kommt, kann sie auch nicht so genau sagen. „Ich glaube, ich musste mich immer ein bisschen mehr beweisen als andere." Jenny Trettin spielt auf ihre berühmte Mutter an. Sie ist die Tochter von Christine Stüber-Errath, mehrfache DDR-Meisterin, dreifache Europameisterin und Weltmeisterin im Eiskunstlauf. An die große Glocke haben das beide nie gehängt. Doch als die Mitschüler wegen der populären Mutter sticheln, weiß sich Jenny bald zu wehren und macht ihr Ding.
Mit nicht einmal 40 kann sie schon eine beachtliche Karriere vorweisen. Mit 22 ging sie in die Vereinigten Staaten, um Betriebswirtschaftslehre zu studieren. Danach arbeitete sie unter anderem in Denver als Produktmanagerin für Stundenplaner und Kalender, in London managte sie Sponsorship-Analysen, in Berlin war sie Hauptansprechpartnerin großer Sponsoren in der O₂-World. Ihre Mutter verblüffte sie mal mit dem Satz: „Mama, ich will Spezialistin werden!" Fast wie die Mama selbst, die als Kind verkündete: „Ich will Eiskunstlauf-Weltmeisterin werden!" Beide erreichten ihr Ziel schon in relativ jungen Jahren. „Ich möchte auf diesem Globus einen Fußabdruck hinterlassen", sagt Jenny Trettin selbstbewusst. Dazu hat sie sich – beruflich – schon ein paar Mal verändert, manchmal auch ein bisschen neu erfunden – immer mit Kompetenz und Ehrlichkeit.
Davon profitieren heute unter anderem Mitglieder von Krankenkassen und die Kundschaft in der „Doppel D"-Boutique. Schließlich erklärt die BH-Trendsetterin, dass chronische Kopf- und Rückenschmerzen, Verspannungen im Schultergürtel sowie Schmerzen im Hals- und Nackenbereich häufig durch falsch sitzende BHs entstehen. Die junge Unternehmerin kommt noch mal auf zu locker sitzende Unterbrustbänder zu sprechen. Die Funktionalität dieses entscheidenden BH-Teils gehöre regelmäßig auf den Prüfstand. „Wenn das Unterbrustband seine stützende Wirkung entfaltet, liegt weniger Last auf den Schultern. Die meisten Frauen nehmen dann automatisch eine gesündere Körperhaltung ein."
Weitere Infos: www.doppel-d.eu