Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Dass in Berlin gleich die gesamte kommunalpolitische Spitze eines Bundeslandes aufschlägt, ist so einzigartig wie der Anlass. Wenn im Bund für die großen Herausforderungen eines Strukturwandels nach der Braunkohleära Milliardenpakete geschnürt werden, ist das ein notwendiges Unterfangen. Nur die Art und Weise provoziert dicke Fragenzeichen. Zu Recht erinnern die saarländischen Rathauschefs an das, was sich vor nicht allzu langer Zeit mit dem vorzeitigen Ausstieg aus der Steinkohleförderung vor der Haustür abgespielt hat. Es gab begleitende Hilfen, sicherlich. Aber aus heutiger Sicht muss sich das Land schlicht und ergreifend in einer Weise vorkommen, die sich am ehesten mit Worten beschreiben ließe, die man üblicherweise nicht schriftlich ausformuliert. Der Protest ist auch aufgrund aktueller Notwendigkeiten im Strukturwandel mehr als gerechtfertigt.
Es stellen sich dabei auch grundsätzliche Fragen. Auch wenn von Strukturhilfen Nordrhein-Westfalen profitiert, ist die Blickrichtung auf die Ost-Reviere gerichtet. Der fade Beigeschmack zeitlicher Nähe zu dortigen Landtagswahlen bleibt. Und das mulmige Gefühl, dass drei Jahrzehnte nach der deutschen Einheit die Forderung, den Blick statt nach Himmelsrichtungen an Notwendigkeiten zu orientieren, mehr Floskel als politische Praxis ist.
Eine Bekannte berichtet kürzlich leicht entsetzt über die irritierende Feststellung eines Besuchs aus den Ost-Ländern über den etwas heruntergekommenen Eindruck an so manchen Ecken im eigentlich wunderschönen Saarland. Wer das als Einzelfall und bedauerlichen Zufallseindruck abtut, verschließt die Augen vor einer inzwischen langen Entwicklung.
Dabei geht es nicht um eine Neiddiskussion, sondern schlicht um die vielbeschworenen gleichwertigen Lebensverhältnisse in allen Teilen der Republik. Als Allgemeinplatz unterschreibt das jeder. Allein, es fehlt offenbar an Wille und Kraft für sichtbare und vor allem für die Menschen erlebbare Ergebnisse.