Die BR Volleys kämpfen gegen die Alpenvolleys Haching um den Einzug ins Finale. Inzwischen spielt der Titelverteidiger wieder deutlich stabiler.
Die Erleichterung war im „Volleyballtempel" Max-Schmeling-Halle fast mit den Händen zu greifen. 3:0 nach Sätzen klingt nach einer klaren Sache, doch für die BR Volleys war das entscheidende dritte Spiel im Play-off-Viertelfinale gegen die SWD Powervolleys Düren ein hartes Stück Arbeit. Nur dank einer großen Nervenstärke wendete der Favorit das frühe Saisonaus ab und darf weiter auf ein Traumfinale gegen Rekordmeister VfB Friedrichshafen hoffen. „Der Clasico ist noch möglich", sagte Manager Kaweh Niroomand zufrieden lächelnd.
Um jedoch gegen das Team von Trainer Vital Heynen um die Vormachtstellung im deutschen Volleyball zu kämpfen, muss im Halbfinale ein weiterer unangenehmer Gegner aus dem Weg geräumt werden. Ab dem 10. April kämpfen die Berliner gegen die Alpenvolleys Haching in einer Best-of-Five-Serie, das gegnerische Team aus Innsbruck hatte zunächst Heimrecht. „Ich sehe keinen Nachteil darin, dass wir das erste Spiel auswärts bestreiten müssen", sagte Niroomand, „da liegt der Druck auf den Gastgebern." Das deutsch-österreichische Team hatte sich das Heimrecht mit einem zweiten Platz in der Hauptrunde erkämpft, als die Berliner lange Zeit schwächelten. Doch mittlerweile haben die BR Volleys wieder in die Erfolgsspur zurückgefunden, der siebte Meistertitel aus den letzten acht Jahren ist keine Utopie mehr. „Wir sind noch nicht fertig", versicherte Außenangreifer Adam White.
„Kein Nachteil, das erste Spiel auswärts zu bestreiten"
Spiele wie das dritte und letzte Viertelfinal-Duell gegen Düren hätte der Hauptstadtclub in der Hinrunde vielleicht noch verloren. Doch inzwischen funktioniert das Zusammenspiel deutlich besser, der Einsatz stimmt und der Teamgeist auch. So drehten die Berliner im entscheidenden Moment den fast schon verloren geglaubten zweiten Satz, „das war so etwas wie der Todesstoß für die Dürener in dieser Serie", behauptete Kapitän Sebastian Kühner. Er selbst war dafür nach seiner Einwechslung mitentscheidend, genau wie Kyle Russell. „Ich glaube, den Ausschlag hat gegeben, dass wir von der Bank noch nachlegen konnten", sagte deshalb Manager Niroomand. Der breitere und auch qualitativ bessere Kader kann sich aber nur durchsetzen, wenn die Spieler ihr eigenes Ego hinten anstellen. Das scheint im Team von Trainer Cédric Énard mittlerweile zu funktionieren. „Ich bin dankbar, dass Basti und Kyle uns da rausgeholt haben", sagte zum Beispiel der russische Starspieler Sergej Grankin. Der Olympiasieger war im Januar von Dynamo Moskau verpflichtet worden, seitdem geht es bei den BR Volleys aufwärts. Coach Énard nennt den Zuspieler seinen „Big Boss". Eigentlich hätte er die Führung des Teams wie einen Kuchen in zwölf Stücke teilen wollen, doch „dann kam Sergej und hat fast den ganzen Kuchen genommen", verriet der Franzose. „Und die anderen Spieler dachten: Puh! Das tut gut. So kann ich spielen."
Mit der Führungsrolle waren andere Profis lange Zeit überfordert. Früher waren die Starspieler Paul Carroll (Wechsel nach Russland) und Robert Kromm (Karriereende) in engen Situationen vorangegangen. „Die Situation war speziell, da alte, symbolträchtige Spieler gegangen sind", sagte Trainer Énard. „Kromm und Carroll waren Anführer." Manager Niroomand forderte daher für die K.o.-Duelle: „Aktuell haben wir kaum Spieler mit Play-off-Erfahrung. An solchen Spielen muss das Team nun wachsen."
Der Druck auf den Meister war enorm, denn ein Ausscheiden wäre eine große Enttäuschung gewesen und hätte das Ende der letzten noch verbliebenen Titelchance bedeutet. „Genau das sind doch die Duelle, für die wir unseren Sport betreiben und lieben", sagte Kühner. Und Mittelblocker Jeffrey Jendryk meinte: „Wir haben bewiesen, dass wir mit dem Druck umgehen können."
Unterschätzt hatten die Berliner ihren Gegner nicht, Trainer Énard hatte schon vor dem ersten Aufschlag davor gewarnt, dass das Team aus Düren über eine Menge individueller Qualität verfügt. Mit dieser Einschätzung lag der Franzose absolut richtig. Der geschickte Zuspieler Tomas Kocian, der schlaggewaltige Diagonalangreifer Sebastian Gevert, die routinierten Mittelblocker Michael Andrei und Tim Broshog – sie machten dem Favoriten aus Berlin das Leben von Spiel eins an schwer. Auch der bereits 37 Jahre alte Björn Andrae, einst Kapitän der Nationalmannschaft, der in Spiel zwei den Matchball zum 15:13 im Tiebreak und damit zum 1:1-Ausgleich in der Serie verwandelte, zeigte seine Klasse. „Wir haben zu viele Fehler im Aufschlag gemacht, und deswegen war es schwer", sagte der deutsche Nationalspieler Moritz Reichert nach der Niederlage im Rheinland. Coach Énard hatte den letzten Funken Leidenschaft bei seinen Spielern vermisst – anders als beim Gegner: „Düren hat ums Überleben gekämpft und war ‚on fire‘. So müssen wir auch auftreten."
„Es ist nicht so, dass ich keine Anspannung spüre"
Doch die Berliner, die das erste Duell noch mit 3:0 nach Sätzen dominiert hatten, ließen sich davon nicht einschüchtern und schlugen zurück. Er hätte nie das Gefühl gehabt, betonte Trainer Énard nach dem dritten Spiel, „dass die Jungs Angst hatten zu scheitern". Sind die BR Volleys also wieder das beste Team der Liga? „Es ist ganz einfach", antwortete der französische Coach: „Wir müssen den Meistertitel holen, dann sind wir es."
Die Ansprüche an die BR Volleys sind groß. National will der neunmalige Meister das Flaggschiff im deutschen Volleyball bleiben und international eine noch tragendere Rolle spielen. Ein Viertelfinal-Aus hätten die Club-Verantwortlichen den potenten Sponsoren nur schwer erklären können. Daher war Manager Niroomand vor der K.o.-Serie gegen Düren auch leicht nervös: „Es ist nicht so, dass ich keine Anspannung spüre und meine Füße im Whirlpool baumeln." Der 66-Jährige habe gewusst, „dass Düren eine harte Nuss" sei. Zumal schon die beiden Hauptrundenspiele der Play-off-Viertelfinalisten erst im Tiebreak entschieden worden waren.
Niroomand will ganz genau hinschauen, wer sich in engen Situationen versteckt und wer Verantwortung übernimmt. Denn der Kader für die nächsten Jahre ist nicht in Stein gemeißelt. „Wenn wir es als Verein wollen", sagte der Clubmanager, „ändert sich an dem Bild unserer Mannschaft in der kommenden Saison kaum etwas." Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass Spielerwechsel bei Misserfolg wahrscheinlich sind.
Ein Trainerwechsel ist unwahrscheinlich, zumal Énard erst seine erste Saison in Berlin absolviert. Nach einer eher schwachen Hinrunde hat sich das Team unter der Regie des Franzosen klar gebessert, die Mannschaft hat jetzt mehr Sicherheit in ihrem Spiel. Énard gilt als Taktikfuchs, der auch im Halbfinale seinem Team einen ausgeklügelten Matchplan mit an die Hand geben will: „Das ist ja ein kleiner Krieg, in dem man auf das eigene Spiel schaut und darauf vorbereitet ist, was der Gegner machen könnte."