Die Milwaukee Bucks waren bis vor Kurzem noch der Inbegriff einer grauen Maus in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA. In dieser Saison bietet der Club jedoch beste Unterhaltung und greift nun in den Play-offs ab diesem Samstag, 13. April, nach dem Titel.
Mit Enttäuschung statt Vorfreude hätten bis vor wenigen Jahren wahrscheinlich die meisten europäischen NBA-Fans auf die Ankündigung reagiert, dass die Milwaukee Bucks bald ein reguläres Saisonspiel in Paris bestreiten werden. Schließlich galt Milwaukee bis vor Kurzem noch als der Inbegriff einer grauen Maus in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga – kein Vergleich zu den glamourösen und auch diesseits des Atlantiks äußerst populären Clubs aus Miami, Chicago oder Los Angeles.
Doch inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Die Bucks sind plötzlich angesagt: Die neue Halle ist fast immer ausverkauft und Milwaukee ein gern gesehener Gast bei den landesweiten TV-Übertragungen. Aus einer darbenden Franchise sei in kürzester Zeit eine Weltmarke geworden, meinte kürzlich gar das renommierte „Forbes"-Magazin. Angeführt wird die Mannschaft vom Griechen Giannis Antetokounmpo – längst einer der großen internationalen Stars der Liga. Man darf der National Basketball Association (NBA) also nur gratulieren, dass sie für das Gastspiel in Paris am 20. Januar 2020 das Duell der Milwaukee Bucks gegen die Charlotte Hornets auserkoren hat. Und mit etwas Glück bekommen die Basketballfans in Europa dann sogar den amtierenden Champion zu sehen.
Zum Start der diesjährigen NBA-Play-offs an diesem Samstag, 13. April, gilt der Club jedenfalls als einer der großen Favoriten auf den Titelgewinn. „Es ist eine großartige Zeit für Milwaukee, für Wisconsin und für die Bucks", sagt Clubpräsident Peter Feigin. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe stand seine Mannschaft kurz davor, Platz eins im Osten klarzumachen, der ihr bis zum Conference-Finale das Heimrecht bescheren würde; zudem standen die Chancen gut, dass Milwaukee sogar mit der besten Bilanz aller Clubs in die Endrunde gehen würde, womit man auch in einer möglichen Finalserie gegen den Vertreter des Westens das entscheidende Spiel zu Hause bestreiten dürfte. Die Bucks stellen das beste Heimteam der Liga, und auch auswärts kann nur Titelverteidiger Golden State eine bessere Bilanz vorweisen. Die Mannschaft hat im Schnitt die meisten Punkte erzielt, glänzt aber auch mit einer bärenstarken Defensive. Es sind also alle Zutaten beisammen, um nach knapp einem halben Jahrhundert endlich wieder einmal den ganz großen Wurf zu landen.
Die neue Halle ist fast immer ausverkauft
Ein einziges Mal war Milwaukee bislang Meister: 1971, damals noch mit dem legendären Kareem Abdul-Jabbar. Zuletzt war der Club jedoch höchstens Mittelmaß. Nachdem man 2001 zum bislang letzten Mal das Conference-Finale erreichte, war seitdem stets in der ersten Runde Endstation, neunmal fanden die Play-offs sogar ganz ohne Bucks-Beteiligung statt. In der Saison 2013/14 war der Verein mit gerade einmal 15 Siegen aus 82 Spielen sogar der schlechteste der ganzen NBA.
Seitdem geht es jedoch steil bergauf. Mittlerweile schaut die Konkurrenz anerkennend nach Wisconsin. Auf die Frage, was er von den Bucks halte, antwortete Mike D’Antoni, Trainer der Houston Rockets, erst kürzlich: „Ich hoffe, wir sehen sie irgendwann im Juni wieder" – dann steigt in der NBA das große Finale. Ob sich Houston nach der jüngsten 108:94-Pleite bei den Bucks allerdings wirklich auf ein weiteres Aufeinandertreffen mit Milwaukee freuen sollte, darf zumindest bezweifelt werden.
Das Spiel gegen die Rockets war auch das Duell der beiden Kandidaten für den Titel des wertvollsten Spielers der Saison: Auf der einen Seite Houstons Punktemaschine James Harden – auf der anderen Giannis Antetokounmpo, der Mann mit dem schwierigen Namen und dem umso leichteren Händchen. Über 27 Punkte erzielt der „Greek Freak" durchschnittlich, schon 52 Mal gelang ihm in dieser Saison ein Double-Double, also eine zweistellige Ausbeute in zwei von fünf statistischen Kategorien. „Wir hier in der Kabine und auch viele andere Leute sind der Meinung, dass wir den besten Spieler der Liga haben. Es ist so beeindruckend, ihm jeden Abend zuzuschauen", sagt Mitspieler Brook Lopez. Giannis Antetokounmpo ist eigentlich kein klassischer Center und spielt viel lieber auf dem Flügel, gelegentlich übernimmt er sogar Aufgaben eines Spielmachers. Trotzdem dominiert er die Zone wie kaum ein anderer. Längst wird der 24-Jährige mit Shaquille O’Neal verglichen, zwischen 1992 und 2011 einer der besten Spieler der NBA unter den Körben. „Shaq" selbst adelte Antetokounmpo, als er ihm unlängst seinen einstigen Spitznamen „Superman" verlieh. „Ich habe noch nie meinen Spitznamen abgegeben, aber bei Giannis mache ich eine Ausnahme", sagte O’Neal. „Er dominiert, und das gefällt mir. Er dominiert die Zone, er attackiert, er stopft."
2013/14 noch der schlechteste Verein der NBA
Doch die Milwaukee Bucks sind mehr als ein Ein-Mann-Unternehmen. Auch der Rest des Kaders steuert seinen Teil zum Erfolg bei. Das Onlineportal Spox analysierte bereits im Januar: „Der Supporting Cast der Bucks und Antetokounmpo – das ist eine perfekt funktionierende Symbiose. Einerseits ermöglichen die Rollenspieler Giannis enorm viel Platz für dessen brandgefährliche Drives, andererseits erfordert der Grieche so viel Aufmerksamkeit von der gegnerischen Defense, dass die Rollenspieler die meisten weit offenen Dreier in der Liga nehmen können." Dass die einzelnen Teile des Puzzles so gut ineinanderpassen, ist sicherlich auch ein Verdienst des neuen Trainers Mike Budenholzer, der vor der Saison aus Atlanta gekommen war. Er leistet in seinem ersten Jahr in Milwaukee auf Anhieb sehr gute Arbeit und gilt deshalb zu Recht als einer der Anwärter auf den Titel Trainer des Jahres. Wie gut die Bucks als Team funktionieren, wurde in den vergangenen Wochen noch einmal deutlich, als mit Nikola Mirotic, Pau Gasol, Tony Snell sowie dem Rookie des Jahres 2017, Malcolm Brogdon, gleich mehrere Spieler verletzt ausfielen. Milwaukee ließ sich davon jedoch nicht beirren, ebenso wenig wie von einer leichten Blessur am Knöchel bei Antetokounmpo, der deshalb in den letzten Partien der Hauptrunde von Budenholzer etwas geschont wurde. „Das ist eben die NBA, da passieren solche Dinge", meint Spielmacher Eric Bledsoe. „Es ist natürlich schade für die Jungs, die verletzt sind, aber das Spiel geht weiter. Wir befinden uns gerade in einem solchen Groove, dass wir trotzdem versuchen wollen, für das ganz Besondere zu spielen." Denn das wäre die Meisterschaft ohne Frage.
Ein Selbstläufer ist der Titel indes nicht. In der Eastern Conference sind die Toronto Raptors ein harter Gegner: Das einzige kanadische Team in der NBA hat in der regulären Saison ebenfalls über 70 Prozent seiner Spiele gewonnen und lag damit nur knapp hinter den Bucks. Selbst im eigentlich höher eingeschätzten Westen gelangen keiner Mannschaft so viele Siege – was allerdings auch daran liegt, dass die Vereine dort insgesamt stärker besetzt sind und sich demnach gegenseitig die Punkte wegnehmen. Abschreiben darf man Mannschaften wie die Houston Rockets oder den Champion der vergangenen beiden Jahre, die Golden State Warriors, aber keineswegs.
Auch die Denver Nuggets befinden sich im Höhenflug
Möglicherweise kommt es aber auch zu einem Endspiel, auf das vor der Saison wohl niemand getippt hätte. Denn nicht nur die Milwaukee Bucks sind bislang überraschend stark – auch die Denver Nuggets in der Western Conference befinden sich im Höhenflug und standen bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe auf Rang zwei ihrer Staffel, nur knapp hinter den Warriors. Denver erlebte zuletzt ebenfalls harte Zeiten: Fünf Jahre in Folge hatte der Club die Play-offs verpasst, doch nun mischt die junge Mannschaft trotz mehrerer Ausfälle von Stammspielern die Liga auf. „Es ist Partyzeit", meinte Trainer Michael Malone, der genau wie Budenholzer als Kandidat für die Auszeichnung als bester Trainer gehandelt wird. Sätze, die man bislang eher aus Miami, Chicago oder Los Angeles gewohnt war. Doch auf einmal sind es Standorte wie Denver oder Milwaukee, an denen die beste Party geboten wird.