Der 1. FC Köln und der Hamburger SV sind die klarsten Aufstiegsfavoriten, die die 2. Bundesliga je hatte. Beide werden wohl auch aufsteigen. Ihrer Ausnahmestellung gerecht geworden sind sie trotzdem nur sehr selten.
Noch nie gab es klarere Favoriten. Aber dominantere Teams hat die 2. Fußball-Bundesliga schon einige gesehen. Wenn man vor der Saison nach den Aufstiegsfavoriten fragte, wunderte sich manch einer gar, was die Frage überhaupt solle. Der 1. FC Köln und der erstmals überhaupt abgestiegene Bundesliga-Dino Hamburger SV schienen schon vor der Saison über jeden Zweifel erhaben.
Ja, beide Vereine hatten katastrophale Saisons gespielt und waren folgerichtig abgestiegen. Und der Wiederaufstieg ist seit Jahren kein Selbstläufer. Nur sechs der 17 Vorgänger schafften es sofort wieder hoch, nur in der Saison 2016/17 kehrten mit Hannover und Stuttgart beide Absteiger direkt in die 1. Bundesliga zurück.
Doch der FC und der HSV waren anders. Beide kommen aus Millionenstädten. Sie bringen es zusammen auf 102 Jahre Bundesliga, neun Deutsche Meisterschaften und sieben DFB-Pokalsiege. In der Einschaltquoten-Tabelle des Pay-TV-Senders Sky belegten ihre Spiele in der vergangenen Saison Platz vier (HSV) und fünf – nur die Bayern, Dortmund und Schalke wurden häufiger geschaut. In der Etat-Tabelle dieser Zweiten Liga liegen beide mit rund 30 Millionen Euro vorne, der Drittplatzierte hatte nicht einmal das halbe Geld zur Verfügung. In der Zuschauer-Tabelle sind sie mit durchschnittlich fast 50.000 Besuchern logischerweise auch klar Erster und Zweiter. Und noch eklatanter ist es bei den Marktwerten: Auch dort steht der FC laut „transfermarkt.de" mit 79,95 Millionen Euro ganz oben, die Hamburger folgen mit 58,88 Millionen, dann mit weitem Abstand Union Berlin mit 23,35 Millionen. Der Kader des FC alleine ist laut dieser Tabelle so wertvoll wie die von Magdeburg, Aue, Duisburg, Regensburg, Sandhausen und Greuther Fürth zusammen.
Köln und Hamburg bringen es zusammen auf 102 Jahre Bundesliga
Kurzum: Klarere Aufstiegsfavoriten hat die 2. Bundesliga noch nie gesehen. Beide waren quasi der FC Bayern der Zweiten Liga. Was grundsätzlich auch kein Problem darstellt, da es ja auch zwei feste Aufsteiger gibt. Nun, vor dem letzten Saison-Viertel lässt sich festhalten: Der FC und der HSV, die am 15. April in Köln zum absoluten Gipfel-Treffen zusammenkommen, sind tatsächlich erster und zweiter in der Tabelle. Aber alles in Grund und Boden gespielt haben die beiden nun wahrlich nicht. Nur mit Tradition, Geld und Zuschauern steigt man nicht auf. Und die Frage, wer ihre größten Gegner in dieser Saison sein würden, lässt sich eindeutig mit „sie selbst" beantworten. Manch einer spottet gar, die beiden Giganten würden sich größte Mühe geben, nicht aufzusteigen. Aber sie könnten einfach gar nicht so viel falsch machen, dass das klappt. Ein Kölner Fan drückte es nach der Absage des Spiels beim Abstiegskandidaten MSV Duisburg so aus: „Ein perfekter Spieltag. Alle haben für uns gespielt – und wir haben keine Chance, es noch zu versauen."
Gerade die Kölner, die ihre hochkarätige Mannschaft um Nationalspieler Jonas Hector und Olympia-Torhüter Timo Horn alleine während der Saison noch mal durch die Erstliga-Spieler Johannes Geis und Florian Kainz sowie den zurückgeholten Torjäger Anthony Modeste aufbesserten, ließen immer mal wieder ihre individuelle Klasse und Offensiv-Power aufblitzen. Gegen Dresden gab es einen 8:1-Kantersieg, den Aufstiegskandidaten St. Pauli besiegten die Kölner 5:3 und 4:1 und auch gegen Darmstadt, Magdeburg (beide 3:0), Fürth und Kiel (jeweils 4:0) und Bielefeld (5:1) gab es deutliche Siege. Demgegenüber stehen zwei Pleiten gegen Aufsteiger Paderborn (3:5 zu Hause und 2:3 nach 2:0-Führung) oder gegen den damaligen Letzten Duisburg (1:2). Dazu kamen Negativ-Schlagzeilen wie beim Rücktritt von Präsident Werner Spinner.
Die Hamburger, die mit Pierre-Michel Lasogga, Kyriakos Papadopoulos und den Ex-Nationalspielern Lewis Holtby und Aaron Hunt vier der bekanntesten, aber auch bestbezahlten Zweitliga-Spieler der Historie in ihren Reihen wissen, hatten ein paar noch krassere Ausschläge. Zu Hause gingen sie 0:3 gegen Kiel und 0:5 gegen Regensburg unter, gegen beide verloren sie auch noch das Rückspiel. Auch der Trainer wurde schon gewechselt; Hannes Wolf folgte auf Christian Titz.
Der Weg zurück zu glorreichen alten Zeiten ist für beide noch weit
Das Highlight der Saison ist für den HSV bisher zweifellos der Einzug ins Halbfinale des DFB-Pokals. Der erste seit 2009. Doch in der Liga ist die Bürde des Mega-Favoriten eine sehr große. Man verspüre keine Panik, sagte Sportchef Ralf Becker zuletzt, „aber großen Druck". Zumal der HSV auch finanziell schwer angeschlagen ist. Allein schon deshalb ist der Aufstieg ein absolutes Muss. Und selbst in der Ersten Liga müssten die Norddeutschen weiter Personalkosten abbauen.
Die Kölner, die es kurioserweise in der Saison vor ihrem Abstieg erstmals seit 25 Jahren wieder in den Europacup geschafft hatten, gelten nach schweren Zeiten in den Nullerjahren als konsolidiert. 2012 habe der Verein kurz vor der Insolvenz gestanden, sagte Finanz-Geschäftsführer Alexander Wehrle. In dieser Saison rechnet er sogar im Unterhaus mit einem leichten Plus. Beim HSV wird dagegen ein Minus von rund 20 Millionen befürchtet.
Im Endeffekt machten beide ihre Unsicherheiten und Schwächen durch individuelle Klasse wett. Um ihre drei Stürmer – Simon Terodde traf in den ersten 25 Saisonspielen 27 Mal, dazu 17-Millionen-Mann Jhon Cordoba und eben der in der Bundesliga einst 25 Mal erfolgreiche Modeste – werden die Kölner sogar von Erstligisten beneidet. Die Hamburger konnten sich immer wieder auf den ebenso belächelten wie verehrten, ebenso ungelenken wie kompromisslos knipsenden Lasogga verlassen.
Kurzum: Beide werden es am Saisonende wohl nicht vermasseln können und in die Erste Liga zurückkehren. Und das wohl unabhängig vom Ausgang des direkten Duells, das dennoch elektrisiert wie noch kaum ein Zweitliga-Spiel zuvor. Das hochgehypte Hinspiel war übrigens bezeichnenderweise eine Enttäuschung. Die Hamburger gewannen die kaum ansehnliche Partie mit 1:0. Kölns Sportchef Armin Veh bezeichnete die Leistung seines Teams nachher als „grottenschlecht".
Doch der Weg zurück zu glorreichen alten Zeiten ist für beide auch nach dem Aufstieg noch weit. Im Oberhaus werden sie den Druck nicht mehr haben, in jedem Spiel der haushohe Favorit zu sein. Aber dafür geht es darum, den nächsten Absturz mit aller Macht zu vermeiden. Denn für die Zweite Liga sind beide zwar eine Attraktion, sie selbst sind aber irgendwie doch im falschen Film.