Saarbrücken – eine Hochburg neuer Unternehmensgründungen? Die Starterzentren an der Saar jedenfalls sind überfüllt. Die fünf heißesten Start-ups, die gerade frisch auf dem Markt sind, stellen wir in einer kleinen Serie vor. Im ersten Teil: Vipfy und Daimond.
Im Jahr 1985 war es, als sich die Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer (KWT) an der Universität des Saarlands gründete. Eine Initiative, um jungen Unternehmern auf dem Weg ins eigene Business zu helfen und sie finanziell und beratend zu unterstützen. 1995 folgte das erste Starterzentrum, 1998 das zweite. „Die Start-ups dürfen dort in Coworking-Spaces arbeiten und bekommen den Platz, wenn sie eine Exist-Förderung erhalten", so der KWT- Abteilungsleiter Jens Krück. Über dieses Gründerstipendium erhalten die jungen Unternehmer für ein Jahr bis zu 3.000 Euro für Lebensunterhaltskosten, Sachausgaben und Coachings. Wer das Stipendium nicht bekommt, darf sich in den Gründerzentren einmieten und drei Jahre dort bleiben, samt Sekretariatsservice und Meeting-Räumen. Und die Bemühungen tragen Früchte.
Im Saarbrücker Starterzentrum laufen derzeit acht Existenzgründungen mit Stipendium, seit 1985 entstanden in Saarbrücken 395 Start-ups, zehn davon haben heute mehr als 100 Mitarbeiter und bieten damit vielen Menschen im Saarland einen Arbeitsplatz. Laut einer aktuellen Erhebung des Portals Gründungsradar, liegt die Saar-Uni bundesweit auf dem zweiten Platz, was die Gründungsförderung angeht, direkt hinter der Technischen Universität München und gleichauf mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften München und vor dem Karlsruher Institut für Technologie.
Weshalb die Förderung im Saarland so gut ist, erklärt Krück: „Wir haben hier einerseits eine sehr gute Infrastruktur, andererseits geht es immer um die Menschen, die die Gründer unterstützen." Und die seien in Saarbrücken gut. Viereinhalb Personalstellen gibt es, die sich um Gründer kümmern. „Wir sind als Ansprechpartner immer da und jeder aus dem Starterzentrum kann unangemeldet herkommen und Fragen loswerden", sagt Krück.
Weltruhm erlangte zwar bislang noch keine der Gründungen, „wir sehen aber bei einigen jungen Unternehmen ein extrem hohes Potenzial, um wirklich groß zu werden", sagt Krück, dessen Team intensiv daran arbeitet, die Unternehmen größer zu machen. „Wir arbeiten noch daran, Investitionen ins Land zu holen", sagt er. Denn auch die Landesregierung hat das Potenzial der Neugründungen erkannt und ist daran interessiert, noch mehr Unternehmen auf mehr als 100 Mitarbeiter wachsen zu sehen. Eines der aktuellen Exist-geförderten Start-ups ist Vipfy, das Unternehmen bei der Verwaltung seiner Software hilft. Daimond, eine Ausgründung des Instituts für Informatik an der Saar-Uni, analysiert Unternehmensdaten.
VIPFY
Es war auf einem Start-up-Weekend, als sich Markus Müller und Nils Vossebein kennenlernten. Müller, schon länger in der IT-Branche aktiv, war in Gesprächen mit mehreren Partnern auf die Idee gekommen, dass man ein Produkt bräuchte, um die mittlerweile allgegenwärtigen Cloud-Services besser und sicherer nutzen zu können. „Es gibt ja viele Vorbehalte gegen solche cloudbasierte Lösungen, und da müssen wir Lösungen bringen", erklärt Vossebein. Die beiden Männer unterhielten sich, verstanden sich und beschlossen, die Sache gemeinsam in die Hand zu nehmen. Es folgte ein gutes Jahr, in dem die Gründer konzeptionelle Fragen klärten und ihre Idee ausarbeiteten. Im Mai 2018 folgte schließlich die Exist-Förderung, die noch bis Ende April läuft. Was danach passiert, müsse man schauen, das Unternehmen lief aber in der Anfangsphase bislang gut an. Doch was genau ist Vipfy? „Wenn man Steam für Computerspiele kennt, kann man sich Vipfy so ein bisschen als eine Art Steam für Cloudservices für Unternehmen vorstellen", sagt Vossebein. Heißt: Eine Vertriebsplattform, die noch weit mehr bietet als den reinen Vertrieb. Service und Vernetzung werden dort ebenso geboten. Vossebein: „Das Unternehmen meldet sich an, gibt einfache Informationen an wie die Mitarbeiteranzahl und was es macht, also worauf der Fokus liegen soll." Aus diesen Informationen heraus empfehlen die Vipfy-Macher Softwareprogramme, die dem Unternehmen weiterhelfen könnten. „Wir schauen, welches CRM man nutzen könnte, welche HR-Software, welche Social-Marketing-Tools und so weiter." Die Unternehmen können all diese Programme direkt über den Markplatz bei Vipfy kaufen und im System zentral verwalten. „Wenn man einen neuen Mitarbeiter bekommt, kann man ihn anlegen", sagt Vossebein. „Dann werden von uns automatisch alle Accounts angelegt." Ebenso funktioniert es, wenn der Mitarbeiter das Unternehmen wieder verlässt. Mit einem Klick lassen sich sämtliche Daten und Zugänge löschen, damit keine Probleme mit sensiblen Daten entstehen, denn: „Man benutzt ja wirklich viele Programme und wenn man nur eines vergisst, kann man ein Problem bekommen." Ein weiterer Vorteil der Entwicklung der Jungunternehmer: Urlaubsvertretungen können sich mit einem eigenen Account einloggen und haben direkt ohne Umwege alle nötigen Programme zur Verfügung – und das alles besonders sicher, denn ein Algorhythmus erkennt, ob sich ein Mensch wirklich einloggt, oder ob es sich um einen automatischen Hackerangriff handelt. Damit das klappt, schreiben die Vipfy-Macher im Moment ein Programm. „Noch können wir nicht alle Accounts automatisch verwalten, da wir im Moment noch die einzelnen Cloudservices überzeugen müssen und dazu viel Aufbauarbeit leisten", sagt Vossebein. Deshalb gibt es im Moment noch 20 Testkunden, die Vipfy ausprobieren, aber schon sehr zufrieden sind. Sind alle Fragen geklärt, wollen die Gründer Werbung schalten. Die Zielgruppe sind dann Kleinunternehmer, die ihre Nutzer mit dem Tool verwalten wollen.
DAIMOND
„Wir nennen das, was wir machen, Data Science Assist Service", sagt Thilo Krüger und stößt damit noch immer auf fragende Blicke. Was also versteckt sich dahinter? „Wir machen Projektarbeiten mit Unternehmen, in denen wir Fragestellungen, die diese Unternehmen haben und die sich mit Daten beantworten lassen, beantworten", sagt Thilo Krüger. Daimond hilft Unternehmen also, ihre vielen Daten so auszuwerten, dass das Unternehmen dadurch effizienter wird. Krüger erklärt: „Wir haben zum Beispiel Sensordaten, die bei einem Produktionsprozess anfallen. Der Kunde möchte während der Produktion wissen, wie gut das Produkt wird, damit man während der Produktion schon gegensteuern kann. Dabei können wir helfen." Das Daimond-Team muss dann prüfen, wie gut die Daten sind, für welchen Zeitraum sie gelten und ob sie passen. „Dann schreiben wir zugeschnittene Programme für den jeweiligen Kunden, die mittels maschinellen Lernens arbeiten." Das funktioniert etwa im produzierenden Gewerbe, aber auch in der Chemieindustrie. „Zusammengefasst kann man unsere Arbeit als vorhersagende Datenanalyse bezeichnen", sagt Thilo Krüger.
Zu Beginn einer Zusammenarbeit macht das Daimond-Team, zu dem noch der Postdoktorand der Saar-Uni Endre Palatinus gehört, eine Potenzialanalyse. Mit dabei sind als Berater die Informatikprofessorin Verena Wolf und der Informatikprofessor Jens Dittrich. Daimond ist also eine klassische Ausgründung von zwei Professoren und zwei Doktoranden aus Arbeitsgruppen an der Universität. Krüger: „Üblicherweise hat jemand eine super Idee und dann wird ein Team zusammengesucht. Bei uns war das andersrum. Wir hatten das Team mit verschiedenen Fähigkeiten, die gut zusammenpassten, und haben überlegt, was man damit machen kann." Palatinus und Krüger arbeiten in Vollzeit an ihrem Projekt, die Professoren helfen bei Problemen und bei der Akquise von Kunden – und erste namhafte Kunden haben die Gründer seit dem Start im September schon, etwa Villeroy & Boch. Nun gilt es, weiter zu wachsen. „Die ersten zwei Jahre sind die spannende Zeit", ist sich Krüger bewusst, der gemeinsam mit seinem Kollegen in Vollzeit für das neue Unternehmen arbeitet. Im ersten halben Jahr unterstützte der IT-Inkubator der Universität Daimond noch finanziell – eine weitere Maßnahme, um jungen Unternehmen unter die Arme zu greifen. Der Inkubator ist ein Joint Venture zwischen der Max-Planck-Gesellschaft und der Universität des Saarlandes, um neue Technologien zur Marktreife zu bringen. Dort ist Daimond inzwischen angelangt – die Finanzierung klappt auch ohne Unterstützung.