Die neue Regierung Netanjahus dürfte einen noch härteren Kurs fahren
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gilt als begnadeter Redner, als ein mit allen Wassern gewaschener Wahlkämpfer und als Meister der politischen Ablenkungsmanöver. Doch bei der Parlamentswahl hatte Netanjahu Gegenwind wie selten. Wenige Wochen vor dem Urnengang belastete ihn die Generalstaatsanwaltschaft mit schweren Bestechungsvorwürfen. Es geht um den Verdacht der Beeinflussung von Medien und der Annahme teurer Geschenke befreundeter Milliardäre. Zudem stand dem Amtsinhaber mit dem ehemaligen Armeechef Benjamin Gantz ein starker Herausforderer gegenüber.
Trotzdem gewann Netanjahus Likud-Partei, wenn auch knapp. Mit seiner Selbstverliebtheit und seinem polarisierenden Politik-Stil mag der Premier etliche Wähler vor den Kopf gestoßen haben. Doch im unruhigen Nahen Osten setzen die Israelis auf drei Dinge: Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit. Weil Netanjahu wie kein anderer für Schutz und Stärke steht, kann er nun zum fünften Mal die Regierung bilden. Dank einer Koalition mit rechten und ultra-orthodoxen Parteien verfügt er sogar über eine für israelische Verhältnisse satte Mehrheit von fünf Mandaten.
Einer der Gründe für Netanjahus Wahlsieg ist seine außenpolitische Wendigkeit. Netanjahu hat es geschafft, sich als großer internationaler Spieler zu positionieren: Er pflegt einen ganz engen Draht zu US-Präsident Donald Trump, der ihm kurz vor der Wahl im Alleingang – und am Völkerrecht vorbei – die Souveränität über die Golanhöhen zugesprochen hat. Bereits im vergangenen Mai hatte Trump die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt, das von Israel 1981 zur „ewigen Hauptstadt" erklärt worden war. Eine spektakuläre Rückendeckung für Netanjahu. Und eine kalkulierte Provokation, denn der Ostteil Jerusalems wird von den Palästinensern beansprucht.
Gleichzeitig zelebriert Israels Premier den Schulterschluss mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er hat dem Kremlchef das Recht abgerungen, Angriffe auf Stellungen der schiitischen Hisbollah oder der iranischen Revolutionsgarden in Syrien vorzunehmen, sollten diese zu nah an die israelische Grenze rücken. Und: Netanjahu ist es gelungen, eine informelle Allianz mit den arabischen Golfstaaten gegen das Mullah-Regime zu schmieden.
Entscheidend für den Wahlerfolg ist aber etwas anderes. Netanjahu kommt zugute, dass sich Israels Gesellschaft in den vergangenen Jahren deutlich nach rechts verschoben hat. 63 Prozent seiner Landsleute bezeichnen sich heute als rechts, nur 15 Prozent als links und 18 Prozent als der Mitte zugehörig. Nach den zerstobenen Friedensillusionen in den 90er-Jahren, einer Phase mit Terroranschlägen Anfang der 2000er- Jahre, der Machtergreifung der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen 2006 wünschten sich die Israelis vor allem eines: Ruhe. Netanjahu erfüllte diese Sehnsüchte.
Sein unnachgiebiger Kurs gegenüber den Palästinensern und seine Politik der eisernen Faust gegenüber Teheran kommt bei der Mehrheit an. Der Drall zu mehr Nationalismus, mehr Siedlungen und zu einer scharfkantigeren Außenpolitik wird in einer neuen Koalition mit rechten und ultra-orthodoxen Parteien zunehmen. Diese werden Netanjahu ermutigen, sein Versprechen wahrzumachen, Siedlungen im Westjordanland zu annektieren. Die Rückkehr der biblischen Gebiete Judäa und Samaria ist für sie ein seit Langem gehegter Traum.
Der Ausgleich mit den Palästinensern steht hingegen in der aktuellen israelischen Politik nicht auf der Tagesordnung. Die sozialdemokratische Arbeitspartei, die Anfang der 90er-Jahre den Oslo-Friedensprozess angestoßen hatte, führt heute ein Mauerblümchendasein. Politische Führer vom Kaliber eines Shimon Peres oder Jitzchak Rabin sind weit und breit nicht in Sicht.
Auch auf der Seite der Palästinenser gibt es keine Impulse für eine Verhandlungs-Initiative. Entgegen ihrer Ankündigung aus dem Jahr 2017 haben sich die Fatah aus dem Westjordanland und die radikalislamische Hamas aus dem Gazastreifen bis zum heutigen Zeitpunkt nicht versöhnt. Letztere bestreitet das Existenzrecht Israels. Die von vielen Ländern befürwortete Zwei-Staaten-Lösung, die neben Israel einen unabhängigen Palästinenserstaat vorsieht, ist damit de facto tot. Den meisten Zuspruch bekommen die Palästinenser derzeit noch von der Türkei und vom Iran. Viel helfen dürfte ihnen das nicht.