Es tut sich was in der Schwimmszene. Eine Profiserie mit dem Namen ISL macht dem Weltverband Konkurrenz. Gewinner sind die Athleten, die auf saftige Prämien hoffen dürfen.
Natürlich hat auch Adam Peaty eine Einladung bekommen. Der Brite ist einer der erfolgreichsten Schwimmstars der Welt, er ist aber auch einer der größten Kritiker des Weltverbandes Fina. Daher verwundert es nicht, dass der Olympiasieger bei der neuen „Champions Swim Series" nicht antreten wird. Der offizielle Grund lautet, dass ein Start seine Vorbereitungen auf die Weltmeisterschaften im Juli in Gwangjus/Südkorea negativ beeinträchtigen würde. Doch hinter der Absage dürfte weitaus mehr stecken.
Peaty ist eines der Zugpferde der „International Swimming League" (ISL), einer Profiserie, die in der ersten Auflage ab August mit hohen Preisgeldern in Konkurrenz zu den Fina-Wettbewerben geht. Nachdem der Weltverband zunächst nur mit Drohungen harter Sanktionen gegen die ISL vorgegangen war, kam es nach einer Sammelklage der neuen Profiserie in den USA gegen das internationale Wettbewerbsmonopol der Fina zum Umdenken. Dahinter steckt im Kern die Forderung nach mehr Mitspracherecht und Geld für die Athleten.
Wie aus dem Nichts zauberte die Fina am Rande der Kurzbahn-WM im vergangenen Dezember ihren eigenen Elite-Wettbewerb aus dem Hut. Die „Champions Swim Series" startet am 27. und 28. April in Guangzhou – und verspricht ungewohnt hohe Preisgelder und ein Wettmessen der Besten. Also exakt das, was auch die ISL plant. Den Athleten kommt der Machtkampf hinter den Kulissen gerade recht, denn plötzlich kämpfen gleich zwei Parteien um ihre Gunst und locken mit Geld. Zumindest die besten der Szene.
Spektakulär ist vor allem der Modus der neuen Serie
Aus Deutschland haben lediglich Vizeweltmeisterin Franziska Hentke (200 Meter Schmetterling), der Olympia-Sechste Philip Heintz (200 m Lagen) und Vizeeuropameisterin Sarah Köhler (400 m Freistil) eine Einladung zur „Champions Swim Series" erhalten. Während Köhler aus trainingsmethodischen Gründen auf eine Teilnahme verzichtet, gehen Hentke und Heintz zumindest in der zweiten Station in Budapest (11. und 12. Mai) an den Start.
„Für mich passt nur Budapest in den Kalender", begründete Heintz, der zuvor in Bergen oder Stockholm die Normzeit für die WM schwimmen wollte. Ingesamt wertet der Lagenschwimmer den Wettbewerb als richtigen Schritt in die richtige Richtung. „Ich bin sehr froh, dass die Fina so eine Serie macht", sagte der Heidelberger.
Durch ihre Starts in Budapest haben Heintz und Hentke immerhin schon einmal 5000 US-Dollar Antrittsprämie sicher. Insgesamt schüttet der Weltverband 3,9 Millionen Dollar (3,43 Millionen Euro) aus. So erhält jeder Sieger im abgespeckten Wettkampf-Programm mit Rennen über 50, 100 und 200 m in den vier Stilarten sowie über 400 m Freistil und 200 m Lagen eine Prämie von 10.000 Dollar. Dazu kommen Prämien für Weltrekorde (20.000) und vieles mehr.
Spektakulär klingt aber vor allem der Modus. Lediglich vier Starter sollen pro Strecke gegeneinander antreten. Im Idealfall, so hat es sich der Weltverband in der Theorie erdacht, sind das der Olympiasieger von 2016, der amtierende Weltmeister, der Weltrekordinhaber und der Weltjahresbeste. Das Problem in der Praxis: Über 100 m Brust hätte bei strenger Auslegung Adam Peaty, wenn er denn teilnehmen würde, nur gegen sich selbst antreten dürfen. Außerdem sind einige Olympiasieger wie Schwimm-Ikone Michael Phelps nicht mehr aktiv.
Trotz all dieser Schwierigkeiten scheint das viele Geld ein starkes Lockmittel zu sein. Unter den für die „Champions Swim Series" gemeldeten Athleten tummeln sich Superstars wie Chad le Clos (Südafrika), Sara Sjöström (Schweden) und sogar Katinka Hosszu. Die „Iron Lady" aus Ungarn gilt neben Peaty als schärfste Kritikern des Weltverbandes, sie hat die Sammelklage der ISL gegen das Wettbewerbsmonopol der Fina in den USA mitunterzeichnet, genauso wie die amerikanischen Top-Schwimmer Michael Andrew und Tom Shields.
Einnahmen landen nur zum Teil beim Ahtleten
„Meine Leidenschaft war es immer, das Schwimmen in die Richtung zu führen, in der Sportler die Partner der Verbände sind und keine Marionetten", sagt Hosszu: „Die ISL nimmt die Schwimmer ernst, anders als die Fina." Kurze Zeit später kam der stark unter Druck geratene Weltverband mit der lukrativen Elite-Serie um die Ecke. Nur Zufall? „Es ist eher der Versuch, die Topschwimmer, die die Klage eingereicht haben, ruhigzustellen", vermutet Heintz. Und der ehemalige Bundestrainer Henning Lambertz glaubt: „Es ist sehr offensichtlich, dass es nur auf Druck entsteht, weil es eine Athletengewerkschaft geben soll, weil es die ISL geben soll."
Laut Anklageschrift hat der Weltverband in den Jahren 2016 und 2017 insgesamt 118 Millionen Dollar eingenommen, davon aber nur 15 Millionen an Preisgeldern an die Athleten ausgeschüttet. Dieses Missverhältnis prangert Konstantin Gregorischin an. Der ukrainische Milliardär, der im Energiegeschäft sein Geld verdient, ist der Kopf hinter der ISL. Er verspricht, dass vom ISL-Budget von 15 Millionen Dollar ein Drittel an die Sportler fließen soll. Und die Stars folgen dem Lockruf des Geldes.
Im ISL-Wettbewerb sollen zwölf in Europa und den USA verteilte Profi-Clubs gegeneinander antreten. Athleten aus Asien und Australien wurden aufgerufen, sich den Teams in Europa und den USA anzuschließen. Bislang haben zwei deutsche Schwimmer ihren ISL-Start verkündet: Ex-Weltmeister Marco Koch nimmt eine Einladung aus den USA an, Rückenschwimmer Christian Diener schließt sich dem Team London Roar um Ausnahmeathlet Peaty an. Weitere Teams sind unter anderem Team Iron aus Budapest mit „Iron Lady" Hosszu, das Energy Standard Team aus Belek mit Sjöström und Chad le Clos. Alles ausgesprochene Superstars in der Schwimmszene, die in Mannschaftswettbewerben um Punkte und Prämien gegeneinander antreten.
Ursprünglich sollte auch ein deutsches Team mit dem Namen „ONEflow Aquatics" aus Neckarsulm in der Premierensaison an den Start gehen. Doch aufgrund fehlender Sponsoren auf Liga-Ebene wurde die Teamanzahl reduziert. Die deutsche Mannschaft soll aber ab 2020 mit an Bord sein. Die meisten deutschen Schwimmer dürften in einem italienischen Team um Federica Pellegrini unterkommen. Insgesamt erfährt die Öffentlichkeit relativ wenig von den Planungen der ISL. Fest steht jedoch, dass das Finale am 21. und 22. Dezember in Las Vegas auf einer 25-m-Bahn stattfinden wird.
Die Ziele der Verantwortlichen sind sehr ambitioniert. Innerhalb von fünf Jahren soll das Format weltweit von rund 100 Millionen Zuschauern verfolgt werden. Helfen sollen dabei die hohe Identifikation durch die Club-Zugehörigkeit und das Liga-System, ähnlich wie im Fußball. So etwas gibt es in der Individualsportart Schwimmen sonst nicht.
Olympia-Sperren sind zumindest vom Tisch
Die ISL geht damit ganz bewusst in Konkurrenz zum Schwimm-Weltverband. Die neue Konkurrenzsituation hinter den Kulissen sieht Koch sehr positiv: „Es ist eine gute Sache, wenn es mehr Wettkämpfe gibt, bei denen auch mehr Schwimmer Geld verdienen können." Auch Kochs Freundin Reva Foos, ebenfalls ambitionierte Leistungsschwimmerin, findet: „Es ist gut, dass der Druck auf die Fina gewachsen ist." Von allein, da sind sich fast alle einig, hätte sich an den Bedingungen für die Athleten wenig geändert. Die Fina mit dem umstrittenen Präsidenten Julio Cesar Maglione an der Spitze, einem 83 Jahre alten Uruguayer mit zweifelhaftem Leumund, hatte den Bedürfnissen der Athleten in der Vergangenheit meist nur wenig Beachtung geschenkt. Das zumindest scheint sich vor allem auf Druck der ISL etwas geändert zu haben. Hatte die Fina anfangs gedroht, Schwimmer, die bei ISL-Wettkämpfen starten, für Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele sperren zu wollen, ist zumindest diese Gefahr vom Tisch. Man werde dies nicht sanktionieren, teilte die Fina mit, allerdings versehen mit der Warnung: Man werde die dort „erzielten Ergebnisse und Zeiten nicht berücksichtigen", sollten die Regeln des Weltverbandes nicht eingehalten werden. Der Machtkampf Fina vs. ISL dürfte im WM-Jahr also noch für einige Spannung sorgen. Für Großbritanniens Superstar Peaty ist klar, dass sich der seiner Meinung nach verkrustete Weltverband dringend reformieren müsse. „Es fühlt sich an, als wären wir noch in den 1970ern", sagte der Ausnahmeschwimmer. Shootingstar Michael Andrew geht sogar noch einen Schritt weiter: „Das Hauptaugenmerk der Fina liegt nicht auf den Schwimmern. Die Fina versetzt unseren Sport durch die Blockade gegen die ISL zurück in ein dunkles Zeitalter."
Eines aber wird deutlich: Die Athleten machen diese Haltung nicht mehr länger mit.