In Friedenau lockt der Zig Zag Club mit hochklassigem Jazz, Funk und Soul. Und ist meist rappelvoll. Statt eines festen Eintritts geht an den meisten Abenden der Spendenhut rum. Und die Leute geben gerne, wenn der Funke überspringt.
Auf dem Bürgersteig wartet schon eine Menschentraube, und kurz vor 20 Uhr ist es dann so weit: Willi Hunz, einer der beiden Inhaber des Zig Zag Clubs, öffnet die Türen und lässt die ersten Musikfans ein. Es wird rappelvoll heute Abend, weiß Willi und checkt die Namen auf der Liste. Die frühen Gäste haben alle reserviert, nehmen auf niedrigen Sesseln Platz, auf den plüschigen Sofas oder auf einem Hocker an der Bar. Manche bestellen nur einen Drink – andere lassen eine Tapas-Platte kommen, vertiefen sich in ihre Gespräche. Kurz nach 9 geht es los: Dimitris Christides, der Mitinhaber des Clubs, kündigt „die wunderbare Ingrid Arthur" an – und dann betritt die in Georgia geborene Soul-Sängerin mit dem üppigen Körper, der milchschokoladenfarbenen Haut, den kurzen, rötlich getönten Haaren und dem sprühenden Temperament die Bühne. Mit ihrer kraftvollen Stimme rollt sie ein breites Spektrum der Emotionen auf, scherzt mit dem Publikum.
Und die Gäste aus Charlottenburg und Mitte und anderswoher singen Passagen bekannter Soulsongs mit – der Laden kocht. Plauderei an den Tischen? Daran ist jetzt nicht mehr zu denken. Die Soul-Göttin zieht alle in ihren Bann: die Studenten und die pensionierten Lehrer, Berliner und Touristen. Nachdem Willi noch Hocker für die letzten Spontan-Gäste organisiert hat, steht er hinterm Tresen, mischt Drinks und zapft Bier. Vor ein paar Tagen hat ihn sein Barkeeper sitzen lassen. „Einfach so", sagt Dimitris, „keine Lust zum Arbeiten". Nun muss der Chef selbst ran – ist klar.
Dimitris Christides, der Kosmopolit mit griechischen Wurzeln, und sein Kompagnon, der Berliner Willi Hunz, hängen sich rein, schaffen allabendlich ein Ambiente, in dem sich Musiker und Gäste respektiert und willkommen fühlen. „Und wenn die Chemie stimmt, zwischen Musikern, Publikum und Personal, wenn der Funke überspringt – dann ist die Stimmung manchmal einfach magisch", sagt der Gelegenheits-Barmann.
Vor vier Jahren haben die beiden Männer den Jazz nach Friedenau gebracht. Die Idee, einen Club zu eröffnen, stammt noch aus der Zeit, als Willi Hunz, heute ein Mittsechziger, bei dem fast 30 Jahre jüngeren Dimitris Christides Schlagzeugunterricht nahm. Wieso sie das Projekt dann ausgerechnet in Friedenau, einem reichlich gediegenen Teil Schönebergs und nicht gerade für brodelndes Nachtleben bekannt, verwirklicht haben? „Zufall", sagt Dimitris. „Der Laden war in der Zeitung inseriert, und wir haben uns sofort in ihn verliebt." Mit Teppichen, Sesseln, Sofas, Couchtischchen und Stehlampen mit sanftem Licht verwandelten die beiden Schlagzeuger die leerstehende Ex-Bar in ihren „Zig Zag Jazz Club". Das Eröffnungskonzert war ein voller Erfolg. „Wir hatten Mega-Glück, konnten Kurt Rosenwinkel, einen amerikanischen Jazzgitarristen, für diesen Abend gewinnen", erinnert sich Dimitris. Der Amerikaner mochte den Laden – und das Publikum mochte ihn. Rosenwinkel ist bekannt in der Szene, und so sprach sich schnell rum, dass es in Berlin einen neuen, ziemlich coolen Jazz-Club gibt. „Und auf einmal", sagt Dimitris, „hatten wir die Aufmerksamkeit internationaler Agenturen."
Ein Netzwerk von Musikern
Inzwischen können die Zig-Zag-Macher auf ein Netzwerk von Musikern zurückgreifen, die immer wieder und in wechselnden Formationen in ihrem Club spielen. Uri Gincel, ein in Tel Aviv geborener Jazzpianist, zählt zu den Fixsternen in ihrem Veranstaltungskalender. Immer wieder dienstags sitzt der Israeli am Piano – oder besser, er zappelt wie eine quirlige Marionette auf dem Hocker herum und hämmert mit atemberaubender Energie in die Tasten. Gincel lädt lokale und internationale Musiker zu seinen Jamsessions ein. Mit denen spielt er neue Kompositionen, aber auch Stücke von Jazzlegenden wie Herbie Hancock, Bill Evans, Miles Davis, John Coltrane und Ahmad Jamal.
Der Erfolg des Zig Zag Clubs ist wohl auch dem besonderen Bezahl-Konzept zu verdanken. Die Macher verlangen keinen Eintritt an der Tür, setzten stattdessen auf einen freiwilligen Obolus. Meist ist es eine der Kellnerinnen, manchmal Dimitris Ehefrau Bahar, die in der Pause mit dem Sektkühler durch die Reihen geht und um eine Spende für die Musiker bittet.
„15 Euro sollten es schon sein, damit die Musiker, die mit dem Bus gekommen sind, am Ende des Abends mit dem Taxi nach Hause fahren können", animiert Dimitris seine Gäste. Der Clubbetreiber findet es aber auch „völlig in Ordnung", wenn junge Leute mit schmalem Portemonnaie weniger geben. „Manche werfen auch 20 Euro oder mehr in den Topf. Das gleicht sich in der Regel schon irgendwie aus." Die Tatsache, dass man die Musik erst auf sich wirken lassen kann, bevor man dafür bezahlt, lockt auch Menschen in den Laden, die sich mit Jazz nicht auskennen und wohl nicht einfach so 15 Euro für ein Ticket zahlen würden. Doch wenn die Musik mitreißt, ist die Summe für sie okay – und wem es wirklich nicht gefällt, der kann auch einfach wieder gehen. Nur wenn die ganz teuren Stars kommen, „wenn uns der Abend 10.000 Euro und mehr kostet", wollen sich die beiden Jazzfans nicht auf ihr Spendenkonzept verlassen. Dann wird Eintritt verlangt, etwa 25 bis 35 Euro. Ein bis zweimal im Monat steht so ein Konzert-Highlight auf dem Programm. Eines, auf das sich Dimitris und Willi schon besonders freuen, wird der Auftritt der John Scofield Combo 66 im November sein. „Ein ganz Großer", schwärmt der 38-Jährige. „Scofield hat schon mit Miles Davis gespielt."
Die Sonntagabende im Zig Zag haben die Macher unter ein neues Motto gestellt: „The shape of Jazz to come", frei übersetzt in etwa „die Jazz-Art der Zukunft": Junge Musiker spielen im Stil der 20er- und 30er-Jahre, ganz ohne Verstärker. Beim Publikum kommt das unglaublich gut an. „Die Leute lieben diesen puren Sound", sagt der Clubbetreiber und kriegt strahlende Augen. Er hat dabei auch die Nachbarn in dem Friedenauer Mehretagenhaus im Sinn. Denen ist es mehr als recht, wenn es unten im Club bisweilen leise und verstärkerfrei zugeht.