Einige zählen sich zu den etablierten, andere sind gerade erst neu entstanden – und wieder ein anderer verwandelt sich während ein paar Jamsessions auf einmal in einen der angesagtesten Jazz-Treffs der Stadt: Willkommen auf einer kleinen Tour durchs jazzende Berlin.
Quasimodo
Don Cherry, Art Blakey, Dizzy Gillespie, Chet Baker, Betty Carter – die Fotogalerie im Quasimodo mutet an wie ein Auszug aus dem Who’s who des Jazz. Viele der Großen haben hier schon gespielt. Der Mann, der diesen ältesten aller Jazz-Clubs der Stadt 1975 ins Leben rief und das Quasimodo zur Legende machte, war Giorgio Carioti – ein Italiener, den es in den 60ern wegen einer Sommerliebschaft ins damals noch geteilte Berlin verschlagen hatte. Der junge Mann aus Genua studierte BWL und jobbte in einer Studentenkneipe unter dem Delphi-Kino, die sich damals schon Quasimodo nannte. Nachdem aus der einstigen Thekenkraft der Chef des Ganzen geworden war, wandelte sich die olle Studi-Kneipe zum ersten Club der Stadt, der Live-Musik mit Niveau auf die Bühne brachte. Mehr als 8.000 Konzerte fanden in der Ära Carioti statt. Anfangs reiner Jazz-Keller, öffnete sich das Quasimodo auch für Blues-, Rock-, Latin-, Soul- und Funk-Konzerte. 2008 übernahm Cariotis langjähriger Weggefährte Klaus Spiesberger die Leitung. Kürzlich ließ er den Club mit einem neuen Soundsystem ausstatten, am Ambiente hat sich kaum etwas geändert – dunkle Wände, intime Atmosphäre, 350 Gäste an ausverkauften Abenden. Auf dem Dancefloor wird es besonders eng, wenn alle paar Monate mit „Disco Inferno" die 70er und frühen 80er aufleben. • Susanne Kilimann
Quasimodo, Kantstraße 12a, 10623 Berlin-Charlottenburg, Telefon 030-31804560, www.quasimodo.club.
A-Trane
Bis in die 80er-Jahre hinein konnte die Kundschaft in der Bleibtreustraße 1/ Ecke Pestalozzistraße Kartoffeln kaufen, doch die Zeit dieser altmodischen Nur-Kartoffel-Läden ging irgendwann zu Ende. Der Laden stand leer, und der Berliner Jazzmann Ralf Rudolph griff zu: Er leitete aufwendige Umbauarbeiten ein und verwandelte das Lokal unten im Wohnhaus in einen regelrechten Schallbunker mit ausgetüftelter Belüftungstechnik. 1992 ging das A-Trane an den Start. Der Club mit gerade ’mal 70 Sitz- und 50 Stehplätzen gehört zu den kleinsten seiner Art. Musikfreunde von nah und fern finden sich hier ein, um die Elite des internationalen und auch deutschen Jazz zu erleben: von den Bläser-Stars Till Brönner, Nils Landgren oder Wynton Marsalis über die Gesangs-Ikone Diana Krall bis zu den Piano-Helden Joachim Kühn, Alexander von Schlippenbach und Michael Wollny – sie alle gastierten schon auf der Zwölf-Quadratmeter-Bühne. Vor allem an den Wochenenden ist es hier rappelvoll. Kein Wunder – mitten im Charlottenburger Wohnviertel geht fast jeden Abend die Post ab. Ob Modern, Cool, Free Jazz oder Soul – alle Stile sind vertreten. Entsprechend bunt ist das Publikum; Touristen mischen sich mit einheimischen Hipstern oder aber Anzugträgern. Montags und zu den mitternächtlichen Jamsessions kommt man kostenlos rein. Damit sich die Besucher für lange Nächte stärken können, eröffnete Clubinhaber Sedal Sardan gegenüber das Jazzcafé. 2011 wurde das A-Trane mit dem „Live-Entertainment Award" in der Kategorie „Bester Jazzclub Deutschlands" ausgezeichnet, und auch das Berliner Jazz Fest schätzt den Miniclub als Veranstaltungsort. Der Name des Clubs verzwirbelt übrigens Duke Ellingtons berühmten Jazz-Hit „Take the A Train" mit dem Spitznamen des legendären Saxofonisten John Coltrane, „Trane". • Antje Rößler
A-Trane, Bleibtreustraße 1, Berlin-Charlottenburg, Telefon 030-3132550, www.a-trane.de.
Yorckschlösschen
Es gehört zu den ältesten Jazzclubs Berlins. Olaf Dämlow, Besitzer seit den 70er-Jahren, übernahm das Kreuzberger Yorckschlösschen als Künstlerkneipe. Inzwischen ist das Lokal bei Musikern in der ganzen Welt bekannt. Jede Woche stehen mehrere Liveauftritte auf dem Programm: Jazz, Rhythm and Blues, Funk und neuerdings auch Swing. „Der ist bei den jungen Gästen besonders beliebt", sagt Dämlow. Die Kneipe an der Yorckstraße besteht seit 120 Jahren. Dicke Stucksäulen, uralte Plakate, Kinosessel, und drangvolle Enge machen den Charme aus – seit den Zeiten der 68er hat sich scheinbar nichts geändert. Außer der Musik, die sich ständig wandelt – inzwischen entdecken auch Hipster das Yorckschlösschen. Für Berliner Jazzmusiker gilt es als Muss, im „Schloss" gespielt zu haben. Die Künstlerszene ist international, genauso wie das Publikum, Touristen sind in der Minderheit. Hier stand schon die Blueslegende Sidney Selby, bekannt als Guitar Crusher aus New York, auf der winzigen Bühne. Kat Baloun aus El Paso tritt regelmäßig auf. Olaf Dämlow vergleicht seine Kiezkneipe mit einem Garten: „Da fällt mal ein altes Plakat von der Wand und wird durch ein neues ersetzt. Wie in der Natur, Altes kommt weg, Neues tritt an dessen Stelle." Das passiert so behutsam, dass es selbst den Stammgästen kaum auffällt. Hinter den Kulissen läuft ein gut eingespielter gastronomischer Betrieb, perfekt organisiert. Was das Yorckschlösschen von anderen Jazzclubs der Stadt unterscheidet? „Es ist ’ne Kneipe", sagt Olaf Dähmlow, „kein Restaurant, keine Bar." Nicht cool, nicht fein, sondern eine Jazz-Spelunke, wie er sie im French Quarter in New Orleans oft besucht hat. „Bei uns werden die Würstchen nicht geradegebogen." New Orleans Jazz, Soul, R’n’B und Swing live gibt es jeden Sonntag ab 11 Uhr mit Brunch. Mittwoch, Freitag und Samstag ab 21 Uhr. • Judith Meisner
Yorckschlösschen, Yorckstraße 15, 10965 Berlin-Kreuzberg, www.yorckschloesschen.de.
Schlot
Den Schlot – offiziell „Kunstfabrik Schlot" – gibt es seit Anfang der 90er-Jahre. Nach der Wende machte er sich einen Namen als kleine, aber feine Adresse für Live-Jazz und Cabarete. Seit 2000 hat er in den Edison-Höfen eine neue Bleibe. Auf dem Programm stehen täglich Live-Veranstaltungen, von Jazz-Konzerten bis zum literarischen Frühschoppen. In regelmäßigen Abständen finden auch Lieder- und Chanson-Abende statt. Musikschulen gastieren gerne mit Abschlusskonzerten: Der Schlot ist ein authentischer, der Kultur verpflichteter Laden, angenehm und weltoffen, ohne den Edelschnickschnack der hippen Mitte-Bars, aber auch ohne die Verstaubtheit introvertierter Jazzkeller. Die großzügigen Räumlichkeiten bieten ausreichend Sitz- und Stehplätze und mit ihrem aus Eisen, Stein und Holz gestaltetem Interieur ein einzigartiges Ambiente. Es gibt eintrittsfreie Veranstaltungen am Montag und sonntags den Frühschoppen. An den anderen Tagen liegen die Eintrittspreise zwischen drei und 25 Euro. Betrieben wird der Schlot von dem Pianisten, Mitbegründer und Co-Leiter der Global-Jazz-Academy Stefan Berker und von John Kunkeler, nebenberuflich Sportorganisator. • Volker Thomas
Kunstfabrik Schlot, Invalidenstraße 117, 10115 Berlin-Mitte, www.kunstfabrik-schlot.de/das-schlot.
b-flat
Das b-flat ist ein Kind der 90-er. Gegründet wurde der Club von den beiden griechisch-stämmigen Musikern Jannis und Thanassis Zotos. Als Dritter im Bunde kam Schauspieler André Hennecke hinzu. Ihren Club eröffneten sie in der Rosenthaler Straße, Jannis Zotos schwärmt noch heute von der Aufbruchsstimmung, die in den frühen Jahren kurz nach dem Mauerfall herrschte. Schon nach kurzer Zeit machte das b-flat mit Jazz- und Akustikkonzerten, Jamsessions und Big Band-Auftritten von sich reden. Passanten, die an der breiten Fensterfront vorrübergingen und reinlugten, schauten gern auch spontan mal rein. Wer drinnen saß, sah draußen die Straßenbahn vorbeirollen. Sprichwörtlich wurde das b-flat zum Schaufenster für die fruchtbare Jazzszene der wiedervereinigten Stadt. 20 Jahre später war aus dem quirligen Quartier bei den Hackeschen Höfen einer der angesagtesten Kieze Berlins geworden – die Miete war nicht mehr bezahlbar. Das b-flat zog in die Dircksenstraße um. Dort residiert der renommierte Jazzclub nun im Keller und bietet ein vielfältiges Programm. Randy Brecker, Joe Sample, Harry Connick Jr., Brad Mehldau, Aki Takase, Steve Lacy, Evan Parker und Alexander von Schlippenbach haben hier schon gastiert – und nicht zuletzt der griechische Komponist Mikis Theodorakis, ein Landsmann der beiden Inhaber. Ein Urgestein dieser Szene ist der Bassist Robin Draganic, der aus Kroatien stammt, in Kanada aufwuchs und kurz vor dem Mauerfall in Berlin landete. Er lädt jeden Mittwoch bei freiem Eintritt zur „Robin’s Nest Jam Session" ins b-flat ein. • Antje Rößler
B-Flat, Dircksenstraße 40, 10178 Berlin-Mitte, Telefon 030-2833123, www.b-flat-berlin.de.
Jazzkeller 69 im „Aufsturz"
In der Oranienburger Straße bietet das „Aufsturz" seiner – meist recht touristischen Kundschaft – 100 Biere und mehrere Dutzend Whiskysorten. Etwas versteckt im Untergeschoss liegt der Jazzkeller 69. Er ist ein Hort der kreativen Live-Musik, die nach eigener Konzeptbeschreibung stets im Spannungsverhältnis zwischen Jazz und moderner Folklore angesiedelt ist. Für neun Euro Eintritt gibt’s was auf die Ohren – zumindest immer freitags von September bis Mai. Für den Verein Jazzkeller 69, der vor allem jungen Talenten Gelegenheit zum Auftritt gibt, ist das Kellergeschoss in Mitte übrigens eine zweite Heimat – bis 2002 war er in Treptow zu Hause. In diesem Jahr wird der Jazzkeller 50 und hat damit schon mal zehn Jahre mehr geschafft als das Land, in dem er sich gegründet hat: in der DDR. Zum Jubiläum ehrt man Thelonious Monk. • Volker Thomas
Oranienburger Straße 67, 10178 Berlin-Mitte, Telefon 030-67 92 81 77, www.jazzkeller69.de.