Sie sind noch nicht einmal zugelassen. Aber schon jetzt sorgen sie für mächtig politischen Zündstoff: Elektro-Tretroller. Bundesverkehrsminister Scheuer wirbt für eine baldige Zulassung. Andere sind jedoch besorgt wegen „extremer Unfallgefahr".
Zehn Minuten Fußweg zum Bäcker oder zur Bushaltestelle schrecken viele Menschen ab. Einige verzichten aufs Brötchen, andere nehmen das Auto. Es sind genau diese Strecken, für die die kleinen Elektro-Scooter prädestiniert sind. Eine Karriere vom Spielzeug zum Verkehrsmittel: „Sie wären eine perfekte Ergänzung für den Verkehr in Deutschland", sagt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). „Der elektrische Tretroller ist eine Mobilitätslösung der Zukunft." Scheuer, selbst bekennender Rollerfan, tritt für eine baldige Zulassung der neuen Verkehrsgefährten ein und hat einen entsprechenden Verordnungsentwurf vorgelegt. Demonstrativ platzierte er in seinem Ministerium schon einmal 20 E-Scooter zum Testen. Doch: Damit das Fahren mit Elektro-Tretrollern überhaupt legal wird, muss der Bundesrat am 17. Mai dem Entwurf noch zustimmen. Einig ist man sich über dessen Inhalt noch nicht. Es geht unter anderem um folgende Fragen: Wie alt müssen die Fahrer der E-Tretroller sein? Müssen diese zugelassen werden? Der Verkehrsausschuss des Bundesrats empfahl: Alle E-Roller gehörten auf die Radwege. Damit unterstützte der Verkehrsausschuss eine Forderung der Bundesländer Brandenburg und Bremen.
Eine Zeit lang war das tatsächlich umstritten. Verkehrsminister Scheuer wollte die Gehwege zwischenzeitlich für langsamere E-Tretroller öffnen und erntete damit einen Sturm des Widerstandes – von Fachleuten bis hin zu Verbänden. Inzwischen hat Scheuer angekündigt, den Passus streichen zu lassen. Damit bliebe der Gehweg weiterhin tabu für Kraftfahrzeuge.
Das Verkehrsministerium hatte in einem Schreiben an die Länder angekündigt, dass die langsameren E-Tretroller ab zwölf und die schnelleren ab 14 Jahren zugelassen werden sollen. Der Fußgänger-Lobbyverein Fuss e.V. kritisiert: Der Minister schlage Warnungen aller Unfallexperten in den Wind. „Jetzt müssen die Bundesländer ihn zurück auf den Boden der Tatsachen holen."
Schwer einzuordnen: das ideale Fahrzeug für die „letzte Meile"
Scheuers Vorschlag für eine „Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr" sieht unter anderem Folgendes vor: E-Tretroller dürfen künftig mit bis zu 20 km/h auf Fahrradwegen fahren. Gibt es keinen Radweg, müssen sie auf die Straße ausweichen. Gehwege sind tabu. Die kleinen Roller bräuchten außerdem eine Versicherungsplakette, ähnlich wie Mofas und kleine Motorroller, Helme sind nicht vorgeschrieben.
Genutzt werden sollten die Roller vor allem für kürzere Wege, etwa von der Wohnung zur Bahn- oder Bushaltestelle oder vom Büro zum Einkaufen ein paar Straßen weiter. In amerikanischen Städten, aber auch in Moskau, Paris und Wien verbreiteten sich inzwischen Elektro-Tretroller zum Ausleihen, ähnlich wie die Leih-Fahrräder, Carsharing-Autos und Elektro-Motorroller in deutschen Großstädten. Aber natürlich können auch Privatleute Roller kaufen, damit zum Bäcker fahren und sie zu Hause wieder aufladen.
Inzwischen verschärft sich die Kritik an den umfangreichen technischen Vorschriften. Der Tüv-Verband begrüßte Pläne für die neue Regelung zwar grundsätzlich, monierte aber die geforderte Versicherungspflicht. Rechtlich würden die E-Tretroller damit Kraftfahrzeugen gleichgestellt und wären deswegen im öffentlichen Personennahverkehr verboten. „Eine Mitnahme in Busse, S-Bahnen, Straßenbahnen und Züge sollte aber grundsätzlich möglich sein." Auch der Bundesverband eMobilität (BEM) hält die technischen Anforderungen für zu umfangreich. Und Sandra Hass vom ADAC Berlin-Brandenburg meint: „Wenn das Gerät wirklich 20 Kilo wiegen würde, wäre das ein Problem für den öffentlichen Personennahverkehr." Busse und Bahnen würden dann einfach zu schwer.
Eine weitere Warnung kommt von der Stadt Frankfurt am Main. Dort sieht man angesichts des geplanten bundesweiten Starts „erhebliches Konfliktpotenzial" für den Verkehr in der Main-Metropole. Neun Anbieter von E-Scootern wollten allein in Frankfurt ihre Dienste anbieten, teilte Verkehrsdezernent Klaus Oesterling mit. Einige hätten angegeben, „gleich mit 2.000 bis 3.000 Rollern Frankfurt fluten zu wollen". Frankfurt sei aber zu eng, um ein weiteres Verkehrsmittel aufzunehmen. Zudem gebe es dort – anders als in anderen Großstädten Deutschlands – „keine Erschließungslücken" im öffentlichen Nahverkehr, monierte Oesterling.
Die Hersteller der E-Roller kommen vor allem aus den USA. Die größten unter ihnen: „Lime" und „Bird": Gemeinsam mit anderen Firmen sorgte man Ende März in San Francisco für ein wahres „Scootergeddon". Über Nacht hatten sie ihre kleinen batteriebetriebenen Elektro-Tretroller aus Werbezwecken auf den Straßen der Stadt verteilt. Innerhalb von Stunden gingen Hunderte Anrufe bei der Stadt ein, in denen sich Bürger über Roller beschwerten, die achtlos auf Gehwegen abgelegt worden waren oder Bushaltestellen blockierten: Sie meldeten Fahrer, die mit hohen Geschwindigkeiten und ohne Rücksicht auf Passanten über die Bürgersteige rasten. San Francisco hat die Tretroller nun erst einmal verboten.