Es geht um Isolation und Abkapselung – und darum, weswegen sie nicht funktionieren können. Alles bildet eine Facette des Gesamtbildes. Unter anderem damit beschäftigt sich die Ausstellung „Mensch Sein", die von Dorothee Wendel kuratiert wird.
Ein Besuch im Atelier von Dorothee Wendel ist ein Wechselbad der Gefühle. Es liegt im Gewerbegebiet nördlich des Flughafens Ensheim, quasi direkt gegenüber. Dem hinteren Teil des Gebäudes schließen sich die Courts des Tennisclubs Weiß-Blau an. Viele Möglichkeiten und Symbole also zur Freizeitgestaltung. Auch die aus Euro-Paletten selbst gefertigte Couch und die Theke mit den einladenden Barhockern vermitteln Gemütlichkeit und Gelassenheit. Doch der Schein trügt: Dorothee Wendel ist derzeit voll im Treiben. Die Künstlerin kuratiert gerade eine Ausstellung: „Mensch Sein" feiert Vernissage am Samstag, 11. Mai, im Schloss Bettembourg in Luxemburg.
Als Teilnehmerin hat sie bereits bei rund 30 Ausstellungen ihre Werke der Öffentlichkeit präsentiert. 1996 war ihre erste, in der Sparkasse Ensheim. In namhaften Galerien sah man ihre Bilder bereits, und auch bei Gruppen-Ausstellungen in Stuttgart, Wien oder Paris und Antwerpen. Doch nun tritt sie erstmals als Kuratorin auf. Dabei gefällt es ihr, Inhalt und Thema selbst zusammenzustellen. „Das war schon immer mein Wunsch", sagt sie verschmitzt. Vier Künstler aus vier Generationen sind vertreten. Besonders freut es sie, dass sie den 1930 geborenen Richard Hoffmann gewinnen konnte, der „nach ewigen Zeiten", wie sie es ausdrückt, wieder ausstellt. Zudem sind Lilau, Jahrgang 1975, und Marina Rauch (1986) mit dabei.
Tritt erstmals als Kuratorin auf
Und natürlich Dorothee Wendel selbst. „Seit ich einen Stift halten kann, habe ich gemalt", sagt die 1966 geborene Saarbrückerin. Erste Projekte hatten stilisierte Personen und Akte als Motive. „Da stand der Mensch mit Stimmungen und Haltungen im Vordergrund." Hinzu kamen Stillleben. Vor rund zehn Jahren änderte sie ihre Stilrichtung, auch ausgelöst durch persönliche Umwälzungen in ihrem Leben. Von da an widmete sie sich dem abstrakten Expressionismus in Form der Dripping-Technik, dessen bekanntester Vertreter der Amerikaner Jackson Pollock ist.
Ihre Werke entstehen durch „Farbe werfen"; sie nimmt also Acrylfarbe und schleudert diese direkt aus den Flaschen auf die am Boden liegende Leinwand. Großflächig ausgelegter Teppichboden dient als Spritzschutz für den eigentlichen Hallenboden. Diese auch Action-Painting genannte Technik erzeugt vordergründig eine äußerst dynamische Liniensetzung und einen aufregenden Kontrast der verschiedenen Farben. Hintergründig geht Dorothee Wendel im Spannungsfeld von Freiheit und Grenzen auf die Spur nach der Komplexität des Lebens. Teilweise lässt sie sich während des Entstehungsprozesses von sich selbst und der Farbenführung überraschen, teilweise hat sie das Bild aber auch bereits in ihrem Kopf. „So gebe ich nicht alles aus der Hand", erläutert sie.
Ihre Kunst erklärt sie beispielhaft anhand ihrer Bilderreihe „Conexion": „Was wir denken, sagen und tun, verändert die Welt und ihren aktuellen Zustand in einen neuen; einen aus unendlich vielen möglichen Zuständen." Keine Handlung sei revidierbar – nur änderbar. Sie glaubt, dass es die größte Herausforderung eines Menschenlebens ist, sich dieser Handlungsverantwortung bewusst zu sein. „Mensch" bezeichne unsere Spezies. „Aber ist dieser Ausdruck nicht auch Bild für die Menschheit als ein Wesen? Ein Wesen, aus vielen Einzelteilen bestehend, die alle miteinander und mit ihrem Lebensraum verbunden sind?", fragt sie philosophisch.
Dieser Ausgangsgedanke führt sie auch zum aktuellen politischen Weltgeschehen: „Nationales Denken und Handeln, um das Wohl einer privilegierten Gruppe zu schützen ist doch nur eine Utopie." Nationales Denken werde, wenn auch zeitlich verzögert, negative Folgen haben: Abschottung, Privilegien, Protektionismus, Diktatur oder im extremen Fall sogar Völkermord. „Wohl kann nur durch Weitsicht entstehen und erhalten werden. Weitsicht heißt, die Zusammenhänge zu sehen."
Alles ergibt am Ende ein Ganzes
Bei „Conexion" handelt es sich um eine durchnummerierte Serie von Bildern, von denen einige auch bei „Mensch Sein" zu sehen sein werden. Die „Conexion"-Bilder stehen alle miteinander in Verbindung: Wo eine Leinwand zu Ende gemalt ist, fängt die nächste direkt und nahtlos an. So möchte sie den Gesamtzusammenhang der menschlichen Existenz versinnbildlichen. Es ist ein Werk, dass sie immer weiter malt – auf jeweils 60 mal 80 Zentimeter großer Leinwand. Die Bilder bietet sie einzeln oder in zusammenhängender Folge zum Verkauf an. So hänge vielleicht eines in Europa, eines in Amerika und ein anderes in Asien – und am Ende ergeben sie doch ein Ganzes. „Das ist meine Vision".
Von jedem verkauften „Conexion"-Exemplar spendet sie 100 Euro an den Verein „Be your own Hero". Damit werden nachhaltige Projekte für Kinder und Jugendliche umgesetzt. „So wird aus abstrakter Kunst eine konkrete Intention", sagt sie schmunzelnd. Engagiert war sie ehrenamtlich auch eine Zeit lang im Kinderhaus in Malstatt. Dort erarbeitete sie unter anderem mit den Kindern ein Hörspiel, dass bei einem Wettbewerb der Landesmedienanstalt Saarland den ersten Platz belegte. Auch fotografieren gehört zu ihren Hobbys. Bevorzugtes Motiv ist dabei die Flora im Ensheimer Tal. So möchte sie die Mystik des Waldes einfangen.
Einige großformatige Abzüge zieren die Wände des etwa 110 Quadratmeter großen Arbeitsraumes ihres Ateliers. Dort, in der ehemaligen Beflockung der Druckerei Braun-Klein, beteiligt sie sich auch regelmäßig am „Tag des offenen Ateliers" oder am „Tag der Bildenden Künste". Werke aus den vergangenen zehn Jahren als Künstlerin stehen an der Wand oder hängen an den Wänden.
Nebenbei Jazz Loft organisiert
Derzeit hat Dorothee Wendel eine „monochrome Phase", in der sie sich mit Bewegung und Stillstand befasst. Geschwungene Linien in Rot und Orange treffen auf Rechtecke, die als Stopp dienen und Spannung erzeugen. Auch davon werden einige bei „Mensch Sein" zu sehen sein.
Durch einen Zufall hat sie übrigens eine Doppel-Schirmherrschaft an Land gezogen. Sowohl die Kulturministerin Luxemburgs, Sam Tanson, als auch der Europaminister des Saarlandes, Peter Strobel, unterstützen die Ausstellung. „Das ist mir eine große Ehre", sagt sie lachend.