Wahlkampf ist wie Olympia für Phrasendrescher. „Menschen abholen, wo sie sind, gemeinsam für Europa kämpfen, klare Kante zeigen". Ein Überblick über die Plattitüden der Politiker.
Hart hat es in diesem Wahlkampf die Union getroffen. Sie müssen in den kommenden Wochen auf die Meisterin der Phrasen verzichten. Denn die ungekrönte Königin der „Nullstromsprache" ist und bleibt die Kanzlerin. Doch Angela Merkel ließ zur Überraschung ihrer eigenen Partei, kurz vor Beginn der „heißen Phase" mitteilen, dass die Union ohne sie auskommen muss. „Alternativlos" sozusagen.
Aber schon die ersten Wahlplakate geben Entwarnung: Auf wirkliche platte Phrasen müssen wir nicht verzichten. Die SPD ist tief in sich gegangen und hat sich den Claim „Europa ist die Antwort" ausgedacht. Auf den Plakaten steht dann noch ein Substantiv und raus kommt dann: „Zusammenhalt #EUROPAISTDIEANTWORT"
Nun muss der oder die Wahlkämpfende auf den Marktplätzen noch irgendwelche Füllwörter drumherum packen und schon klingt das richtig rund. Zum Beispiel: „Auch da müssen wir zusammenhalten und Europa ist unsere Antwort." Ohne dass auch nur irgendjemand verstehen wird, worauf jetzt Europa genau die Antwort ist.
Nun ist diese sprachliche Inhaltslosigkeit ja nicht nur auf Angela Merkel oder die SPD beschränkt. Auch die Grünen haben sich längst eine Phrasendreschmaschine angeschafft. Über 20 Prozent in den Umfragen für die Ex-Ökos kommen nicht von allein. Ihr bahnbrechender Phrasenschlüssel: „Europa. Die beste Idee, die Europa je hatte"
Sprachliche Inhaltlosigkeit
Das lässt auf Plakaten und in Werbespots schon jede Menge Deutungen zu. Aber sprachlich kann man damit ganze Abende füllen, ohne auch nur ansatzweise irgendetwas gesagt haben zu müssen: „Wir alle sind Europa, das ist die beste Idee, die wir je für Europa hatten." Das spornt glatt zu einem Selbstversuch an, was man mit diesem Claim noch so für Wahlkampfreden konstruieren kann. Ein schönes Beispiel für die Phrasenpower zum Europawahlkampf hat sich die FDP ausgedacht. Ganz im Sinne der wirtschaftsliberalen Grundgesinnung, dass Zeit generell Geld ist, hat man das in die Formel gepackt: „Europa hat alles, außer Zeit." Armes Europa, möchte man denken, gäbe es nicht noch die Mutter aller Fragen: „Wie soll Europa vorankommen, wenn Deutschland stehen bleibt?" Einmal abgesehen von dem Umstand, dass manche Europäer ganz froh wären, die Deutschen würden das mal tun. Als liberaler Wahlkämpfer kann man mit diesen beiden Phrasenbausteinen eine monatelange Tournee durch Deutschland gestalten. Auch wenn nie gesagt wird, wo wir denn so schnell politisch hinwollen. Inhalte irritieren bekanntlich nur
Den Trend zur größtmöglichen Inhaltslosigkeit, also zum „Phrasen-Overkill" gab es ja schon vor zwei Jahren zur Bundestagswahl. Das Ergebnis war gerade für die SPD, aber auch für Union, Grüne oder FDP noch reichlich ausbaufähig und hätte einer „schonungslosen Aufklärung" bedurft. Um an dieser Stelle eine der schönsten und am häufigsten benutzten Phrasen zu gebrauchen. Doch das mit dem versprochenen „Ehrlich machen" am Wahlabend im September 2017 (Martin Schulz im FORUM-Interview) scheint dann doch im Sande verlaufen zu sein. Damit können wir uns auch jetzt schon auf einen besonderen Wahlabend am 26. Mai freuen. Nicht wenige Protagonisten von mindestens einigen hier genannten Parteien werden mit vielen Worten erklären, warum der Wähler sie nicht gewählt hat. FORUM liegen jetzt schon die Statements der betroffenen Parteien vor: „Wir haben trotzdem vollstes Vertrauen in die Parteispitze, werden selbstverständlich schonungslos aufklären, das Ergebnis offen analysieren und politisch zukünftig klare Kante zeigen."