Disneys grandiose Realverfilmung „Aladdin" garantiert filmische Multikulti-Magie für alle: Den berühmten Flaschengeist gibt Will Smith, die Regie adelt Guy Ritchie, den oscarverdächtigen Filmscore kreierte Ausnahmekomponist Alan Menken.
Der Zauber des Lesens: Um Gutes und Böses, Intrigen und Verwechslungen, vor allem um die Imponderabilien der Liebe geht es in den berühmten, auch schlüpfrigen, 282 Geschichten der berühmten Erzählerin Scheherazade in „Tausendundeiner Nacht". Die Sammlung morgenländischer Erzählungen ist ein unbestrittener Klassiker der Weltliteratur aus dem 15. Jahrhundert. Dabei stammen die märchenhaften Rahmenerzählungen mit ihren verschachtelten Ereignissen nicht nur aus arabischen, sondern ebenso aus indischen Quellen. Unglaublich, aber wahr: Die nicht nur bei den Kids beliebtesten Helden wie Ali Baba, Sindbad und Aladin wurden erst von dem französischen Orientalisten Antoine Galland 1704 hinzugefügt und sorgten seitdem für seine weltweit verbreitete Popularität. Den wahren Zauber des Sehens und Hörens verlieh aber erst Walt Disney 1992 dem schlitzohrigen Meisterdieb Aladdin in seiner gesamten Opulenz auf 70-mm-Leinwänden in den weltweiten Lichtspielhäusern. Das sympathische Schlitzohr Aladdin (Mena Massoud) läuft bei seinen täglichen Diebestouren in den lauten Gassen von Agrabah der wunderschönen Prinzessin Jasmin (Naomi Scott) in die Arme und verschießt sich sofort in die rassige Edeljungfrau. Allerdings finden zarte Schwärmereien und amouröse Bande ein jähes Ende, als er von den gar nicht zimperlichen Palastwachen eingekerkert wird. Doch der smarte Windhund bekommt unerwartet die Chance, der gesiebten Luft zu entfleuchen, wenn er im Gegenzug dazu bereit ist, dem Großwesir Jafar (Marwan Kenzari) zu helfen, eine antike Öllampe aus einer magischen Höhle zu stibitzen.
Aladdin lässt sich auf faustischen Pakt ein
Aladdin lässt sich auf den faustischen Pakt ein, doch statt der erwarteten fürstlichen Belohnung wird er mitsamt seiner neuesten Errungenschaft in der dunklen Grotte eingesperrt. Umso größer seine Verwunderung, als aus der unscheinbaren Lampe der Flaschengeist Dschinni (Will Smith) entweicht und ihm aus Dankbarkeit drei offene Wünsche offeriert. Aladdin nutzt die Gunst des Augenblicks, um das erste der drei himmlischen Angebote in die Tat umzusetzen: Er kehrt als in Gold schier ertrinkender Prinz nach Agrabah zurück, um die Gunst seines Herzensfräuleins im Sturm zu erobern. Doch auch dieses sichere Unterfangen erweist sich als Himmelfahrtskommando: Der Plan ist komplizierter als gedacht und birgt heimtückische Fallen. Denn selbst ein gutmütiger Flaschengeist hat seine Macken und Tücken. Das genau Richtige im richtigen Augenblick zu wünschen, will erst einmal gerlernt werden und Fiesling Jafar entpuppt sich als heimtückischer Gegner, der alle gefährlichen Register zieht, um die Lampe samt ihrer innewohnenden Macht an sich zu reißen ….
Mächtig war Walt Disneys „Aladdin" schon 1992. Da fegte er bei Kinostart die Straßen leer: Eine völlig neue Ära der Zeichentrick-Zauberschmiede verzückte weltweit nicht nur Millionen der eigenen Fangemeinde. Denn derartige Ausnahme-Animationen und tränenrührige Film-Schmusesongs hatten die Massen in den Lichtspielhäusern bis dato kaum zu Gesicht bekommen. Das beliebteste und bekannteste Märchen aus „Tausendundeiner Nacht" konnte in der Oscarnacht auch gleich zwei der begehrten goldenen Männchen für die „Beste Filmmusik" und den „Besten Song" entgegennehmen. Einen für Alan Menkens Soundtrack und einen für das Lied „A Whole New World". Grund genug für den Illusionskonzern Disney, den bewährten Klassikern wie „Das Dschungelbuch" (2016), „Die Schöne und das Biest" (2017), im laufenden Jahr 2019 „Dumbo" und „Der König der Löwen" eine Frischzellenkur und Schönheits-OP im kreativen Kino-Jungbrunnen zu verordnen. Doch der aktuelle Trend von Live-Action-Remakes einstiger, ehrwürdiger Disney-Ikonen ist stets ambivalent und brisant. Auf kaum ein klassisches Realfilm-Projekt von Disney wurde teilweise so abweisend reagiert wie auf diesen sorgsam intonierten und kolorierten „Aladdin". Unfreiwilliges Objekt gehässiger Begierden von Häme und Hetze ist dabei insbesondere die mächtige Dschinni-Kunstfigur aka Will Smith. Zu sehr kleben die Massen an ehemaligen ikonischen Vorgaben, und seit den ersten Bildern, Teasern und Sequenzen auf Instagram, Twitter Facebook und Co. ziehen in dem vom Marketing geschickt inszenierten Mega-Merchandise-Paradies dunkle Gewitterstürme auf.
Tragende Säulen grandioser Märchenfilme
Der aktuell von Hollywood-Darling Will Smith interpretierte, via Motion-Capture-Verfahren auf Basis von seinem Schauspiel am Computer projizierte Dschinni musste deshalb im Netz alles andere als märchenhaftes Feedback einstecken. Aber je kontroverser eine Filmcausa im Vorfeld debattiert, umso effizienter wird die voyeuristische Neugierde auf das fertige Produkt geschürt. Hier in Gestalt eines formidablen Outputs, das jene verhärteten Vorurteile verblendeter Skeptiker und ewig gestriger Schandmäuler wieder lebenslänglich in den Flaschenkerker wegsperren wird. Denn kein Geringerer als der experimentierfreudige Regie-Revoluzzer Guy Ritchie hat aus den tragenden Säulen grandioser Märchenfilme ein Blockbuster-Filmfeuerwerk gezündet, dass Jung und Alt gleichermaßen in delirierende Geister-Galaxien beamt. Denn hier werden die Wunschaufgaben des Unterhaltungsfilms, eben Ablenkung und Abenteuer, Spannung und Spaß, Träume und Tragik formvollendet erfüllt.