Mit Sherlock Holmes hat Arthur Conan Doyle nicht nur die berühmteste literarische Detektivfigur geschaffen, sondern der britische Arzt und Schriftsteller gilt auch als Begründer des modernen Kriminalromans. Dieser Tage wäre Conan Doyles 160. Geburtstag.
Eigentlich hatte sich der am 22. Mai 1859 im schottischen Edinburgh geborene Arthur Ignatius Conan Doyle als Schriftsteller das ambitionierte Ziel gesetzt, in die großen Fußstapfen von Walter Scott zu treten. Dieser hatte 1771 an gleicher Stelle das Licht der Welt erblickt. Conan Doyle wollte als Verfasser von bedeutenden historischen Romanen in die Literaturgeschichte als würdiger Nachfolger seines berühmten Landsmannes eingehen. Doch ausgerechnet die Erfindung seiner legendären Detektivfigur Sherlock Holmes machte ihm schon früh einen Strich durch die Rechnung. Die angefixten Leser konnten ab 1891 dank einer ganzen Krimi-Serie, die im gerade etablierten Londoner „The Strand Magazine" erschien, nicht genug von den spannenden Geschichten des von der Londoner Baker Street 221b aus agierenden Ermittlerduos Holmes und seines treuen Gehilfen Dr. Watson bekommen.
Conan Doyle war der überraschende und auch finanziell ungemein lukrative Erfolg seiner Detektivfigur schnell ein Graus. Er hatte schlicht keine Lust, auf Druck des Publikums seine schriftstellerische Tätigkeit allein auf immer neue Kriminalgeschichten zu beschränken und deswegen aus seiner Sicht wesentlich anspruchsvollere Buchprojekte gar nicht erst in Angriff nehmen zu können. Um dem Spuk ein Ende zu bereiten, stellte er bei den „Strand Magazine"-Herausgebern immer wildere Honorarforderungen. Aber angesichts rasant steigender Auflagenzahlen konnten die Blattmacher nicht mal mehr stolze 1.000 Pfund für zwölf neue Kurzgeschichten abschrecken. Conan Doyle blieb nichts anderes übrig als eine mortale Lösung. Ähnlich wie Frankenstein das von ihm geschaffene und nicht mehr zähmbare Monster töten musste, sah auch der Holmes-Schöpfer 1893 keinen anderen Ausweg, als den endgültigen Schritt. Er ließ seinen Helden in der Episode „Das finale Problem" im Kampf gegen seinen gefürchteten kriminellen Widersacher Prof. Moriarty in einer Gletscherspalte der Schweizer Reichenbachfälle verschwinden. „Killed Homes", bemerkte er in seinem Tagebuch, wobei ihm die Konsequenzen bewusst waren: „Es war mir klar, dass ich damit auch mein Bankkonto in dem Wasserfall versenkte."
Womit er nicht gerechnet hatte, war die gewaltige Entrüstung seines treuen Leserpublikums. Es brachte seinen Protest und seine Trauer um Holmes durch das Tragen von schwarzen Oberarmschleifen oder schwarzen Krawatten öffentlich zum Ausdruck. 20.000 Kunden des „The Strand Magazine" kündigten ob des literarischen Todes des Meisterdetektivs ihr Abonnement. Conan Doyle wurde mit wütenden Briefen bombardiert. Was blieb dem Autor da anderes übrig, als seinen Helden einige Jahre später wieder auferstehen zu lassen, wobei ihm der Kniff zu Hilfe kam, dass Holmes Leiche nach der Reichenbachfälle-Episode nicht gefunden werden und der Autor behaupten konnte, sein Detektiv habe sich in letzter Sekunde heimlich retten können und habe danach zum Schutz vor Verfolgungen seitens der Komplizen von Prof. Moriarty für einige Zeit abtauchen müssen. Letztlich ist es also allein dem Lesepublikum zu verdanken, dass es Conan Doyle laut dem offiziellen Werkkanon zwischen 1887 und 1927 auf vier Romane und 56 Erzählungen rund um Sherlock Holmes gebracht hat.
Nicht mit dem Aufstand der Leser gerechnet
Dabei geriet fast völlig in Vergessenheit, dass er weitere starke Romanfiguren und lesenswerte Werke geschaffen hat. Beispielsweise die etwa zwei Dutzend Kurzgeschichten um „Die Abenteuer des Brigadier Gerard", die zwischen 1894 und 1903 zunächst im „Strand Magazine" und danach in zwei Buch-Kompendien 1896 und 1903 veröffentlicht worden waren. Oder die fünf zwischen 1912 und 1928 publizierten Science-Fiction-Erzählungen rund um den Forscher Professor George Edward Challenger, der bei einer Tour durch den südamerikanischen Dschungel Urzeit-Dinosaurier entdeckt. Nachzulesen sind seine Abenteuer im Opus „Die vergessene Welt" von 1912 – lange vor Steven Spielbergs „Jurassic Park".
Noch weniger bekannt sind heute seine historischen Romane und Sachbücher, beispielsweise „Napoleon Bonaparte – Aufzeichnungen eines französischen Edelmannes" von 1897 oder „Der große Burenkrieg" aus dem Jahr 1900. An letzterem hatte er 1899 als Sanitäter und Arzt vor Ort teilgenommen und durfte als Dank für sein britenfreundliches Propaganda-Opus ab 1902 infolge der Auszeichnung als Knight Bachelor den Ehrentitel Sir Arthur Conan Doyle tragen.
Die Schulzeit absolvierte der Sohn eines irisch-stämmigen Beamten namens Charles Altamount Doyle und dessen als Leseratte und Geschichtenerzählerin bekannten Ehefrau Mary in strengen Jesuiten-Lehranstalten. Nach seinem Schulabschluss 1876 nahm er als 17-Jähriger auf des Vaters Wunsch hin das Medizinstudium an der Universität von Edinburgh auf, wo ihn der renommierte schottische Chirurg Joseph Bell ob seiner streng wissenschaftlich-deduktiven Methoden so sehr beeindruckte, dass er ihn später nach eigenem Bekunden als Vorbild für seine Figur des Sherlock Holmes immer im Hinterkopf hatte.
Seine erste Ehefrau starb im Jahr 1906 an Tuberkulose
Noch während des Studiums versuchte sich Conan Doyle erstmals als Schriftsteller, seine in Südafrika spielende Story „The Mystery of Sasassa Valley" wurde 1879 anonym im Edinburgher „Chambers Journal" veröffentlicht. Schon hier war die Anlehnung an den Amerikaner Edgar Allan Poe nicht zu übersehen, der mit seinem Protagonisten Auguste Dupin in Werken wie „Der Doppelmord in der Rue Morgue" 1841 oder „Das Geheimnis um Marie Roget" 1842 richtungsweisend für das Genre des modernen Kriminalromans geworden war und letztlich auch die entscheidende spätere Inspirationsquelle für die Figur des Sherlock Holmes werden sollte. Ende 1890 wurde im Magazin „London Society" Conan Doyles zweites Frühwerk mit dem Titel „The American Tale" publiziert.
Eine Karriere als Autor stand aber noch in den Sternen, weshalb Arthur sein Studium mit dem Doktortitel abschloss und danach erste praktische Erfahrungen als Arzt auf einem Walfangschiff in der Arktis und anschließend auf einem Tanker nach Westafrika sammelte. Zwischen 1882 und 1890 führte Conan Doyle eine eigene Praxis in Southsea bei Portsmouth und heiratete 1885 seine erste Ehefrau Louise, mit der er zwei Kinder hatte und mit der er zusammenlebte, bis sie 1906 an Tuberkulose starb.
In dieser Zeit begann er ernsthaft mit dem Schreiben, da er wegen dürftigem Patientenzulauf reichlich Freizeit hatte. Die beiden ersten Episoden rund um Sherlock Holmes mit seiner für die Kriminalliteratur neuartigen deduktiv-analytischen Ermittlungsmethode blieben weitgehend unbeachtet. „Eine Studie in Scharlachrot" erschien Ende 1887 im Magazin „Beeton’s Christmas Annual" als Titelgeschichte. Der Roman „Das Zeichen der Vier" wurde im Februar 1890 zunächst in „Lippincott’s Monthly Magazine" und wenig später in Buchform vom US-Verleger Spencer Blackett veröffentlicht.
Richtig bekannt wurde der Meisterdetektiv erst durch die Artikelserie im „Strand Magazine", beginnend mit „Ein Skandal in Böhmen" im Juli 1891. Da Conan Doyle nun davon überzeugt war, dass er mit der Schriftstellerei seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte, gab er seine zwischenzeitlich nach London verlegte Praxis auf. Mit seinem 1901 zunächst wieder im „Strand Magazine" als Fortsetzungsgeschichte und dann gleich auch in Buchform publizierten Kriminalroman „Der Hund von Baskerville" meldete sich Arthur in Sachen Sherlock Holmes bei seinen Lesern erfolgreich zurück. Weniger glücklich waren seine beiden erfolglosen Kandidaturen für das britische Parlament in den Jahren 1900 und 1906. Dafür hatte er zum zweiten Mal Glück in der Liebe und heiratete im September 1907 Jean Elizabeth Leckie, mit der er drei Kinder haben sollte.
Conan Doyle mischte sich auch in echte Kriminalfälle ein
Ungewöhnlich für einen Schriftsteller war seine große Begeisterung für den Sport. Er spielte Fußball, war ein guter Boxer und Box-Fan und unternahm beschwerliche Skilanglauf-Touren. Zudem war er passionierter Kricket- und Golfspieler, nahm an Autorennen teil und berichtete für die Zeitung „Daily Mail" von den Olympischen Spielen 1908 in London. Eine weitere Leidenschaft war seine Neigung zum Okkulten, sein vielfach belächelter, aber zeitlebens standhafter Glaube an die Existenz von Geistern oder Elfen.
Am 7. Juli 1930 starb Conan Doyle infolge eines Herzinfarkts auf seinem Anwesen Windlesham Manor in Sussex, wo er die letzten 23 Jahre seines Lebens verbracht hatte. In diesen Jahren hatte er häufig mit Eingaben an die Regierung –
vor allem bezüglich Militärangelegenheiten – für Aufsehen gesorgt, aber auch durch seine Einmischung in reale Kriminalfälle, bei denen er für vermeintlich Unschuldige Partei ergriff. Ihm gelang sogar die Rehabilitierung des wegen Pferdeverstümmelung zu Unrecht verurteilten George Edalji.