Vernetzte Shirts für die Feuerwehr sollen Retter in Not bei ihren Einsätzen retten, schlaue Helme blinken beim Abbiegen und holen Hilfe, smarte Kopfhörer drehen die Musik runter, wenn der Zuhörer einschläft. Technisch-intelligente Outfits werden zum Erst- und Alltagshelfer.
Wenn Radfahrer erst spät von der Arbeit kommen, sich im Biergarten verplaudert haben oder gar noch in den Bergen unterwegs sind, wird die Heimatfahrt oftmals zum wahren Horror. Wie sollen sie jetzt noch gut sehen – und gesehen werden? Wer holt auf einsamen Straßen und Wegen Hilfe, falls der Radler stürzt?
Die gute Nachricht: Hightech-Unterstützung gibt es auch für Menschen, die sich auf die Muskelkraft ihrer Waden, anstelle der Pferdestärken ihres Autos verlassen. Beispielsweise von Livall zu mittleren Preisen. Etwa den – nach Herstellerangaben – weltweit ersten smarten und sicheren Fahrradhelm mit Blinkern und Rücklicht, SOS-Alarm, Fernsteuerung sowie modellabhängig auch mit Vorrichtungen für Anrufe, Musik, Walkie-Talkie und Navigationsansagen.
Hören und Sprechen über den Schutzhelm? Ist das erlaubt? Wer mit dem Smartphone in der Hand auf dem Fahrrad telefoniert, riskiert schließlich normalerweise ein Knöllchen. „Es ist erlaubt, da der Helm in keiner Hinsicht Einfluss auf die Straßenverkehrsordnung hat", sagt Marketing-Manager Thomas Reipschläger vom Livall-Vertriebspartner, der Ciclosport K.W. Hochschorner GmbH. Der Unterschied zu anderen Outdoor-Headsets: „Die Lautsprecher sind über dem Ohr angeordnet, somit bleibt der Gehörgang frei." Und die LED-Beleuchtung, Thema Verkehrssicherheit? Reipschläger: „Da es sich um ein Produkt handelt, das nur der Radfahrer tragen kann und das nicht am Fahrrad befestigt wird, unterliegen auch die Lichter nicht der Zulassung durch das Kraftfahrtbundesamt."
Multimobil ist der neueste Helm für (fast) alles. Der BH51, der ausstattungs- und angebotsabhängig zwischen 130 und 170 Euro kostet, soll City-Sportler, die nicht nur auf Fahrrädern, sondern auch auf Inline-Skates, Skateboards, Longboards, City-Rollern oder E-Bikes durch die Stadt gleiten, mit seiner Leuchtleiste jederzeit smart erleuchten: Eine „Tag-Nacht-Automatik" schaltet die 270-Grad-Rundum-Beleuchtung an, wenn es dunkel wird. Und aus, sobald die Helligkeit in der Umgebung wieder ausreicht.
Funktionen werden über Fernbedienung am Lenker gesteuert
Weite Sichtbarkeit ist also gegeben. Doch bekommen Smart-Helmträger noch genug vom Verkehrsgeschehen und ihrer Umwelt mit, um rechtzeitig reagieren zu können, auch wenn sie gerade Musik hören, der Stimme ihres Navis lauschen oder Sprachnachrichten austauschen? „Die Lautsprecher sind wie gesagt oberhalb des Ohrs angeordnet. Daher wirkt alles, was aus den Lautsprechern kommt, wie Umgebungsgeräusch", erläutert Reipschläger, warnt aber zugleich: „Absoluten Fahrradanfängern können wir nicht empfehlen, mit all diesen Funktionen zu fahren. Diese benötigen ja noch ihre ganze Konzentration fürs Radeln." Alle fortgeschrittenen und guten Fahrradfahrer seien „durchweg begeistert" von den Zusatzfunktionen.
„Viele davon lassen sich auch über die Fernbedienung am Lenker steuern", betont der Marketing-Manager. „Somit muss man nicht mal mehr das Handy aus der Tasche holen, um einen Anruf anzunehmen oder den Musiktitel zu wechseln."
Die Rennradfahrer-Variante BH62 (159 Euro) ist mit etwa 300 Gramm rund 200 Gramm leichter als das City-Modell und sorgt mit besonders vielen Luft-Ein- und Auslasskanälen für einen kühlen Kopf unter dem unübersehbaren Einzel-LED-Leuchten-Helm. Besonders toll sind die Blinker bei hohem Tempo: „Andere Teilnehmer am Straßenverkehr erkennen etwas Unnormales, und dadurch wird Aufmerksamkeit generiert", erklärt Reipschläger. „Das Handzeichen beim Abbiegen bleibt trotzdem Pflicht und macht dann auch jedem klar, was hier gerade passiert." Die gelben Richtungsanzeige-Leuchten lassen sich ebenfalls einfach über die Fernbedienung am Lenker steuern.
Der richtige Weg wird über die smarten Helme ins Ohr geflüstert. Für Musik und Navi – verbunden mit den Helmen via Bluetooth – brauchen Rad- und Skifahrer die kostenfreie Livall-Smartphone-App nicht. Zwingend wird sie nur für den Notruf, die Walkie-Talkie-Funktion und für Einstellungen benötigt.
Zur smarten Hauben-Reihe gehört auch ein Skihelm, der Livall RS1, der 110 Euro kostet. Wer auf ein Knöpfchen am Ohrpad drückt, kann sich beim Anstehen am Lift oder gar auf der Piste mit Musik und Meldungen unterhalten lassen. Via Walkie-Talkie bleibt man mit anderen Helmträgern der Marke in Verbindung. Bei einem Sturz und nachfolgender Bewegungslosigkeit sendet der RS1 eine SMS mit den Geodaten des Unfallortes an eine vorab definierte Telefonnummer. Es bleiben 90 Sekunden, um die Weitergabe einer unnötigen Notfallsituationsmeldung zu stoppen. Die verschiedenen Helm-Modelle sind im Fachhandel und in großen Onlineshops bereits auf dem Markt.
Entspannungs- statt Störgeräusche auf die Ohren
Ein anderes Beispiel für technisch-intelligente Outfits: In lauter Umgebung oder mit vielen Gedanken im Kopf ist Abschalten vor dem Einschlafen häufig schwer. Deshalb überlegte sich Tim Antos, mittlerweile CEO von Kokoon, einem Start-up aus London, in vielleicht genauso einer Nacht, wie smarte Kopfhörer beschaffen sein müssten, die ihn und andere Unruhig-Schläfer sanft in die Träume geleiten und komfortabel dort halten, bis der ideale Zeitpunkt zum Aufwachen gekommen ist. Er fragte sich, wie intelligente Kopfhörer beziehungsweise eine zugehörige, über Bluetooth verbundene Smartphone-App, individuelle Schlafmuster erkennen, die Schlafqualität des Anwenders messen und sich an die jeweilige Umgebung anpassen könnten. Geld für seine Entwicklung sammelte Kokoon über ein Kickstarter-Projekt. Die Spender sollten im Februar 2016 als Belohnung ihre ersten softweichen und sie sanft umsorgenden Headsets erhalten. Daraus wurde nichts. Zunächst. Unterstützt vom Lautsprecher-Spezialisten Onkyo und dem Entwicklungsteam von PGS Software, orientiert an den Erkenntnissen der Schlafwissenschaft, brachte Kokoon die Künstliche-Intelligenz-Kopfhörer etwa drei Jahre später als geplant in die Auslieferung – dafür mit allen gewünschten Eigenschaften.
Die neu geschaffenen, kissenweichen Schlaf-Headsets sollen tatsächlich auf den Ohren ihres Nutzers die Umgebungsgeräusche erkunden und mit patentierter Technologie passend ausblenden, seine Hirnströme messen sowie registrieren, welche Musik, Entspannungsgeräusche, Hörbücher oder Ansagen aus einer „Library" dem Schlafwilligen guttun. Außerdem sollen sie aufgrund von App-Daten ermitteln, wie der Schlaf des Nutzers verbessert werden kann – den Sound runterfahren, während der Entspannungsbedürftige einschläft, und ihn schließlich wieder wecken, wenn er optimal erholt und erfrischt ist.
Wer sich vom Anschaffungspreis von mehr als 300 Euro (erhältlich über www.kokoon.io/product-buy/) für Kopfhörer, Software, Updates, buchförmiges Transportkästchen und Schlafmaske nicht um den Schlaf bringen lässt, kann künftig auf Künstliche Intelligenz und Sensoren anstelle von warmem Kakao und Schäfchen-Zählen zum Müdewerden setzen.
Unser drittes Beispiel sind Shirts, die SOS-Signale senden. Sensoren sind die Nervenbahnen von Hightech-Hüllen. Sie sollen in den „Connected T-Shirts" der Telekom sogar Hilfe holen und Leben retten. Nicht zuletzt das derjenigen, die bei mehr als 200.000 Brand- und Gasunfall-Einsätzen in Deutschland pro Jahr selbst Helfer in der Not sind. Nach einem großen Testlauf bei der Feuerwehr Krefeld mit diesen speziellen Uniform-Shirts wurde das mit Elektronik voll genähte Hemd „nachjustiert", erklärt Martina Weidmann, Pressesprecherin bei T-Systems für das Internet der Dinge (IoT) und das industrielle IoT in der Industrie 4.0, bei einer Präsentation in München.
Einsatz solcher Shirts ist auch in der Pflege denkbar
Im sogenannten NBIoT-Netz versenden die verbundenen T-Shirts, die die Feuerwehrleute vor ihrem Einsatz anziehen, regelmäßig Daten, die unter anderem Stress, Körperhaltung und Aufenthaltsort funken und signalisieren. Das Maschinen- und Sensorennetz Narrowband IoT ist für Feuerwehreinsätze mit „Connected T-Shirts" ideal, denn es sorgt für eine bessere Netzabdeckung im Inneren der Gebäude, zu denen die Ersthelfer geholt werden.
Angedockt an LTE, den Mobilfunkstandard der dritten Generation, soll NBIoT mit schmalbandigem Modulationsverfahren und mehrfachen Übertragungswiederholungen eine mehr als 20 Dezibel höhere Leistungsdichte im Vergleich zum ersten digitalen Mobilfunkstandard GSM bewirken – und dabei Energie sparen. Markus Zscheile, Leiter des Solution Center Connected Things Integrator von T-Systems, erklärt den Nutzen der kontinuierlichen Datenübertragung: „Der Einsatzleiter weiß in jedem Moment, wo jeder seiner Leute ist." Eine „smarte Regel" erkenne beispielsweise ungewöhnliche Positionswinkel: „Der kommt in den gefährlichen Bereich." Sie erzeuge dann automatisch eine Benachrichtigung. In einer solchen E-Mail könne auch stehen: „Der Kollege ist in dem und dem Gebäude gerade gefallen."
as IoT meldet bedrohliche Situationen also vorsorglich nicht nur bei Maschinen, etwa in der Fertigung der Industrie 4.0, sondern auch bei Menschen, wie das vernetzte T-Shirt zeigt. „Es gibt sehr viele Einsatzgebiete. Für Feuerwehren oder Werksfeuerwehren bei Chemieunternehmen ist das eine optimale Lösung", sagt Weidmann. Auch im Sport, speziell bei der Reha-Unterstützung, oder in der Pflege sei das mit Sensoren und NBIoT vernetzte Shirt nutzbar. „Wenn Sie im Pflegeheim sind, ist nicht immer ein Pfleger dabei. Deshalb ist es wichtig, die Vitaldaten, beispielsweise die Herzfrequenz, zu tracken und auch Bewegungen zu erkennen, besonders bei Stürzen."
Aktuell setze noch keine Feuerwehr in ihrem Helferalltag das vernetzte Shirt ein, zumal keine freiwillige Feuerwehr. Die Stückzahl ist wie bei vielen Innovationen in ihren Anfängen das Problem, auch werde das Hightech-Hemd immer noch weiter entwickelt. Doch je mehr der smarten Shirts gefertigt werden, desto „bezahlbarer" sollen sie auch sein – trotz ihrer ausgetüftelten Elektronik mit Sensoren, Speicher, Telematik-Einheit sowie hitze- und schweißresistenten, fadenfeinen, waschbaren Drähten. Hoffnung besteht somit für Hightech-Hüllen für Helfer, die auch ihnen im Notfall schnelle Hilfe holen sollen.