Am Wannsee laden Sommerhaus, Garten und Privatmuseum des berühmten Malers Max Liebermann zu einem frühsommerlichen Spaziergang ein.
Es mag die Kombination von Kunst und Natur, von Kunstgenuss und Ausflugsidylle am See sein, die so viele zu dem Juwel im palladianischen Landhausstil zieht. Dort wandeln sie durch Blumenrabatten in leuchtender Farbenfülle in der wunderschönen Seenlandschaft, so wie es Max Liebermann (1847–1935) einst mit seinem Dackel Männe geliebt hat. Seit April 2006, nach der denkmalgerechten Wiederherstellung von Haus und Garten, ist die Villa Liebermann zum Publikumsmagneten geworden. Tausende kommen ins Privatmuseum, das im Wechsel Originale des Künstlers zeigt.
Jahre nach dem Mauerfall interessierten sich auch die Stadtpolitiker für die verfallene Villa. Die kulturellen Möglichkeiten! Das neue-Hauptstadt-Image! Es entstand – ähnlich dem Nolde-Haus in Seebüll – ein authentisches Künstlerhaus. Das Villenhaus-Ensemble im Blick erkennt man, dass hier einer am Werk war, der die Kunst des Maßhaltens beherrschte. Liebermann liebte in der Malerei und im Zeichnen, aber auch im Alltag strenge, klare Formen, zügelte selbst die wuchernde Natur. Schnurgerade sind die Wege seines Gartens. Erstaunlich: Das Spiel mit Symmetrieachsen schafft stille Heiterkeit.
Der Garten, der See, das Haus – auf diesem Dreiklang beruht Liebermanns ursprüngliche, mit dem Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, entwickelte Konzeption. Das Reduzierte, die Strenge prägen die Villa in Stil und Dimension. Die ließ er sich von dem Architekten Paul Otto Baumgarten hier 1910 vor den Toren Berlins bauen. In der Kolonie Alsen standen nach 1860 zunächst nur Sommervillen. Später richteten sich dann Berliner Bankiers, Künstler und Industrielle ihren ständigen Wohnsitz ein.
Der Künstler Liebermann stellte sich sein Refugium genau vor: „Wenn ich hier am Ufer stehe, so will ich durch das Haus hindurch auf den Teil des Gartens sehen können, der dahinter liegt. Von den Zimmern aus will ich über eine Wiese ohne Hindernis auf den See blicken können. Und links und rechts vom Rasen will ich gerade Wege. Das ist die Hauptsache. Und noch etwas: Das Zimmer, das in der Achse liegt, soll der Essraum sein. So – und nun bauen Sie!", erklärte der Impressionist seinem Baumeister.
Die Wände seiner Loggia malte er aus
Der junge Mann, Meisterschüler des Architekten Alfred Messel, hielt sich an die Vorgaben seines Bauherren. Ja, der konnte über den Rasen auf den See schauen und vom Rasen durch die Diele auf den Vorgarten, in dem neben Blumen Tomaten, Kohl und Kräuter wuchsen. Dort lebte er fortan mit Frau Martha, Tochter Käthe und Dackel Männe von Mai bis Oktober. Auf „seiner eigenen Scholle", wie er immer wieder stolz betonte. Hatte er doch das Wassergrundstück für 145.000 Reichsmark aus eigenem Geld gekauft, Beweis für seinen finanziellen Erfolg als Künstler.
In seinem „Schloss am See" fand Liebermann den nötigen Abstand vom intensiven Leben in seinem eleganten Stadtpalais neben dem Brandenburger Tor und dem ganzen Ärger um die „Secession" – und die entscheidenden Motive für sein Spätwerk. Mehr als 200 Gemälde entstanden in dem nach eigenen Ideen gestalteten fast 7.200 Quadratmeter großen Garten. Zudem sehnte er sich nach einem zweiten Atelier mitten in einem Freilichtatelier. 1940 wurde seine Witwe gezwungen, das Haus zu verkaufen. Als sie drei Jahre später nach Theresienstadt deportiert werden sollte, nahm sie sich das Leben.
80 Jahre nach Liebermanns Tod ist das Leben der Künstlerfamilie sowie das wechselvolle Schicksal des Hauses in einer kleinen Ausstellung im Erdgeschoss dokumentiert. Zu verdanken ist die Rettung des Gartenparadieses der Max-Liebermann-Gesellschaft, die die rund drei Millionen Euro teure Sanierung allein aus Stiftungs- und Spendenmitteln stemmte. Heute sieht man an der wunderschönen Villa hellgrüne Fensterläden, deren Farbe sich im Interieur wiederholt. An der Straßenfront stehen hübsche Säulen. Eine Augenweide ist nicht nur der rekonstruierte Garten mit Kieswegen und Rabatten, sondern dies sind auch die Birken, die in gerader Reihe zum Wasser hinab stehen. Der Birkenhain, der Liebermanns Aquarell „Haus am Wannsee" links und rechts einrahmt, existiert längst nicht mehr. Nach diesem Bild jedoch haben freiwillige Gartenhelfer 60 Birken neu gesetzt.
In den ausgestellten Gemälden, Zeichnungen, Grafiken spiegeln sich die Elemente des Liebermann’schen Gartens. Leider hat das Haus keine eigene Sammlung. Ausstellungen kommen nur durch Leihgaben zustande. Sie bieten dem Besucher die einmalige Möglichkeit, die Werke des Malers am Ort ihrer Entstehung und in unmittelbarer Nähe zu ihren Motiven zu erleben. So sehen wir den Maler in seinem „Atelier am Wannsee", die weißen Bänke im Garten, die lesende Gattin und die mit der Katze spielende Enkelin. Es genügt ein Blick aus dem Fenster, um die Blumenpracht, die den Künstler inspirierte, selbst zu erfahren. Man begleitet ihn als Bildbetrachter in die Biergärten der Umgebung, man reist sogar mit ihm nach Italien. Aus Rom zurückgekehrt, hatte der Maler 1911 – inspiriert von den antiken Fresken im Garten der Villa Livia – die Wände seiner Loggia ausgemalt. Zum Glück wurde diese Bemalung von den Architekten bei der Sanierung wieder entdeckt, freigelegt und wunderschön restauriert.
Das schöne, schlichte „Café Max" im Erdgeschoss bewirtschaftet auch die Terrasse zum See hin. Im Garten zu sitzen an einem sonnigen Nachmittag, auf den See mit den Segelbooten zu schauen – es ist unbeschreiblich. Momente wie aus der Zeit gefallen.