Seit 15 Jahren steht sie an der Spitze der Landeshauptstadt und will es noch einmal wissen. Charlotte Britz geht mit dem Bonus der Amtsinhaberin in die Oberbürgermeisterwahl.
Ottweiler, Bad Kreuznach, Koblenz, Frankfurt – vom Dorf in die Metropole. Das Leben der jungen Charlotte Britz führte sie in immer größere Städte. Doch die rund 700.000-Einwohner-Stadt war nichts für die Saarländerin. „Frankfurt war nicht so meine Stadt", erinnert sie sich. „Deshalb wollte ich wieder zurück, aber nicht nach Ottweiler." Unabhängig sein wollte sie. Ihr eigenes Leben führen. Also entschied sie sich für Saarbrücken, wo sie viele Bekannte hatte – und verliebte sich schon bald in die Landeshauptstadt. „Ich finde, Saarbrücken hat alles, was man braucht", sagt sie heute, als Oberbürgermeisterin. „Die Stadt hat ein Super-Kulturleben, tolle Einkaufsmöglichkeiten, die vielen Grünflächen." Den St. Johanner Markt lobten ihre Bürgermeisterkollegen auf Konferenzbesuchen regelmäßig. Total überrascht seien die meisten Gäste von der Stadt, die so wenige außerhalb des Saarlands überhaupt auf dem Schirm haben. „Man unterschätzt uns", sagt Charlotte Britz, die überzeugt ist, dass man die Stadt noch größer denken muss, um sie unter anderem für Gewerbeansiedlungen attraktiver zu machen. Um das anzugehen, muss sie aber zunächst ihren Posten an der Spitze der Verwaltung verteidigen. Für die 61-Jährige wäre es die letzte Amtszeit und die zweite Wiederwahl. 2011 hatte sie mit knapp 58 Prozent den CDU-Kandidaten Peter Strobel (26 Prozent) klar distanziert, nachdem sie 2004 noch in einer Stichwahl gegen Josef Hecken (CDU) antreten musste.
Dass Britz in die Politik gehen würde, war schon früh klar. Über die evangelische Kirche in Ottweiler kam sie zur Partei. Was bei der lange Zeit laizistisch geprägten SPD zunächst ungewöhnlich klingen mag, sollte Charlotte Britz nachhaltig prägen. „Wir hatten damals sehr fortschrittliche Pfarrer, die Themen wie die Resozialisierung im neuen Jugendgefängnis aufgriffen", erzählt sie. Als Kindergottesdiensthelferin kam sie mit diesen Themen in Kontakt. Der Weg in die Partei führte über eine Juso-AG im Ort. Das Engagement wuchs immer weiter, auch während der Ausbildung in den Jahren 1975 bis 1978 an der Fachschule für Sozialpädagogik in Bad Kreuznach, die sie als staatlich anerkannte Erzieherin abschloss. „Wir hatten dort einen engagierten Lehrer und haben viele gesellschaftspolitische Diskussionen geführt." 1979 legte Britz an der Fachoberschule für Sozialarbeit in Neunkirchen ihr Fachabitur ab und studierte im Anschluss bis 1983 Sozialarbeit in Koblenz und Frankfurt am Main.
Anfangs nur Außenseiterchance
„Koblenz war eine gute Zeit", erzählt sie heute. „Ich durfte allein in die große Welt und habe es sehr gemocht. Das hat mir beruflich und persönlich viel gegeben." Da es ihr aber in Frankfurt nicht gefiel, kam sie zurück ins Saarland. Im Frauenhaus absolvierte sie ihr Anerkennungsjahr. Bis 1988 arbeitete sie anschließend bei der therapeutischen Schülerhilfe Saarbrücken, ehe sie es bis 1991 in den Sozialdienst der Justiz beim Landgericht zog, wo sie als Bewährungshelferin arbeitete. Die nächsten fünf Jahre verbrachte sie in der Frauenabteilung des Ministeriums für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales. Damit schloss sich gewissermaßen ein Kreis, denn bei den Jusos machte Charlotte Britz überall, wo sie lebte, Parteiarbeit. Seit 1989 saß sie im Saarbrücker Stadtrat, 1996 kandidierte sie als Sozialdezernentin, erfolgreich, und blieb bis zu ihrer Wahl zur Oberbürgermeisterin im Jahr 2004 auf dieser Stelle.
Zu dieser Zeit war das Amt des Oberbürgermeisters wegen Hajo Hoffmanns Hausbauaffäre zwei Jahre unbesetzt gewesen. „Ich bin mit dem Fahrrad oft am Rathaus vorbeigefahren und habe mir gesagt: Es muss weiter in SPD-Hand bleiben", erinnert sich Britz, der viele damals nur Außenseiterchancen einräumten. Und tatsächlich unterlag sie dem CDU-Kandidaten Josef Hecken im ersten Wahlgang knapp. Als sie sich in der Stichwahl durchsetzte, klingelte das Telefon pausenlos. Selbst Oskar Lafontaine gratulierte. „Es hatte keiner gedacht, dass ich gewinne – außer mir", sagt Britz und lacht. Wie sie das geschafft hat? „Ich hatte schon immer mit Menschen Kontakt, auch zu meiner Zeit als Sozialdezernentin. Ich habe viel mit ihnen geredet, gekämpft und dafür geworben, dass wir die besseren Konzepte und klare Vorstellungen haben, was wir machen wollen. Das Herzblut haben die Menschen gespürt."
Zu diesen Vorstellungen gehörte, den Stillstand der Stadt zu beenden. Britz installierte einen Bürgerbeauftragten, führte Bürgersprechstunden und Stadtteilrundgänge ein. Sie nahm ein Citymarketing in Angriff, gründete städtische Gesellschaften und stärkte den Ruf Saarbrückens als Universitätsstadt. Auch in Zukunft will sie noch ein paar Herausforderungen stemmen. Mit 61 noch eine Amtszeit anzustreben ist nicht selbstverständlich. „Das ist kein Beruf, bei dem das Geldverdienen im Vordergrund steht", erklärt Britz. „Man muss es wollen und es muss einem Freude machen. Und das tut es." Allerdings merkt auch die amtierende Oberbürgermeisterin, dass die Gesellschaft immer komplizierter werde und das Amt kraftraubender werden lasse. „Man kann es nie allen recht machen, ich muss mich mit den Themen auseinandersetzen, die Leute anhören und Entscheidungen treffen." Zuletzt hatte sie mit der Feuerwehr-Affäre zu kämpfen, die vor allem im Wahlkampf viele gegen sie verwenden wollten. Doch Charlotte Britz will sich von solchen Widrigkeiten nicht zurückwerfen lassen. Ihre große familiäre Unterstützung hilft ihr dabei. Ihr Sohn, der inzwischen 29 ist, war immer an ihrer Seite, auch ihre Eltern wusste sie in all den Jahren stets in ihrem Rücken. „Das ist wichtig, weil man viele Abendtermine hat und dafür sorgen muss, dass das Kind nicht zu kurz kommt", sagt sie. Deshalb hatten ihr Sohn und sie das Ritual, abends gemeinsam zu kochen, egal, wie spät es war.
„Geschwindigkeit hat zugenommen"
Noch heute sieht sich Charlotte Britz gern Fußballspiele ihres Sohns an. Ein Ausgleich im stressigen Polit-Alltag, ebenso wie das Fahrradfahren vom Büro nach Hause und Yogaübungen vor der Arbeit. „Da bekomme ich den Kopf frei", sagt Britz, der ansonsten wenig Zeit zur Entspannung bleibt. Im Urlaub nutzt sie deshalb die Zeit, sich an der frischen Luft zu bewegen, oder ein gutes Buch zu lesen. „Ansonsten ist man ja ständig unterwegs, hat anspruchsvolle Themen – die Geschwindigkeit hat wahnsinnig zugenommen. Und man kann ja nicht überall Expertin sein." Deshalb gehört es zu den Aufgaben des Stadtoberhauptes, sich in den ständigen Austausch mit den Fachgremien zu begeben. „Wir haben gute Weichen gestellt bei den Themen Mobilität, Digitalisierung, Klimawandel", sagt sie und nennt das Messe- und Kongresszentrum ebenso wie Helmholtz. „Mein Ziel ist, dass ich diese Stadt weiterhin weltoffen und tolerant haben will. Durch das Engagement der vielen Bürgerinnen und Bürger haben wir das geschafft und daran wollen wir anknüpfen." Die Start-up-Förderung und Kontakte zu Unternehmern gehören ebenso zu ihren Zielen. Außerdem stehen die Mobilität und der Kampf gegen die Altschulden auf ihrer Agenda. „Das will ich weiter vorantreiben. Wir wollen hier in Saarbrücken investieren." Ob sie das weiterhin darf, wird sich am 26. Mai entscheiden.